Positionspapier zum Themenkomplex Clostridium botulinum

von Prof. Dr. med. vet., Dr. sc. agr. habil. Helge Böhnel


Bakteriologie

In der Gattung Clostridium ist eine Vielzahl unterschiedlichster Bakterien zusammengefaßt, die einige grob-sinnliche Gemeinsamkeiten haben. Sie sind stäbchenförmige Bakterien, die als Überlebensformen sog. Sporen bilden. Sie sind anaerob, d.h. sie brauchen für ihren Stoffwechsel keinen Sauerstoff. Die Einteilung in verschiedene Spezies erfolgt in unterschiedlicher Weise. Die pathogenen Vertreter werden fast ausschließlich auf Grund ihrer Stoffwechselprodukte differenziert. Dieses grobe Raster entspricht nicht mehr den modernen Anforderungen der bakteriellen Taxonomie.

Die Spezies C. botulinum ist dadurch gekennzeichnet, daß ihre Mitglieder eine Vielzahl von Toxinen (d.h. Giftstoffe; Botulinum-Neurotoxin, BoNT, Botulismotoxin, Botulinumtoxin; hier als "Toxin" bezeichnet) bilden. Schwierigkeiten entstehen, wenn diese Toxinbildung nicht nachweisbar ist.


Unter Bakteriologen ist anerkannt:

Die Gattung Clostridium sollte nach modernen biologischen Gesichtspunkten neu gegliedert werden. Ihre Mitglieder würden dann auch grundlegend neu benannt werden müssen.


Clostridium botulinum (C. botulinum) ist ein Bodenbakterium; einige Typen bzw. Stämme haben sich an Säugetiere adaptiert und vermehren sich auch im Magen-Darmtrakt. Neuere Forschungen zeigen, daß C. botulinum in seinem Stoffwechsel als mikro-aerophob bezeichnet werden kann. Um eine Stoffwechselaktivität einzuleiten, muß sich praktisch nur ein einziges Bakterium in sauerstofffreier bzw. -armer Umgebung befinden. Dieses wird dann durch seine Stoffwechselprodukte seine Mikro-Umgebung gegebenenfalls derart beeinflussen, daß eine fortschreitende Vermehrung möglich ist.


Es ist wissenschaftlich gesichert:

C. botulinum benötigt nur eine sauerstoffarme Mikro-Umgebung um seine Vermehrung in Gang zu setzen.


Wie bei anderen Bakterien auch gilt die Feststellung, daß diese ein "soziales" Verhalten haben. Die Geschwindigkeit der Vermehrung und gegebenenfalls die der Toxinbildung hängt von der Anzahl der Individuen zum Zeitpunkt des Beginns ab. Botenstoffe werden zwischen den einzelnen Bakterien ausgetauscht. Im bakteriolgischen Labor weiß man, daß eine Mindestzahl notwendig ist um eine Reaktion anzuschieben.


Wissenschaftlich gilt als gesichert:

Bei einer bakteriologischen Vermehrung (und Toxinproduktion) hängt die Geschwindigkeit und die Menge der produzierten Stoffwechselprodukte von der Anzahl der Bakterien ab, die zu Beginn der Reaktion vorhanden waren.


Die Darstellung in verschiedenen Fachbüchern, daß C. botulinum ubiquitär vorkommt, ist eine nicht statthafte Vereinfachung. Neben den offiziell anerkannten (mindestens 11) Typen sind verschiedene Mischformen beschrieben. Relativ häufig werden Erkrankungen beschrieben, bei denen die Erreger als "atypische Feldstämme" beschrieben werden. Meist erfolgt keine weitere Identifizierung.


In der Literatur wird allgemein anerkannt:

Clostridium botulinum kommt in einer Vielzahl von Typen und nicht näher bestimmten Stämmen vor.

Diese unterschiedlichen Erreger kommen zusammengenommen weltweit vor.

Die einzelnen Erreger haben ganz unterschiedliche, teilweise geographisch bestimmbare Verbreitungsgebiete.




Es sollte beachtet werden:

Die Feststellung, daß Clostridium botulinum "ubiquitär" vorkommt, ist irreführend.


C. botulinum gehört zu denjenigen Bakterien (Bacillaceae), die bei unwirtlicher Umgebung Sporen bilden um zu überleben. Diese Sporen sind gegen Umwelteinflüsse sehr widerstandsfähig; sie können nach Jahren und Jahrzehnten wieder aktiviert werden. Eine ausreichende Erhitzung tötet Bakterien normalerweise ab, nicht so die Sporen von C. botulinum. Einige können selbst durch dreistündiges Kochen nicht sicher inaktiviert werden.





Allgemein anerkannt gilt:

Clostridium botulinum bildet Sporen als Überlebensformen. Diese sind widerstandsfähig gegen widrige Umwelteinflüsse und können sich noch nach Jahrzehnten wieder in vegetative Formen zurückverwandeln.


