MMA: Endotoxine blockieren – Verdauung fördern – Bakterien bekämpfen

Noch immer erkranken 10 bis 30%, in Problembetrieben mehr als 80% der Sauen am sogenannten MMA - Komplex. Das Krankheitsbild ist entsprechend der individuellen Verhältnisse im Einzelbestand und sogar von Sau zu Sau unterschiedlich. Neben der bekannten Krankheitsform mit hohem Fieber, Appetitlosigkeit, Verstopfung, Gesäugeentzündung, Milchmangel und eitrigem Gebärmutterausfluß treten in den letzten Jahren immer mehr unterschwellige MMA - Erkrankungen auf. Die Sauen haben hierbei nur leichtes Fieber, fressen ihre Ration eher schlecht als recht. Im Vordergrund stehen eine verlängerte Geburtsdauer, Fruchtbarkeitsstörungen im nächsten Zyklus und der Milchmangel mit seinen Folgen für die Ernährung und Versorgung der Ferkel mit Immunglobulinen (Abwehrstoffen). Folgen sind eine Häufung tot geborener Ferkel und kümmernde Ferkel, die an Durchfall leiden und schließlich verenden.

MMA und Impfversager

Sehr häufig wird vergessen, daß es mit der verminderten Milchleistung bei MMA zu einer mangelhaften Übertragung der durch Impfungen gebildeten Abwehrsstoffe auf die Ferkel kommt. Bekanntlich müssen diese Abwehrstoffe innerhalb der ersten Lebensstunden mit der Muttermilch auf die Ferkel übertragen werden. So werden Schnüffel -, Coli,- Influenza- und Aujeszkyimpfung sinnlos, wenn durch MMA die Übertragung der Abwehrstoffe auf das Saugferkel nicht gewährleistet ist.

Bakterien und mehr

Gewöhnlich wird sowohl die Therapie und auch die Metaphylaxe mittels Antibiotika betrieben. Eine Reihe von Untersuchungen belegen aber, daß ähnlich wie bei vielen anderen Erkrankungen sogenannte Endotoxine eine große Rolle spielen, die durch Antibiotika nicht beeinflußt werden können. So konnte in einer wissenschaftlichen Untersuchung bei mehr als 30 % aller MMA – Sauen Endotoxine im Blut nachgewiesen werden.

Was sind Endotoxine?

Bakterielle Endotoxine bilden mit Eiweißen und Fettverbindungen die äußere Membran

(Hülle) der meisten gram – negativen Bakterien (z.B. Coli – Bakterien). Obwohl sich die Endotoxine von Bakterienart zu Bakterienart unterscheiden ist doch der toxische Anteil, das sogenannte Lipoid A, bei allen Endotoxinen gleich. Dies erklärt, warum Endotoxine verschiedener Herkunft im Organismus gleiche schädigende Wirkung entfalten. Man findet Endotoxine beim gesunden Schwein in gewaltigen Mengen im Darm, wo sie durch die normale bakterielle Aktivität im Darm entstehen. Ebenso werden Endotoxine freigesetzt, wenn durch eine antibiotische Behandlung gram – negative Bakterien zerstört und die endotoxin – haltigen Bakterienmembranen zerfallen. Erst wenn die Darmwand durch stress – und krankheitsbedingte Durchblutungsstörungen geschädigt wird, können Endotoxine bzw. gram – negative Bakterien im Blutkreislauf auftauchen. Auch durch den Enddarm können bei Verstopfung Endotoxine leicht in den Blutkreislauf übertreten. So erklärt sich die Beobachtung, daß verstopfte Sauen besonders zu MMA neigen.

Typische Stressfaktoren sind Rohfasermangel, langer Transport, hohe Luftfeuchtigkeit, Kälte, Hitze, fehlerhafte Rationsgestaltung, Verstopfung, Hygienemängel, Mycotoxine, Überbelegung und Schwergeburten.

