BKK-Studie: Humanmediziner verordnen zu oft leichtfertig Antibiotika
Berlin (aho) – In Deutschland werden rund 95 Prozent der von Humanmedizinern verordneten Antibiotika ohne ausreichende Prüfung verschrieben. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Erhebung der Betriebskrankenkassen Nordwest und Mitte unter rund sieben Millionen Versicherten in 13 Bundesländern. Es werde „falsch verordnet – so falsch, dass die Gesundheit von Patienten gefährdet wird“, wird Dirk Janssen, Vize-Vorstandschef der BKK Nordwest, von verschiedenen Medien gleichlautend zitiert.
Für die Studie haben die Kassen ihre Abrechnungsdaten von Anfang 2014 bis Mitte 2015 analysiert. In dieser Zeit bekamen 1,7 Millionen Patienten, ein Viertel aller BKK-Versicherten, Antibiotika verschrieben. In NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland erhielten die Menschen doppelt so viele Antibiotika wie in Thüringen, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern.
„Das ist eine Form von Missbrauch“, sagte Gerd Glaeske, Arzneimittelforscher an der Uni Bremen. In einem Interview mit der Berliner Morgenpost spricht Glaeske von einer „unübersehbaren Hilflosigkeit“ der Ärzte. Der Experte weiter: „Es kann eine Dauerbelastung für ihr [der Patienten] weiteres Leben sein. Es ist tatsächlich ein Missbrauch von Antibiotika bei bestimmten Indikationen, ein Missbrauch, den der Körper nicht mehr vergisst, ein Leben lang nicht – wie beim Sonnenbrand. Medizin sollte Folgebelastungen für Patienten vermeiden. Genau das wird hier sträflich vernachlässigt. Die verordnenden Ärzte übersehen, dass eine falsche Antibiotikatherapie ein lebenslanges Problem werden kann – durch immer mehr und immer neue Antibiotikaresistenzen, die entstehen. ….. Man muss sich als Arzt merkwürdig fühlen, wenn man nach Holland schaut, wo die MRSA-Resistenzen bei 1 Prozent liegen. Bei uns sind es 20 Prozent. Anders gesagt: In Deutschland besteht ein 20-fach höheres Risiko, durch leichtfertige Antibiotikaverordnungen gravierende Folgeschäden zu erleiden – weil in Holland eine andere medizinische Kenntnis vorherrscht. Und ein Gesundheitssystem, bei dem nicht jeder macht, was er will, sondern wo gezielt verordnet wird“.
Der Berliner Chefarzt Klaus-Dieter Zastrow fordert eine gesetzliche Neuregelung. Niedergelassene Ärzte sollten Antibiotika nur noch in Verbindung mit einem Antibiogramm verordnen dürfen.
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