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Lawsonia intracellularis: Ein Erreger macht Karriere

von Dr. Manfred Stein, 22.08.2004

Unter Verwendung von wissenschaftlichem Material von Dr. Steve McOrist, Dr. Torsten Hardge, Dr. Volker Ohlinger, Prof. Dr. Joachim Pohlenz, Harm Voets DVM, Don Walter DVM.

Das Bakterium

Lawsonia intracellularis (L. intracellularis) ist ein strikt intrazellulär lebendes Bakterium und wird deshalb von üblichen kulturellen Verfahren nicht erfasst (1). Es muss in Zellkulturen (Ratten-Darmzellen, Schweine-Darmzellen) in einer sogenannten mikroaerophilen Umgebung (ca. 8% Sauerstoff) angezüchtet werden. Eine Kultivierung dauert etwa 3-5 Tage (2). L. intracellularis ist ein gramnegatives, unpigmentiertes, nicht sporenbildendes, kapselloses, komma- bis stäbchenförmiges Bakterium mit zugespitzten Enden (1,25-1,75 µm x 0,5-1,5 µm). Das Bakterium besitzt keine Pili, Flagellen oder Fimbrien und ist daher unbeweglich.

Elektronenmikroskopische Aufnahme aus Zellkulturen mit zahlreichen Lawsonia intracellularis-Bakterien. Lawsonia intracellularis

Wie wurde die Ileitis entdeckt?

Vor der Intensivierung der Schweineproduktion in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gab es weltweit einzelne Fallberichte über die Porzine Proliferative Enteropathie (Ileitis) durch Lawsonia intracellularis. Diese beschränkten sich jedoch auf seltene Einzelfälle mit akuter oder chronischer Form der Erkrankung. Zu dieser Zeit waren epidemische und parasitäre Erkrankungen ein allgemein weit verbreitetes Problem und verkomplizierten die genaue Diagnose chronisch Porziner Proliferativerer Enteropathien. Zudem stand ein eindeutiger labordiagnostischer Nachweis damals nicht zur Verfügung.

Nach 1970 wurde weltweit in vielen Schweine produzierende Regionen auf intensive Haltungsformen umgestellt. Parallel nahmen die Berichte von hochgradigen Ausbrüchen der Ileitis in den USA, Australien, Großbritannien und Dänemark zu. Möglicherweise handelte es sich hierbei jedoch nicht um einen tatsächlichen Anstieg der Häufigkeit, sondern lediglich um eine Verschiebung von der chronischen Form hin zur akuten Erkrankung, die klinisch deutlich stärker in Erscheinung tritt. Vor dieser Zeit hatten andere Darmerkrankungen größere Bedeutung, die mit der Diagnose der Porzinen Proliferativen Enteropathie interferierten, so vor allem die Schweinedysenterie, die Salmonellose und verschiedene Darmparasitosen.

Die tatsächliche Ursache der Porzinen Proliferativenen Enteropathie wurde erst 1973 entdeckt. Alan Rowland und Gordon Lawson in Edinburgh, Schottland, waren die ersten, die das spiralförmige intrazelluläre Bakterium, welches die Erkrankung auslöst, gesehen haben. Es dauerte jedoch noch weitere 20 Jahre bis dieser Mikroorganismus kultiviert, eindeutig identifiziert, und die Koch'schen Postulate erfüllt wurden. Während dieser 20 Jahre entstanden bezüglich der tatsächlichen Klassifizierung dieses intrazellulären Bakteriums erhebliche Verwirrungen. So wurden unter anderem zahlreiche Campylobacter-Typen untersucht, letztlich aber ohne Erfolg. In der Tat handelt es sich bei Lawsonia intracellularis, dem primären Erreger der Ileitis, um ein Mitglied der Familie der Desulfovibrionaceae mit der typischen Form der "Vibrio"-Bakterien.

Was bedeutet der Name der Erkrankung?

