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Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC): Ein Erreger macht „Karriere“

»US-Landwirtschaftsministerium ruft 12.500 t Hamburger-Patties (Buletten) wegen möglicher Verseuchung mit (EHEC)-Colibakterien zurück.« Diese AP-Meldung über die größte Rückrufaktion in der Geschichte der USA ließ in der Bundesrepublik die Fachwelt aufhorchen. Kurz darauf meldete dpa: »Gefährliche Darminfektionen in Niedersachsen«. Ein fünf Monate altes Mädchen war in Folge einer EHEC-Infektion gestorben. Offensichtlich haben viele Verantwortliche die Gefahr durch diese neuen Krankheitserreger deutlich unterschätzt.

Was sind EHEC?

Tauchen Coli-Keime – sonst meist harmlose Darmbewohner von Mensch und Tier – in der Umwelt, insbesondere im Trinkwasser und in Lebensmitteln, auf, deutet dies auf fäkale Verunreinigungen hin. Pathogene Varianten können beim Menschen Meningitiden und Pneumonien, Harnwegs- und Gallenblaseninfektionen sowie Septikämien auslösen. Eine ganze Reihe von Coli-Keimen ist jedoch auch in der Lage, Toxine zu bilden:

– Enteropathische Escherichia coli (EPEC), die Erreger der Säuglingsenteritis,

– Enteroinvasive Escherichia coli (EIEC), die eine ruhrähnliche Erkrankung hervorrufen,

– Enterotoxische Escherichia coli (ETEC), verantwortlich für ein choleraähnliches Krankheitsbild und

– Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC).

Hochinfektiös!

EHEC-Keime sind sehr infektiös, es genügen schon 10 bis 100, um eine Infektion hervorzurufen. Zum Vergleich: Für eine Salmonelleninfektion sind 100.000 Keime notwendig.

Die Gesamtzahl der EHEC-Infektionen in Deutschland, die in den allermeisten Fällen als harmloser Durchfall verlaufen und nur selten diagnostiziert werden, wird auf 5.000 bis 16.000 im Jahr geschätzt. Erste Darmsymptome treten drei bis zwölf Tage nach der Infektion auf. Nach Expertenmeinung kommt es zur Zeit pro Jahr bei etwa 400 bis 880 Kleinkindern, älteren Menschen und Patienten mit geschwächtem Immunsystem durch EHEC-Bakterien zum hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Das HUS zeichnet sich aus durch Nierenschäden und die Zerstörung von Erythrozyten. Es führt in etwa 10% der Fälle zum Tode. Die Nierenschäden können eine Dialyse oder Transplantation notwendig machen. Als weitere Komplikationen können Hirnschäden und Schäden an Herz und Bauchspeicheldrüse beobachtet werden. Auch andere Lebensmittelvergifter wie Shigellen, Campylobacter, Salmonellen und Citrobacter können ein HUS hervorrufen.

Zahlreiche Infektionsquellen

Der EHEC-Erreger ist weltweit verbreitet. Etwa 50% der deutschen Rinderbestände gelten als mit EHEC infiziert. Aktuell dürften 60 – 70 % der Schlachtrinder EHEC-positiv sein. Betroffen sind vor allem Milchbetriebe, da der Erreger bei den häufigen Durchfallerkrankungen der Kälber eine Rolle spielt. EHEC ist kein Problem der „Massentierhaltung“. Ganz im Gegenteil, häufiger sind kleinbäuerliche Rinderhalter betroffen. Vor einer Infektion kann kein Landwirt seinen Bestand schützen, so daß ihm im Falle einer Infektion kein Vorwurf gemacht werden kann. Als Hauptinfektionsquelle für den Menschen gelten nicht ausreichend erhitztes Rindfleisch sowie Rohmilch von Rind und Ziege. Nachgewiesen wurden EHEC jedoch auch in Lamm- und Geflügelfleisch, auf Kartoffeln, in Joghurt, Butter und Wasser. Rohes Gemüse und Obst gilt, wenn organischer Dünger (Rindermist) im Gartenbau verwendet wird, als potentieller Risikofaktor. So wurden EHEC-Keime in frisch gepreßtem und nicht pasteurisiertem Apfelsaft beschrieben. Es ist z.B. denkbar, daß Fallobst mit Rinderkot in Kontakt kommt und so der Erreger im Apfelsaft ankommt. Eine Kontamination von Lebensmitteln durch infizierte Mitarbeiter in der Lebensmittelverarbeitung ist denkbar.

Bei hochvirulenten Stämmen genügen 10 Keime, um eine Infektion über Rohmilch oder Fleisch hervorzurufen. Eine Kühlung ist so unwirksam. In 1 g infiziertem Rinderkot können 1 Milliarde EHEC – Keime enthalten sein. Während z.B. die Masse der Salmonellen beim Konsumenten durch die Magensäure abgetötet wird, überleben EHEC – Keime durch ihre hohe Säuretoleranz.

