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Das aktuelle aho-Interview: Von Schwänzen, Prämien und Politik

4cProfBlaha (5)Hannover (aho) – Ein Bericht des NDR über eine bisher unveröffentlichte Studie der Tierärztlichen Hochschule zum Nichtkupiren der Ferkelschwänze hat heftige Reaktionen provoziert. Die Studie dokumentiert, dass auf den untersuchten Praxisbetrieben, trotz der Bereitschaft der Landwirte und der wissenschaftlichen Begleitung, bei den Tiergruppen mit nicht kupierten Schwänzen signifikant mehr Schwanzkannibalismus auftrat als bei kupierten Tieren.

aho sprach mit dem Studienverantwortlichen Professor Dr. Thomas Blaha, Leiter der Außenstelle für Epidemiologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover in Bakum und Vorsitzender der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT).

aho: Herr Professor Blaha, Ihnen wird vorgeworfen, bei der Durchführung der Studie beeinflusst worden zu sein: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“, heißt es da ganz unverblümt.

Blaha: Die Studie wurde – zugewiesen von Landwirtschaftsminister Meyer – von Mitteln des Landes Niedersachsen und nicht von irgendeiner „Agrarlobby“ bezahlt. Und so wie ich nicht das Lied irgendeiner Lobby singe, so singe ich auch nicht das Lied welchen Geldgebers auch immer, wenn seine zwar gut gemeinten, aber wissenschaftliche Erkenntnisse negierenden Absichten dem zu schützenden Wohl der Tiere entgegenstehen. Wissenschaft schaut genau hin, zeichnet auf und stellt ganz nüchtern fest.

aho: Wollen Sie den Ausstieg aus dem Schwänzekürzen verschieben oder gar verhindern?

Blaha: Da werde ich völlig falsch interpretiert. Mein Plädoyer ist gerade nicht das Aufschieben, sondern das sofortige Anfangen, wobei aber der Schutz der Tiere vor vermehrtem Tierleid im Mittelpunkt stehen muss und nicht das „politische Punkten“. Und dieser Schutz der Tiere vor einem betrieblich nicht ausgeloteten und vorher trainierten Nichtkupieren, in das die „Ringelschwanzprämie“ viele Landwirte hineinlocken wird, ist mein Anliegen. Wer aus ideologischen Gründen etwas durchsetzen will, was die Tiere mit mehr Tierleid bezahlen, handelt nicht im Sinne der Tiere – solche Entscheidungen müssen aus ethischer Sicht abgelehnt werden.

Ich fordere auch nicht, noch weitere wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen, bevor angefangen wird. Nein, wir wissen nun genug, um mit betrieblichen Ausstiegsszenarien Schritt für Schritt ohne massive Caudophagieausbrüche sofort anfangen zu können. Dieses Wissen besteht aber nicht in einer Patentlösung, die man nur umzusetzen braucht, sondern das Wissen besteht darin, dass zunächst auf jedem Betrieb die Bedürfnisdeckung für die Tiere optimiert werden muss, und dass sich auf jedem Betrieb, mit zunächst kleinen Gruppen beginnend, behutsam an die jeweils betriebsspezifischen Maßnahmenpakete, die den Verzicht des Kupierens ermöglichen, herangetastet werden muss.

Dazu bedarf es auch kostenintensiver Untersuchungen und Beratungen auf den Höfen. Meine Forderung ist wie gesagt das sofortige Beginnen, statt nun noch auf eine Prämie für bis zu 30% abgebissene Schwänze zu warten. Ich möchte verhindern, dass Landwirte ohne Vorbereitung und intensive Schulung „einfach die Schwänzchen dranlassen“, um die Ringelschwanzprämie zu erhalten und hoffen, dass schon nichts passiert – unsere Ergebnisse zeigen, dass ohne Vorbereitung und ohne intensive Schulung zunächst sehr viel „passiert“, nämlich 100-fach mehr Tierleid als beim Kupieren.

Mit anderen Worten: Nehmen wir das Geld für die potentiell großes Tierleid verursachende Prämie und geben es den Landwirten, damit sie umgehend unter beratender Begleitung durch ihre bestandsbetreuenden Tierärzte und die Schweinegesundheitsdienste mit kleinen unkupierten Gruppen austesten können, welche der vielfältigsten Maßnahmen in ihren Beständen durchgeführt werden müssen, um schrittweise zum dauerhaften Verzicht des routinemäßigen Kupierens kommen zu können.

aho: Welche Maßnahmen wären das?

Blaha: Wo soll ich anfangen? Optimierung der Tiergesundheit, des Klimas, der Fütterung, der Tränketechnik und der Buchtengestaltung. Es müssen überall erst ausreichend Extrabuchten bzw. Extraraum zur Trennung von beißenden und gebissenen Tieren eingerichtet werden.
Auch ist auf jedem Betrieb zunächst erst einmal zu erproben, welche Wühlmaterialien wie angeboten werden können.

aho: Sie haben eine solche Studie auch für Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Wie waren dort die Ergebnisse und Reaktionen?

Blaha: Das Ergebnis der Untersuchungen in NRW unterscheidet sich nicht von dem in Niedersachsen. Nur die Reaktion war völlig konträr! Das Land respektierte das Ergebnis, hat einen Beirat unter der Leitung von Prof. Friedhelm Jaeger gegründet, der genau das von mir nun auch in Niedersachsen empfohlene schrittweise Vorgehen wissenschaftlich begleitet. Hier will man, wie vom Projekt empfohlen, schrittweise vorangehen und ich gehöre dem dortigen begleitenden Beirat an.

Übrigens kamen deutschlandweit mehr als 20 Projekte zum Nichtkupiern der Schweineschwänze zu gleichlautenden Ergebnissen wie in NRW und jetzt in Niedersachsen. Die Ergebnisse sind also reproduzierbar und keine Einzelfallbeobachtungen.

Und lassen Sie mich abschließen: Als Wissenschaftler, der sich in zunehmendem Maße in den vergangenen Jahren mit Tierschutzfragen im Nutztierbereich beschäftigt hat, und als TVT-Vorsitzender muss ich angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen in NRW und in Niedersachsen anmahnen: Tierschutz ist wie Lebensmittelsicherheit nicht teilbar und wenn das Wohl der Tiere nicht im Mittelpunkt steht, läuft etwas aus dem Ruder.

aho: Vielen Dank für das Gespräch!

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