In verschiedenen Teilen der Erde werden unterschiedliche Begriffe zur Bezeichnung dieser wichtigen Erkrankung genutzt. In Europa sind die Bezeichnungen Porzine Intestinale Adenomatose (PIA) und Proliferative Hämorrhagische Enteropathie (PHE) verbreitet, während in Nordamerika die Begriffe Ileitis und "Garden hose gut" ("Gartenschlauchdarm") etabliert sind. Gelegentlich werden in verschiedenen Regionen auch weitere Bezeichungen verwendet und sorgen für zusätzliche Verwirrung. Schließlich wurde der Begriff Porzine Proliferative Enteropathie (PPE) eingeführt, da er die grundlegenden pathologischen Veränderungen, die bei allen erkrankten Schweinen auftreten, am exaktesten beschreibt. Um das Jahr 1993 etablierte sich diese Bezeichnung zusätzlich, da herausgefunden wurde, dass ein einziger Erreger - das Bakterium Lawsonia intracellularis - für sämtliche klinische und pathologische Formen der Porzinen Proliferativen Enteropathie verantwortlich ist. Die unterschiedlichen Formen der Ileitis resultieren oft allein aus unterschiedlich hohen Infektionsdosen, den unterschiedlichen Altersstufen der infizierten Tiere, der Disposition der Tiere, sowie möglicher Sekundärinfektionen. In vielen Teilen der Erde wird der Begriff Ileitis als kurze und einfach auszusprechende Bezeichnung für diese Erkrankung genutzt. Aus diesen Gründen sprechen auch wir in diesem technischen Handbuch hauptsächlich von Ileitis.

Ein weltweites Problem

Aktuelle Prävalenzstudien in zahlreichen Ländern Europas, Asiens und Nordamerikas belegen, dass ein Viertel bis zur Hälfte aller beobachteten Schweinebetriebe erst kürzlich einen schweren Ausbruch der Ileitis zu verzeichnen hatte. Die Infektionsprävalenz innerhalb eines infizierten Betriebes beträgt während einer Erkrankungsperiode meist 20 bis 30 % der Aufzucht- und Mastschweine. Der Erreger Lawsonia intracellularis und die assoziierte Erkrankung - die Porzine Proliferativee Enteropathie - treten als Problem also sehr häufig auf und betreffen Schweinebetriebe weltweit mit den verschiedensten Haltungsformen und Managementsystemen. Betroffen sind sowohl extensive als auch intensive Haltungsformen, sowie Single-Site- und Multi-Site-Betriebe, also Betriebe ohne und mit räumlicher Trennung der Altersgruppen. Der Erreger und die Erkrankung werden in allen Ländern mit intensiver Schweineproduktion in sämtlichen Regionen nachgewiesen. Es ist daher dringend erforderlich, sich intensiver mit den klinischen Symptomen, der Diagnose, der Ileitis-Kontrolle und dem Krankheitsmanagement zu befassen, vor allem in Anbetracht der erheblichen Fortschritte in den Bereichen Labordiagnose (ELISA, PCR) und Prophylaxe (Impfung).

Welche Tiere bekommen Ileitis? Ist Ileitis eine Zoonose?

Die weltweit wichtigste Wirtspezies für Lawsonia intracellularis ist das Hausschwein. Natürlich auftretende Bakterien, die den ursprünglichen Isolaten vom Schwein ähneln, werden aber auch bei verschieden anderen, teilweise wild lebenden Säugetieren und Vögeln nachgewiesen, so dass auch diese Tierarten bei der Übertragung des Erregers eine Rolle spielen können. Es waren dies Igel (5), Hamster (Wet Tail)(8), Hunde (5, 18 - 21), Ratten (9), Rhesusaffen, Füchse (11, 17), Frettchen (12), Kälber (5), Pferde (13-15), Kaninchen (16), Rotwild (7,17), Wildschweine (10), Wölfe (17) sowie Laufvögeln wie Emu und Strauß (6) und Giraffen (5).

Bei Menschen mit Darmerkrankungen wie Morbus Crohn konnte Lawsonia intracellularis trotz offensichtlich vielfältiger Übertragungsmöglichkeiten zwischen Schwein und Mensch bis heute nie gefunden werden und gilt deshalb nicht als Zoonoseerreger. Auch in der Literatur wurde eine Infektion mit Lawsonia intracellularis beim Menschen nie beschrieben. Auch im Rahmen humanmedizinischer Studien mit Untersuchung der Dickdarmflora, pathologischer Veränderungen im Dickdarm, sowie Serumantikörpern und histologischer Veränderungen bei Dickdarmerkrankungen konnte keinerlei Verbindung zu Lawsonia intracellularis-Infektionen bei Schweinen oder anderen Tieren hergestellt werden. Eine Tätigkeit in einem Schweine haltenden Betrieb gilt nicht als berufsbezogener Risikofaktor für die Entwicklung von Dickdarmkrebs beim Menschen.