Durch Material, das C. botulinum-Sporen enthält, können spezifische Krankheitserreger von einer Region in eine andere Transportiert werden. Unerkannt können so neue Typen praktisch weltweit verbreitet werden. Eine besondere Gefahr geht durch Mist, Gülle (Flüssigmist), Klärschlamm oder Biokompost aus.


Es ist zu bedenken:

In der modernen Gesellschaft mit Massentierhaltung und Abfallrecycling können Krankheitserreger weit verbreitet werden.

Es kann zu einer lokalen Anreicherung von Sporen im Boden kommen.


Besonders in der Bakteriologie der Umwelt ist zu bedenken, daß es neben den bereits erwähnten vegetativen Formen und Sporen, die letztlich durch Vermehrung und gegebenenfalls Toxinbildung im Labor nachgewiesen werden können, eine dritte physiologische Form gibt: die schlafenden Bakterien und Sporen. Diese können mit den Routinemethoden nicht von abgestorbenen Formen unterschieden werden, d.h. sie sind meist nicht nachweisbar. Dies gilt besonders für den Standardnachweis bei C. botulinum, dem Toxin-Mäusetest.. Im Labor und in der Natur können bestimmte Reize diese schlafenden Formen aufwecken.


Es gilt als gesichert:

C. botulinum kann in einer physiologisch inaktiven Form auftreten, die in Routineuntersuchungen mit dem Toxin-Mäusetest im Labor nicht nachgewiesen werden können.


Während der Vermehrung und vor der Versporung kann das Bakterium C. botulinum Stroffwechselprodukte bilden, die bei Tieren die Nervenübertragung beeinträchtigt. Sie werden deshalb meist als Botulinum-Neurotoxine benannt (BoNT). Da sie von der Bakterienzelle in ihre Umgebung abgegeben werden, werden sie als Exo-Toxine bezeichnet.


Allgemein anerkannt gilt:

Botulinum-Neurotoxine werden von der Bakterienzelle in ihre Umgebung abgegeben. Es sind Exo-Toxine.


Das Toxin ist die biologische Substanz mit der höchsten Toxizität, die derzeit bekannt ist. Etwa 0,01mg reichen aus, um einen Menschen zu töten. Es wird deshalb befürchtet, daß das Toxin als biologische Waffe eingesetzt werden könnte. Seine Giftigkeit ist etwa eine Million mal stärker als Zyankali.


Allgemein anerkannt gilt:

Das Toxin von C. botulinum ist eines der stärksten biologischen Gifte.


Einige Neurotoxine werden mit den Buchstaben A, B, C1, D, E, F, G bezeichnet, andere sind unbekannt bzw. noch nicht eindeutig beschrieben. Es kommen Mischformen vor. Außerdem werden weitere nicht neurotoxische Substanzen gebildet, die z.T. auch letale Wirkung haben, z.B. C2, C3, Hämagglutinin. Insgesamt sind mehr als 40 Stoffwechselprodukte beschrieben, die in ihrer Gesamtheit das klinische Bild des Botulismus bei Mensch und Tier verursachen. Es sind auch andere Clostridien beschrieben, die Toxine bilden, die denen von C. botulinum in ihrer Zuordnung und klinischen Wirkung gleich bzw. ähnlich sind. Im Gegensatz dazu bildet C. tetani ein Toxin (Tetanospasmin), das zu einem Krampf der Muskulatur führt und ebenfalls tödlich ist.


Allgemein anerkannt gilt:

Neben Clostridium botulinum bilden noch andere Clostridien klinisch ähnlich wirkende Botulinum-Neurotoxine (BoNT).


Die Toxinbildung ist teilweise genetisch fixiert, teilweise liegt sie in Bakteriophagen begründet.

Allerdings bildet nicht jedes sich vermehrende C. botulinum Toxin, auch wenn es nachweisbar das entsprechende dafür verantwortliche Gen aufweist. Die Ursache, warum ein Bakterium Toxin bildet, ist ebenso unbekannt wie die Faktoren, die dazu führen. Grundsätzlich scheint eine niedere Sauerstoffspannung, ein pH-Wert um 6,5, eine gewisse Feuchtigkeit (Wasserwert >0.9 und eine Temperatur höher als meist 15 °C die Toxinbildung zu fördern. Proteine tierischer oder pflanzlicher Natur sind anscheinend unbedingt erforderlich. Manche Bakterien und Pilze fördern die Toxinbildung, andere hemmen diese. Das Toxin wird vom Bakterium nach außen abgegeben oder beim Tod der Zelle frei.


Allgemein anerkannt gilt:

Von außen auf das Bakterium einwirkende weitgehend unbekannte physikalische, biochemische und chemische Faktoren bewirken die Toxinbildung innerhalb der Bakterienzelle.

Das Toxin wird von der Bakterienzelle freigesetzt.

Toxin kann sich in tierischem oder pflanzlichem Material bilden.


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