Schmierinfektionen durch Tier- und Personenkontakte oder Toilettengemeinschaften wie Kindergärten, Behörden und Pflegeeinrichtungen werden immer häufiger beschrieben. Gesunde Erwachsene erkranken bei einer Infektion zwar nicht, sie können jedoch Kinder und andere empfindliche Personen »anstecken«, für die die Infektion gefährlich ist.

Steigende Fallzahlen

Im Jahr 1989 erkrankte ein vierjähriges Mädchen in Schleswig-Holstein am HUS; als Infektionsquelle wurde Rohmilch identifiziert. 1992 erkrankten in Norddeutschland 39 Kinder einer Kindertagesstätte und zwei Erwachsene, ein Todesfall war zu beklagen.1993 wurden schon 54 Infektionen diagnostiziert, wobei 49 Patienten ein HUS entwickelten. Im Juli 1995 erkrankten allein in Bayern 44 Kinder, von denen 7 starben. Im Oktober mußten Kinder eines Niedersächsischen Kindergartens, die sich vermutlich über unerhitzte Vorzugsmilch infiziert hatten, stationär behandelt werden. Im Sommer 1996 machte eine EHEC – Infektionswelle in Japan mit mehr als 11.000 Erkrankten weltweit Schlagzeilen. Erst jetzt beabsichtigt das Bundesministerium für Gesundheit mit dem geplanten Infektionsschutzgesetz eine Meldepflicht für EHEC-Infektionen. Bayern hatte schon 1996 mit einer Meldepflicht auf die Massierung von EHEC-Fällen reagiert.

Modernes Leben

Ein Grund für die explodierende Zahl der Lebensmittelinfektionen ist in der Änderung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten zu sehen. Da werden naturbelassene, unbehandelte, rohe Lebensmittel mystifiziert und gelten als »gesund«, während vorbehandelte und konservierte Lebensmittel als »ungesund« abgestempelt werden. In Unkenntnis der tatsächlichen Risiken wird auf einfachste und bewährte Hygienemaßnahmen wie Abkochen und Durchgaren verzichtet. Obwohl seit Jahrzehnten bekannt ist, daß beim Verzehr von rohem Fleisch und roher Milch das Risiko einer Infektion mit Coli-Bakterien und anderen Krankheitserregern besteht, fordern Verbraucherorganisationen ihre Klientel auf, direkt beim Bauern zu kaufen. So geben inzwischen Tausende von Höfen Fleisch aus eigener Schlachtung, Rohmilch, Rohmilchkäse, Eier, Frischgeflügel, Honig und eine Vielzahl anderer Lebensmittel direkt an Verbraucher ab. Auf der anderen Seite ist die Lebensmittelüberwachung schon jetzt mit der Kontrolle von Restaurants, Dönerbuden, Marktständen, Eisdielen und Tankstellenminishops völlig überfordert.

Auch die »Hamburgerkultur«, die zunehmend Europas traditionelle Küchenkultur verdrängt, birgt erhebliche Risiken. So kam es in den USA 1982 zu einer Masseninfektion mit EHEC. Verantwortlich dafür waren defekte Grills in den Burgerrestaurants, auf denen die Rindfleischbuletten nicht mehr durchgegart und die Coli-Bakterien nicht mehr abgetötet werden konnten. Ähnlich problematisch ist es, wenn Gerichte im Mikrowellenherd nur erwärmt und nicht mehr gekocht werden. Die Temperaturen reichen zum Abtöten von Krankheitserregern nicht aus.

Milchproduktion

Leider kennen viele Landwirte die einschlägigen Vorschriften, z.B. die Milchverordnung, nicht. Selbst einfache Hinweisschilder wie »Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen«, wie sie nach §8 der Milchverordnung vorgeschrieben sind, dürften auf den wenigsten Höfen, die sich mit dem Verkauf von Rohmilch ein paar Mark hinzuverdienen, zu finden sein. Ebenso dürften nur wenige Landwirte der zuständigen Behörde angezeigt haben, daß sie Rohmilch an den Endverbraucher abgeben. Die Veterinärämter müssen verstärkt die Einhaltung der Milchverordnung kontrollieren und Molkereien bzw. Erzeugergemeinschaften ihre Mitglieder in Hygienefragen beraten. Eine Sonderstellung nehmen die Vorzugsmilchbetriebe ein, die
strengeren Hygieneregeln unterliegen und daher mit einem geringeren Risiko behaftet sind. Trotzdem soll auch Vorzugsmilch abgekocht werden! Da in vielen Fällen von EHEC und anderen Lebensmittelinfektionen rohe oder unzureichend erhitzte Milch und Rohmilchprodukte die Infektionsquelle war, wurde 1997 die Milchverordnung geändert. Danach ist die Abgabe roher Milch, einschließlich Vorzugsmilch, in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung wie Altenheimen, Krankenhäusern, Kantinen, Kindergärten und Schulen nicht mehr zugelassen..