Speicher im Fettgewebe

Gelangen durch dauerhaften Streß immer wieder Endotoxine in den Blutkreislauf, so können diese Endotoxine im Fettgewebe gespeichert werden. Hier sind sie zunächst unschädlich. Wird dann in der Laktation rasch viel Fettgewebe mobilisiert, so gelangen dann große Mengen von Endotoxin wieder in den Blutkreislauf. Dies zeigt ganz deutlich, daß es nicht genügt, nur unmittelbar vor dem Abferkeln Hygiene und Management zu verbessern. Über die aus dem Fettgewebe freigesetzten Endotoxine rächen sich zurückliegende Hygiene -, Fütterungs - und Managementfehler.

Entzündungskaskade

Die Wirkung auf die Sau hängt von der Menge des anflutenden Endotoxins ab. Im Blut sind Endotoxine an Bluteiweiß gebunden und sind so zunächst neutralisiert. Erst wenn diese Neutralisierungskapazität erschöpft ist, wirkt freies Endotoxin auf die Zellen des Immunsystems und es entfaltet ihre schädigende Wirkung in vielen Teilen des Organismus. Es wird die sogenannte Arachidonsäure – Entzündungskaskade ausgelöst. An deren Ende werden durch Entzündungsmediatoren (Botenstoffe) die typischen Entzündungserscheinungen im gesamten Körper bzw. in einzelnen Organen hervorgerufen. Dies sind:

Bei der Immunparalyse durch Endotoxine ist über Stunden und Tage das Immunsystem so geschwächt, daß jetzt der Organismus auch für Erreger mit geringer Aggressivität (Pathogenität) angreifbar ist. Fieber ist zwar einer der wichtigsten Abwehrmechanismen des Körpers gegen infektiöse Erreger, aber es veranlaßt aber auch Coli – Bakterien dazu, sich bei der Vermehrung nicht mehr richtig zu teilen, sondern sogenannte Fadenstrukturen zu bilden. Solche Fadenstrukturen bilden aber wiederum ein Endotoxin, welches 10- mal giftiger ist als gewöhnliches Endotoxin. Manche Endotoxine sind sogar in der Lage, die Durchlässigkeit der Darmschranke zu erhöhen, so daß weitere Endotoxine aus dem Darm ins Blut übertreten können.

Ausscheidung

Die Ausscheidung bzw. der Abbau von Endotoxinen erfolgt über die Lunge, Milchdrüse, Nieren, die Leber und die Galle. Dieser Vorgang dauert mehrere Wochen und ist für die Leber bzw. für die Sau ein extrem belastender Vorgang, so daß die Säuge – und Aufzuchtleistung nicht optimal sein kann. Einige Wochen nachdem der Organismus mit Endotoxinen konfrontiert wurde, lassen sich auch Antikörper gegen diese Endotoxine nachweisen.

Konsequenzen

Endotoxine haben eine eigenständige Wirkung im MMA – Geschehen. Bei der Behandlung von MMA – Erkrankungen mit Antibiotika muß damit gerechnet werden, daß Endotoxine freigesetzt werden, die das Krankheitsbild weiter verschlimmern bzw. daß das Krankheitsbild durch Endotoxine weitestgehend allein bestimmt wird. Folglich müssen neben Antibiotika auch Arzneimittel eingesetzt werden, die gezielt die durch Endotoxine angeschobene Entzündungskaskade über längere Zeit blockieren. Insbesondere ist es wichtig, daß das Fieber rasch gesenkt wird, um die weitere Bildung von großen Endotoxinmengen zu verhindern. Wird also durch die Injektion eines Antibiotikums kein Therapieerfolg bei MMA erreicht, so muß dies nicht bedeuten, daß das Antibiotikum unwirksam ist. Vielmehr muß daran gedacht werden, daß Endotoxine wirksam sind und dies bei der Behandlung nicht berücksichtigt wurde.

