Freisprüche im „Tierschützer-Fall“ rechtskräftig

(OLG) – Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg hat heute die Revision der Staatsanwaltschaft gegen ein Berufungsurteil des Landgerichts Magdeburg verworfen, durch das ein Freispruch der Angeklagten von dem Vorwurf des gemeinschaftlichen Hausfriedensbruchs bestätigt worden war.

Nach den Feststellungen des Landgerichts sind die drei Angeklagten Mitglieder einer Tierschutzorganisation. Aus einem Hinweis erfuhren die Angeklagten, dass in den Stallungen eines Tierzuchtunternehmens diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung vorliegen sollten. So seien insbesondere die Kastenstände für Schweine deutlich zu klein. Aus vorherigen Fällen verfügten die Angeklagten über die Erfahrung, dass eine Anzeige bei der zuständigen Behörde ohne dokumentierte Beweise nicht erfolgversprechend war. In den Nachtstunden des 29. Juni und des 11. Juli 2013 überstiegen jeweils zwei der Angeklagten die Umzäunung der Anlage und betraten über geöffnete Türen die Ställe, um dort Filmaufnahmen zu fertigen. Sie stellten Verstöße gegen die vorgeschriebenen Haltungsbedingungen fest und dokumentierten diese filmisch. Die Angeklagten handelten hierbei auf Grund ihres stark ausgeprägten Mitgefühls für Tiere mit dem Ziel, die zuständigen staatlichen Stellen dazu zu veranlassen, auf die Einhaltung der Tierschutzregeln hinzuwirken. In der Folgezeit legten sie das Filmmaterial den zuständigen Behörden vor und erstatteten Strafanzeige gegen die verantwortlichen Personen des Tierzuchtunternehmens. Im Zuge der hierdurch veranlassten behördlichen Kontrollen in den Stallungen wurden diverse Verstöße gegen die Tierschutznutztierhaltungsverordnung festgestellt.

Das Amtsgericht Haldensleben hat die Angeklagten freigesprochen. Die dagegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Magdeburg verworfen. Allerdings hätten die Angeklagten den objektiven Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt, weil sie in das befriedete Besitztum des Tierzuchtunternehmens eingedrungen seien. Die Verletzung des Hausrechts sei jedoch unter anderem unter dem Gesichtspunkt des Notstandes gerechtfertigt gewesen.

Der 2. Strafsenat hat die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil vom heutigen Tage als unbegründet verworfen. Der Senat hat die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung bestätigt, wonach rechtfertigender Notstand vorlag. Das Tierwohl stelle ein notstandsfähiges Rechtsgut dar, dem durch die von den Angeklagten dokumentierten Missstände dauerhafte Gefahr gedroht habe. Die Tat sei zur Abwendung der Gefahr erforderlich gewesen, weil mit einem Eingreifen der zuständigen Behörden nach den zuvor erzielten Erfahrungen nicht zu rechnen gewesen sei. Das von den Angeklagten geschützte Tierwohl sei im vorliegenden Fall deutlich höher zu bewerten als das verletzte Hausrecht. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass die Gefahr für das von den Angeklagten geschützte Tierwohl vom Inhaber des Hausrechtes ausgegangen war.

Die Freisprüche sind damit rechtskräftig.

2 Rv 157/17 OLG Naumburg
28 Ns 74/17 LG Magdeburg

Aus den angewendeten Vorschriften des Strafgesetzbuches (StGB):

§ 123 Hausfriedensbruch.
(1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst oder Verkehr bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt.

§ 34 Rechtfertigender Notstand.
Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Das gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.