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Veränderungen in Lebensmitteln: Die chemische Seite von Mutter Natur

(idw) – Aus Anlass des Deutschen Lebensmittelchemikertags vom 8. bis 10. Oktober 2003 in München nimmt die Lebensmittelchemische Gesellschaft, eine Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh), erneut zu chemischen Veränderungen in Lebensmitteln Stellung. Darin geht sie am Beispiel des Acrylamids insbesondere auf die Frage der Gesundheitsrelevanz sogenannter prozessbedingter Schadstoffe ein. Sie kommt zu dem Schluss, dass neu gewonnene Erkenntnisse aus der Lebensmittelforschung mit Sachverstand und weniger mit Emotionen beurteilt werden und zu anderen Risiken des Alltags in vernünftige Relation gesetzt werden sollten.

Lebensmittel und ihre Rohstoffe verändern sich ab der Ernte bzw. Gewinnung fortlaufend mehr oder weniger schnell. Bei diesen Veränderungen handelt es sich entweder um chemische Stoffumwandlungen und/oder chemisch-physikalische Strukturänderungen. Unterschieden wird im allgemeinen in solche, die durch hydrolytische, enzymatische oder mikrobiologische Vorgänge sowie bei erhitzten Lebensmitteln zusätzlich durch thermische Prozesse bedingt sind.

Betrachten wir die thermischen Veränderungen etwas genauer: Bei allen (stark) erhitzten Lebensmitteln tritt die nach ihrem Entdecker, L.C.Maillard, benannte Reaktion mit ihren äußerst komplexen Reaktionsfolgen auf. Wegen der einhergehenden Bräunung und Aromabildung ist diese bis zu einem gewissen Grade ausdrücklich erwünscht und beliebt (z.B. Backen von Brot, Braten eines Steaks). Stand des Wissens ist, dass einige der Verbindungen durchaus toxikologische Relevanz besitzen und, dass die Maillardreaktion auch an physiologischen Alterungsvorgängen im Körper beteiligt ist. Positive gesundheitliche Aspekte sind aber ebenso beschrieben worden. Obwohl die Entdeckung der Bräunungsreaktion heute ziemlich genau 90 Jahre her ist, sind aufgrund er großen Komplexität bislang noch nicht alle Stoffe und Mechanismen erforscht.

Es war daher nicht verwunderlich, dass nach dem erstmaligen Nachweis des originären Vorkommens einer Substanz wie Acrylamid in Lebensmitteln im Jahr 2002 nicht nur die Lebensmittelwissenschaftler und Lebensmittelhersteller zutiefst überrascht waren. Diese bislang unvorstellbare schicksalhafte Unvermeidlichkeit der Entstehung einer immer von Lebensmitteln ferngehaltenen, toxikologisch relevanten Substanz, kombiniert mit einer Situation fehlenden Wissens, führte dazu, dass zunächst viele Verbraucherschützer und Konsumenten sowie einige Behörden die Lebensmittelhersteller für alleinig verantwortlich hielten. Erst langsam setzte sich die Ansicht der Verantwortungsgemeinschaft durch.

Der wahre Grund der Acrylamidbildung in bestimmten Lebensmitteln konnte durch die Konzentration aller Kräfte relativ schnell weitgehend aufgeklärt werden, hatte es doch etwas mit chemischen Vorgängen wie der erwähnten Maillardreaktion zu tun. Hierzu der Lebensmittelchemiker und Lebensmitteltechnologe Prof. Dr. Reinhard Matissek, Acrylamidexperte: “ Mutter Natur zeigt sich beim Erhitzen von Lebensmitteln von ihrer chemischen Seite – und sie hat uns ein Kuckucksei ins Nest gelegt. Egal ob im Haushalt, in der Lebensmittelindustrie oder in der Gastronomie: Neben vielen nicht weiter beachteten Verbindungen entsteht beim Frittieren, Toasten, Backen, Rösten etc. von Speisen – ob wir wollen oder nicht – unter anderem Acrylamid als ein Resultat weltweit üblicher und seit vielen Generationen gebräuchlicher Produktions- und Zubereitungstechnologien. Es handelt sich hierbei also um keine Kontamination von außen, keinen Rückstand, keine kriminelle Machenschaft, kein Ãœbel der modernen Zeit sondern um eine neue, zugegebenermaßen interessante und wichtige Erkenntnis. Für einen derartigen Sachverhalt fehlte bislang das richtige Wort. Ein treffender und prägnanter Begriff aus dem Angelsächsischen setzt sich aber immer mehr durch: foodborne toxicant, im Deutschen spricht man vom prozessbedingten Schadstoff.“

Da die Toxikologie von Acrylamid ihre Erkenntnisse zum ganz überwiegenden Teil aus Tierversuchen hat und vorhandene epidemiologische Studien beim Menschen nur begrenzte Aussagekraft haben, liegt eine beträchtliche Unsicherheit bezüglich der Bewertung des gesundheitlichen Risikos vor. Hinzu kommt, dass Aufnahmemengen nur ungenau abgeschätzt werden können, da exakte Expositionsdaten und Daten zur Bioverfügbarkeit nicht vorliegen. In einer solchen Situation kommt das Vorsorgeprinzip zur Anwendung. Die Idee des dynamischen Minimierungsprinzips entspringt grundsätzlich diesem Ansatz und ist sicherlich das Beste, was wir derzeit tun können. Hierfür sprechen auch die erzielten, vorzeigbaren Erfolge industrieller Lebensmittelhersteller.

Mit jeder Mahlzeit nehmen wir eine Fülle von chemischen Einzelstoffen auf, vor allem sind das die natürlichen Inhaltsstoffe. Der menschliche Organismus wird meist mit toxischen Inhaltsstoffen in begrenzten Mengen fertig; stoffwechselimmanente Repair-Systeme sind vorhanden. Erhitzungsprozesse sind nicht generell etwas Schlechtes; sie sind bei vielen Lebensmitteln ausgesprochen wichtig, ja sogar notwendig, da diese u.U. erst dadurch verdaulich oder verträglich werden bzw. den ihnen arteigenen Charakter erhalten. Ferner darf nicht vergessen werden, dass in Lebensmitteln eventuell vorkommende pathogene Mikroorganismen erst durch Erhitzungsvorgänge abgetötet werden. Bei jeder Risikobewertung ist deshalb das richtige Augenmaß wichtig. So wird es wohl in Zukunft nicht nötig sein, gänzlich auf Gegrilltes, Frittiertes, Gebratenes, Geröstetes oder Gebackenes zu verzichten.

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