Spezifische Arzneimittel

Nachdem eine Vielzahl von fiebersenkende Präparate nicht mehr für die Therapie von lebensmittelliefernden Tieren zur Verfügung steht, werden Metamizol und Meloxicam (Metacam, Boehringer Ingelheim) eingesetzt. Während Metamizol seine fiebersenkende Wirkung vorwiegend im Gehirn entfaltet (sog. zentrale Wirkung) blockiert Meloxicam gezielt die Entzündungskaskade (periphere Wirkung) und neutralisiert die gebildeten Endotoxine. Dadurch gehen Fieber, Schmerzen und andere Entzündungserscheinungen zurück. Die Tiere fühlen sich demnach auch schneller wieder wohl und gesunden rascher. Da Meloxicam die Entzündungskaskade für mehr als einen Tag blockiert, sind Nachinjektionen meist nicht erforderlich.

Nicht unerheblich ist die zusätzliche Last der Sauen bei MMA durch die gestörte Verdauung, die mit Verstopfung und Appetitlosigkeit einhergeht. Insbesondere steigt durch die stagnierende Verdauung zusätzlich die durch den Darm ausgehende Endotoxinbelastung. Deshalb ist es auch besonders wichtig, die Verdauung wieder in Gang zu bringen. Hierfür eignet sich besonders ein Digestivum (verdauungsförderndes Mittel), wie z.B. Genabil (Boehringer Ingelheim). Neben der verdauungsfördernden Wirkung wird auch der Leberstoffwechsel und die Gallenausscheidung aktiviert, was wiederum dem Abbau und der Ausscheidung der Endotoxine förderlich ist.

Oft haben MMA – Sauen auf Grund der Fressunlust einen niedrigen Blutzuckerspiegel. Hier leistet Traubenzucker rasche Abhilfe.

MMA-Prophylaxe durch phytogene Futterzusatzstoffe?

Gewöhnlich wird sowohl zur Therapie als auch zur Prophylaxe ein Antibiotikum gespritzt. Beim MMA-Komplex spielen aber zu Anfang irgendwelche Bakterien keine Rolle. Zunächst kommt es stressbedingt und wegen der Umstallung zu einer reduzierten Darmtätigkeit und einer unzureichenden Produktion von Verdauungssäften, die sich dann in einer Verstopfung der Sauen äußert. Daraufhin können Darmbakterien - zumeist E. coli - durch die geschädigte Darmschleimhaut ins Blut übertreten. Dann siedeln sie sich z.B. im Gesäuge ab. Dort entwickelt sich dann eine Mastitis mit Milchmangel und Fieber. Abzugrenzen hiervon sind fieberhafte Erkrankungen nach dem Abferkeln, die durch unsaubere Geburtshilfe oder nicht ausgetriebene (faulende) Ferkel in der Gebärmutter entstehen.

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Landwirt deshalb einer optimierten Verdauung bei seinen Sauen schenken. Natürliche phytogene (pflanzliche) Verdauungsförderer wie z.B. der Geschmacks - und Aromastoff Procura (Fa. Medistar, Holzwickede) unterstützen die Darmtätigkeit. Durch Anregung der Verdauungsorgane wird die Sekretion von Magen - und Gallensaft erhöht. Die Verdauung wird so optimiert, es fallen so weniger schädliche Stoffwechselmetaboliten an. Auf der anderen Seite ist eine gestörte Verdauung Wegbereiter für eine Massenvermehrung von pathogenen Mikroorganismen und Endoparasiten, die dann wiederum Darmerkrankungen hervorrufen. Viele pathogene Mikroorganismen kommen ständig im Darm gesunder Tiere (und Menschen) vor. Erst eine gestörte Verdauung bietet den Schadkeimen eine Möglichkeit zur Massenvermehrung.

Fazit

MMA bekämpft man langfristig nur durch die Optimierung von Haltung, Fütterung und Management. Im Erkrankungsfall muss der bakteriellen Infektion, dem Vorhandensein von Endotoxinen und der gestörten Verdauung Rechnung getragen werden.


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