Warum entwickelt sich Lawsonia intracellularis zu einem immer ernster zu nehmenden Problem in der Schweineproduktion?

Seit Entwicklung der Antibiotika wurden erhebliche Anstrengungen zur Kontrolle von Infektionskrankheiten in Schweinebeständen unternommen. Der Einsatz von Wachstumsförderern hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Kosten der Schweinefleischproduktion gesenkt und eine deutliche Reduktion der klinischen Probleme durch darmpathogene Erreger ermöglicht. Der zunehmende Einsatz von Antibiotika, Gesundheitsmanagementsystemen und Hygieneprogrammen hat Erkrankungen wie TGE, EVD und Schweinedysenterie nahezu eliminiert und gleichzeitig die klinischen Symptome der Porzinen Proliferativenen Enteropathie verschleiert. Mit dem Verbot des Einsatzes von Wachstumsförderern bei Lebensmittel-liefernden Tieren ab Januar 2006, der Einführung von QS und unter dem Druck der WHO, den Antibiotikaeinsatz einzuschränken, um der Gefahr einer Entwicklung von Bakterien mit multiplen Resistenzen entgegen zu wirken, wird sich Lawsonia intracellularis zukünftig zu einem bedeutenden Krankheitserreger entwickeln. Hiervon werden vor allem viele Betriebe mit einem hohen Gesundheits- und Hygienestandard betroffen sein. In Dänemark werden entsprechend negative Erfahrungen bereits seit dem Jahr 2000 verzeichnet. Auch in den übrigen europäischen Ländern wird der Ileitis durch Lawsonia intrazellularis wachsende Bedeutung beigemessen.


Literatur:

(1) J. Ehrlein, W. Breuer, K. Heinritzi, W. Hermanns
Lawsonia intracellularis als Erreger der Porcinen proliferativen Enteropathie
Berl. Münch. Tierärztl. Wschr. 1997; 110: 298

(2) McOrist, S., C.J. Gebhart, R. Boid u. S.M. Barns
Characterization of Lawsonia intracellularis gen. nov., sp. nov., the obligately intracellular bacterium of porcine proliferative enteropathy.
Int. J. Syst. Bacteriol. 1995; 45, 820 - 825

(3) Gebhart, C.J., S.M. Barns, S. McOrist, G.-F. Lin u. G.H.K. Lawson
Ileal symbiont intracellularis, an obligate intracellular bacterium of porcine intestines showing a relationship to Desulfovibrio species.
Int. J. Syst. Bact. 1993; 43, 533 - 538

(4) Jensen, T.K., K. Møller, R. Lindecrona u. S.E. Jorsal
Detection of Lawsonia intracellularis in the tonsils of pigs with proliferative enteropathy.
Res. Vet. Sci. 2000; 68, 23 - 26

(5) Herbst W, Hertrampf B, Schmitt T, Weiss R, Baljer G.
[Diagnostic of Lawsonia intracellularis in pigs with and without diarrhea and other animal species using the polymerase chain reaction (PCR)]
Dtsch Tierarztl Wochenschr. 2003 Sep;110(9):361-4.

(6) Cooper, D.M.
Proliferative enteritis in the hamster, horse, deer and ostrich: detection and characterisation of Lawsonia intracellularis.
Minnesota, Univ., M. Sc. Thesis, 1996

(7) Drolet, R., D. Larochelle u. C.J. Gebhart
Proliferative enteritis associated with Lawsonia intracellularis (ileal symbiont intracellularis) in white-tailed deer.
J. Vet. Diag. Invest. 1996; 8, 250 - 253

(8) Frisk, C. S. u. J.E. Wagner
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J. Comp. Pathol. 1986; 95, 45 - 55

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Hyperplastic gastritis with intraepithelial Campylobacter-like organisms in a Beagle dog.
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(21) Tomanová K., Klimes, J., Smola, J., Husník, R.
Detection of Lawsonia intracellularis in a dog with inflammatory bowel disease using nested PCR and serology
Vet. Med. - Czech, 48, 2003 (4): 108-112



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