Schlachtung

Da es bei der Schlachttieruntersuchung für den verantwortlichen Tierarzt am Schlachthof nicht erkennbar ist, ob ein Rind (Bulle, Kuh) mit EHEC-Keimen infiziert sind, muß immer mit einer solchen Infektion gerechnet werden. Die gefährlichen Bakterien befinden sich bekanntlich im Kot (Magen-Darmsystem) und auf dem mehr oder weniger kotverschmutzten Fell. Von hier aus gelangen die EHEC’s dann beim Entblutestich, beim Enthäuten, bei der Entnahme des Magen-Darmsystems, durch mit Kot kontaminierte Schlachttechnik, Messer, Schürzen und Hände auf den Schlachtkörper. In britischen Schlachtbetrieben haben schmutzige Schlachtkörper eine »alarmierend hohe Vermischung von Exkrementen mit Fleisch zur Folge, das für den Verzehr vorgesehen ist«. Hier waren Ende 1996 allein in Schottland 20 ältere Patienten an einer EHEC-Infektion gestorben. Die Infektion wurde nachweislich durch verseuchtes Rindfleisch hervorgerufen. Durch eine gute Fleischreifung läßt die Zahl der mit EHEC – kontaminierten Rinderschlachtkörper z.B. von 50 % auf 5 % reduzieren. Im Hinblick auf dieses Ergebnis muß die relativ frühe Abgabe von Rindfleisch ( 1 – 3 Tag nach dem Schlachten ) in der „ab Hof“ – Vermarktung kritisch hinterfragt werden.

In diesem Zusammenhang muß noch einmal darauf hingewiesen werden, daß nach Angaben der WHO (Weltgesundheitsorganisation) jährlich in Europa rund 130 Mio. Menschen, das sind rund 15% der Bevölkerung, an einer Lebensmittelinfektion erkranken. Der Krankheitsgrad reicht von milden Verläufen bis hin zu schweren Magen-Darm-Erkrankungen mit tödlichem Ausgang.

Vorbeugemaßnahmen

Hieraus ergeben sich eine Reihe von Forderungen, die auch die wirtschaftlichen Interessen der Landwirte schützen sollen. Gleichzeitig dienen sie auch zum Schutz vor Salmonellen: Vor der Schlachtung sollten keine Futtermittel gefüttert werden, die laxierend ( abführend ) wirken.

Stark verschmutzte Tiere sollen schon auf dem Herkunftsbetrieb durch Scheren von Schmutz- und Kotverklebungen befreit werden. Rinder müssen schonend und mit einem ausreichenden Platzangebot transportiert werden. So wird vermieden, daß stehende auf liegende Tiere koten. Hierzu werden formelle Vorschriften für den Umgang mit verschmutzten Tieren benötigt. Wie die Pressestelle von McDonald‘s auf Anfrage mitteilte, werden bei der Schlachtungen für McDonald‘s verschmutzte Rinder zurückgestellt und erst am Ende des Schlachttages geschlachtet. Werden trotzdem Schlachtkörper verschmutzt, werden diese großzügig »getrimmt«.

Auf dem Schlachtbetrieb soll nur im Hängen abgestochen und entblutet werden. Bei der liegenden Entblutung besteht die Gefahr, daß bei noch schlagendem Herz über die Venen im Bereich der Stichstelle ein infiziertes Gemisch von Blut, Kot, Urin und Wasser vom Fußboden angesaugt wird. So gelangen in Sekundenschnelle Keime tief ins Fleisch. Insbesondere bei Hausschlachtungen oder kleinen Schlachtbetrieben finden Abstechen und Ausbluten mangels moderner Schlachttechnik auf dem Boden statt. Beim Enthäuten darf das Fell nicht mehr mit dem Tierkörper in Berührung kommen. Eine mechanisierte Enthäutung trägt sehr zur Verbesserung der Hygiene bei. After und Speiseröhre müssen möglichst frühzeitig
mit einer Plastikhülle verschlossen werden. So wird der Austritt von Kot und Mageninhalt vermieden.

Nur qualifiziertes, gut geschultes und geübtes Personal gewährleistet eine optimale Schlachthygiene. Leider werden im Einzelfall osteuropäische Schlachtkolonnen für jeweils zwei Jahre angeheuert. Erfahrungsgemäß dauert es etwa neun Monate, bis eine solche Schlachtkolonne eingearbeitet ist. Sprachprobleme und mangelhafte Vorbildung behindern eine regelmäßige Fortbildung und verhindern eine Bewußtseinsbildung für Hygiene.

Risiko »Null«?

Hygienemaßnahmen wie die Pasteurisation der Milch und das Händewaschen nach dem Gang zur Toilette sind nicht ohne Grund eingeführt worden. Zwar wird es nie absolut sichere Lebensmittel geben, doch lassen sich die Risiken durch konsequente Hygiene reduzieren. Das gilt für alle Ebenen der Lebensmittelproduktion und -verarbeitung – aber auch für Privathaushalte! Die Hygiene ist ein Vorsorgeinstrument zum Schutz vor bekannten und unbekannten Erregern. Ein Risiko »Null« wird es nie geben!

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