Potentieller Crohn-Erreger überlebt in Hartkäse aus Rohmilch
Bern (aho) – Erstmals konnten nach einem Bericht der „Schweizerische Milchzeitung“ Wissenschaftler der Forschungsanstalt für Milchwirtschaft (FAM) der Schweiz nachweisen, wie sich das Mycobacterium paratuberculosis (MP) bei der Herstellung und Reifung von Rohmilchkäse verhält.
MP ist bekannt als Verursacher der Paratuberkulose beim Rindvieh und es wird vermutet, dass dieses Bakterium bei der Entstehung der Crohn- Krankheit des Menschen beteiligt sein könnte. Der Erreger vermehrt sich lediglich in tierischen oder menschlichen Zellen. Er ist sehr widerstandsfähig und überlebt im Boden oder in Gülle jahrelang. MP wächst nur langsam. Unter Laborbedingungen dauert es 4 bis 16 Wochen bis er Kolonien bildet. In der Schweiz sind 0,7 % der Kühe und 8 % der Betriebe serologisch MP-positiv, wie aus Untersuchungen des Bundesamtes für Veterinaerwesen hervorgeht. Erkrankte Tiere scheiden MP mit dem Kot und zum Teil mit der Milch aus. Die Keime gelangen so in die Milch und sind dort nachweisbar. Sie können die minimalen Pasteurisationstemperaturen überleben wie aus der Literatur bekannt ist. Im Labormassstab durchgeführte Versuche ergaben, dass 5,2 bis 31,6 % der MP 63°C/30 Minuten überlebten. Bei einer Erhitzung auf 72°C/15 Sekunden waren es 3,3 bis 24,9 %. Unter- suchungen britischer Wissenschafter zeigten, dass 7 Prozent der im Handel erhältlichen Pastmilch MP-verdächtig ist. Auf dem Gebiet besteht noch sehr viel Forschungsbedarf. So weiss man heute nichts über die Beziehung zwischen der Erkrankung und dem Konsum von Milchprodukten sowie über die MP-Dosis zur Auslösung von Crohn. Auch bezüglich Hitzeinaktivierung müßten die Kerngrößen präzis ermittelt werden.
Im Zusammenhang mit Paratuberkulose und Crohn werden immer wieder Rohmilch- käse als eine potentielle Übertragungsquelle von MP genannt. Die FAM hat jetzt in ihrer Modellkäserei mit MP infizierte Milch zu Emmentaler und Tilsiter verkäst und 120 Tage lang gereift. Das geschah erstmals unter Betriebsbedingungen und nicht im Labormassstab. Die Ergebnisse der untersuchten Proben zeigen, dass MP in Emmentaler rascher abstirbt als in Tilsiter. In beiden Käsen konnte MP nach 120 Tagen Reifung nachgewiesen werden, in Tilsiter in höherer Konzentration. Die Keimreduktion um den Faktor 10 wahrend der Lagerung dauerte bei Emmentaler 28 Tage und bei Tilsiter 45 Tage. Gemäß Literatur liegt der Wert für Weichkäse bei 60 Tagen. Je harter der Käse, desto rascher sterben die MP-Keime wahrend der Reifung also ab. Die Gründe hierfür sind nicht bekannt. Es gibt nur wenig Anhalts- punkte, wieviel MP-Keime in der Käsereimilch vorhanden sein können. Schätzungen gehen von 100 Keimen pro Liter aus. Unbekannt ist auch das Gefahrenpotenzial bei Käse aus Schaf- und Ziegenmilch. Die Forschungs- arbeiten an der FAM sind vorerst abgeschlossen. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe mit verschiedenen Experten aus der ganzen Schweiz soll das Thema weiter diskutieren und das Risikopotenzial für alle tierischen Erzeugnisse abschätzen.
Ulrich Wenger Potenzieller Crohn-Erreger überlebt in Hartkäse aus Rohmilch Schweizerische Milchzeitung 25 / 2001 vom 19.06.2001