Antibiotikamonitoring: Wurde von Amts wegen eine neue mathematische Formel für den Median gefunden?
Ein Zwischenruf von Dr. Leopold Goetze, Apen
(LG) – Die ersten Kennzahlen sind da: Im Bundesanzeiger vom 31. März wurden vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die nach § 58c Absatz 4 des Arzneimittelgesetzes erfassten bundesweiten betrieblichen Therapiehäufigkeiten für Mastrinder, Mastschweine, Masthühner und Mastputen bekannt gegeben. Die Politik ließ mit Kommentaren nicht lange auf sich warten und sieht vor allem bei Geflügelhaltern dringenden Handlungsbedarf (1). Leider sind wohl auch dem SPD-Agrarsprecher Wilhelm Priesmeier ein paar feine Details entgangen, unter anderem die Schwierigkeit der Zuordnung von Therapiehäufigkeit und Resistenz und – was noch viel schwerer wiegt – die Verlässlichkeit der Daten.
Im Gegensatz zu den von QS in ihrem Rundschreiben vom 13.04. veröffentlichten Zahlen, die zumindest rechnerisch einen gewissen Sinn ergeben, wird es schwierig sein, irgendeinen Kälbermäster in Deutschland davon zu überzeugen, dass er seinen Tierarzt zu Rate ziehen soll für einen Maßnahmenkatalog, nur weil die Therapiehäufigkeit in seinem Betrieb über der vom BVL veröffentlichten Kennzahl 1 (Median) von 0,000 liegt.
(Quelle: Bundesanzeiger)
Befremdlich ist hier nicht nur Genauigkeit der veröffentlichten Zahl (drei Stellen hinter dem Komma täuschen eine nicht vorhandene Präzision vor), sondern auch die Tatsache, dass entweder 51 % der Betriebe keine antibiotische Therapie gemeldet haben oder es etliche Betriebe gibt, bei denen eine negative Therapiehäufigkeit zu verzeichnen war (negative Zeit kennt man allerdings nur aus dem Science Fiction Roman). Schließlich ist der Median derjenige Wert, der in der Mitte aller beobachteten Werte liegt. Handelt es sich hier schlichtweg um einen Druckfehler?
Man mag wilde Hypothesen über die unterschiedlichen Therapiehäufigkeiten bei verschiedenen Tierarten aufstellen. Einen Handlungsbedarf lässt sich jedoch allenfalls hinsichtlich der Güte der gemeldeten Daten ablesen, die in dieser Qualität kaum rechtliche Relevanz haben.
Sehr viel wichtiger erscheint es jedoch, nicht weiterhin wertvolle Ressourcen in die gesetzlich erzwungene Datensammelwut zu verschwenden, sondern Gelder für die Erforschung neuer Wirkstoffe und die Erkennung und Beeinflussung der Übertragungswege von Resistenzgenen zu investieren (in den USA werden im Budget für 2016 die hierfür vorgesehenen öffentlichen Mittel auf 1,2 Milliarden Dollar verdoppelt (2).
Das reale Problem beim Menschen lässt sich nicht mit populistischen Äußerungen zur sogenannten Massentierhaltung abwenden. Es darf keine weitere Zeit verloren werden, wirklich sinnvolle Wege zur Überwindung des Therapienotstandes in der Humanmedizin einzuschlagen.

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