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Tierschutzskandale: Auch Tierärzte unterliegen der Schweigepflicht

schweigepflichtUlm (aho) – Nachdem schockierende Videoaufnahmen von einem Schweinemastbetrieb im Alb-Donau-Kreis aufgetaucht sind, wogt die Diskussion, ob und wie derartige Zustände vermieden oder früher erkannt erkannt werden können.

In einer Pressemitteilung des zuständigen Landratsamts ist zu lesen: „Amtsveterinäre gehen in ihrer Arbeit auch Hinweisen nach, die beispielsweise von Hoftierärzten oder von anderer dritter Seite kommen. Gleiches gilt wenn beispielsweise in Schlachthöfen Auffälligkeiten festgestellt würden“.

Diese Aussage ignoriert die Tatsache, dass auch Tierärzte der Schweigepflicht unterliegen. In § 203 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) ist ganz eindeutig die tierärztliche Schweigepflicht und die Strafbarkeit bei Nichtbeachtung geregelt:

„Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm als

1. Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Angehörigen eines anderen Heilberufs, der für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung erfordert […]

anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.“

In der juristischen Fachliteratur wird der Frage nachgegangen, ob ein Tierarzt einen Tierhalter beim Veterinäramt oder der Staatsanwaltschaft anzeigen darf, wenn der Tierarzt zu einem vom Eigentümer gequälten Tier gerufen wird. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Hunde, Katzen, Pferde oder Tiere in der Landwirtschaft handelt. Juristen betonen, dass die Kenntnis des Tierarztes von der Misshandlung des Tieres ein Geheimnis auch des Tierhalters darstellt (1). Wenn der Tierarzt die Misshandlung des Tieres durch den Tierhalter anzeigt, offenbart er dieses Geheimnis unbefugt und begeht regelmäßig eine Straftat.

„Diese strafrechtliche Normierung der Schweigepflichtsverletzung ist auch keineswegs abwegig, weil die Schweigepflicht dem Schutz des Vertrauens zwischen Tierarzt und Tierhalter dient. Dieses Vertrauen würde untergraben werden, wenn der Tierhalter befürchten müsste, bei Behandlung des Tieres durch den Tierarzt angezeigt zu werden. Die Konsequenz wäre möglicherweise, dass der Tierhalter auch auf die Behandlung des verletzten Tieres durch den Tierarzt verzichtet. Dies ist nicht im Sinne des Tierschutzes“, schreibt der Jurist Wolfgang Hansen in der Fachzeitschrift Nutztierpraxis aktuell (2).

Unberührt hiervon bleiben Mitteilungspflichten, wie sie aus dem Tierseuchenrecht bekannt sind.

(1) Lenckner/Eisele in
Schönke / Schröder
Strafgesetzbuch
Kommentar
§ 203 Rn. 35
Verlag C.H. Beck München 2014
ISBN 978 3 406 65226 4
zitiert nach (2)

(2) Wolfgang Hansen
Die tierärztliche Schweigepflicht
Nutztierpraxis aktuell, 54 | 2016, S 67-68

3 Comments, Comment or Ping

  1. Ralf Lang

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    das sehen nicht alle so. Gerade das Wort „unbefugt“ in § 203 StGB ermöglicht, Straftatbestände an Tierschutzbehörden weiterzugeben.

    Zur Bedeutung des § 203 StGB erklärt unter anderem das Landgericht Dortmund im Urteil vom 9. Februar 2006 (Az. 4 S 176/05) im Rahmen der Fragestellung, ob Daten an Verrechnungsstellen abgegeben werden dürfen:
    „Zum geschützten Rechtsgut gehört – anders als beim Menschen – nicht die gesamte Krankengeschichte der Tiere, da dem Patient Tier kein strafrechtlicher Geheimnisschutz zuteil werden kann. Geschützt sind nur die persönlichen Geheimnisse des Eigentümers oder des Auftraggebers, die dem Tierarzt anlässlich der Behandlung anvertraut oder bekannt werden. Der Gesetzgeber hat bei der Aufnahme des Tierarztes in den Tatbestand des § 203 StGB zugrunde gelegt, dass der Tierarzt oft neben oder häufig vor dem Arzt z.B. von vom Tier auf den Menschen übertragbaren oder umgekehrt übertragbaren, insbesondere meldepflichtigen Krankheiten, erfährt und der Schutz des persönlichen Geheimnisbereichs unvollkommen wäre, wenn zwar der Arzt über derartige Erkenntnisse hinsichtlich des Menschen schweigen müsste, nicht aber der Tierarzt (vgl. OLG Celle a.a.O.).“

    Daher halte ich es für falsch, die Kollegen durch einen solchen Artikel zu exkulpieren, wenn solche Umnstände mit einer Häufung von Straftatbeständen verschwiegen und damit mitgetragen werden.

    Mit sonnigen Grüßen
    Ralf Lang
    (Veterinäramt Paderborn)

  2. Dr. Mirko Nowakowski

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    ausserdem gibt es dazu noch den §34:

    § 34 Rechtfertigender Notstand
    Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

    Bei gravierenden Verstößen gegen das Tierschutzgesetz ist dieses als höheres Rechtsgut zu werten als die tierärztliche Schweigepflicht.
    Da es aber nur eine Offenbarungsbefugnis erteilt (Offenbarungspflicht besteht nur bei schweren Straftaten wie Mord) sollte aber gerade der Tierarzt konsequent Stellung nehmen.

    Dr . Mirko Nowakowski
    prakt. TA Pforzheim

  3. B.S.

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    es gibt auch die Möglichkeit einer anonymen Anzeige. Meinem Wissen nach müssen Amtstierärzte jedem Verdacht auf ein tierschutzwidriges Verhalten nachgehen (egal ob schriftlich oder telefonisch).
    Ich vermisse in meiner tierärztlichen Tätigkeit manchmal die Sensibilität der Amtstierärzte für die Situation der Hoftierärzte. Die betreuenden Tierärzte müssen in solchen Fällen ihre Kunden anzeigen, was nicht ohne Folgen bleiben kann. Der Kunde ist danach höchstwahrscheinlich verloren und das Gerede am Stammtisch geht los.
    Wenn Amtstierärzte (wie in meinem Fall passiert) meinem Kunden schreiben: Dr. XY von der Praxis Z hat am 01.01.2006 angezeigt, dass ….“, obwohl ich aufgrund des vorhanden Geschäftsverhältnisses um Diskretion gebeten habe, kann ich das in keinem Fall nachvollziehen. Es entsprach zwar der Wahrheit, aber mit Verständnis und Rücksicht für die Lage der Hoftierärzte hat das nichts zu tun.

    Ich bin der Überzeugung, dass es mehr Hinweise auf tierschutzwidrige Zustände in Tierhaltungen geben würde, wenn sie entsprechend sensibler gehandhabt würden.

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