Mycotoxine: Ein geschichtlicher Überblick

Mycotoxine, Gifte von einfachen Pilzen, als Verursacher von Erkrankungen bei Mensch und Tier sind bereits in der Bibel erwähnt. Allein aus dem Mittelalter sind etwa 300 dramatische Berichte über Mutterkornvergiftungen (Ergotismus) überliefert, bei der Bevölkerung ganzer Dörfer ausgerottet wurden.

So wurden im Jahre 943 in der Gegend von Limoges (Frankreich) 40.000 Menschen Opfer dieser schrecklichen Vergiftung. Und immer wieder gingen wahre Seuchenzüge des "heiligen Feuers" (St. Antoniusfeuer), wie es damals in Unkenntnis der medizinisch - wissenschaftlichen Zusammenhänge genannt wurde, durch ganz Europa.

Aber auch in neuerer Zeit spielten sich unbeschreibliche Tragödien ab. So vergiftete ein skrupelloser Bäcker in den 50-iger Jahren in Frankreich 200 seiner Kunden, da er mutterkornhaltiges Mehl verbacken hatte. In diesem Zusammenhang werden von grauenhaften Krankheitserscheinungen berichtet. Die Opfer klagen über Übelkeit, Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfälle, epilepsieähnliche Krämpfe (Veitstanz), Halluzinationen und brandige Gliedmaßen, die auch amputiert werden müssen; schwangere Frauen erleiden Fehlgeburten. Verblödung, Verkrüppelung, Rückenmarksdegeneration und häufig auch Tod durch Kreislaufversagen oder Atemlähmung charakterisieren den weiteren Verlauf der Erkrankung.

Anscheinend feiert dieser höchstgefährliche Pilz auf der "Grünen Welle" ein fröhliches "come back", da auf biologisch-dynamisch geführten Betrieben auf jeglichen Pflanzenschutzmitteleinsatz verzichtet wird. In neuerer Zeit wurden wiederholt von Vergiftungen durch mutterkornhaltiges Bio - Getreide berichtet. So sorgte vor einigen Jahren im Raum Frankfurt ein Vergiftungsfall eines 11-jährigen Mädchens durch ein mutterkornhaltiges Biomüsli für erhebliches Aufsehen in der Presse. Das Kind litt an Doppelsehen, Schwindelanfällen und anhaltenden Gebärmutterblutungen.

In Lebensmittelgeschäften und Naturkostläden angebotenes Getreide aus kontrolliert ökologischem Anbau ist nach einem Bericht des Archivs für Lebensmittelhygiene (1998/49/S.42-45) offenbar häufig mit Fusarientoxinen belastet. Nach dem Urteil der Autoren sogar in "ernstzunehmenden Konzentrationen". Bei einer Untersuchung im Raum München fanden sie in Weizen, Roggen, Gerste und Mais Deoxynivalenol, Zearalenon und Fumonisine (Mais) nach eigenen Angaben in Konzentrationen bis zu 2,6 ppm.

In der ehemaligen UdSSR kam es in den Jahren 1943/44 vermehrt zu einer Erkrankung, die "alimentäre toxische Aleukie" genannt wird. Hier wird durch Nahrungsgifte das Knochenmark gestört bzw. zerstört. Das Ergebnis ist eine Beeinträchtigung der Blutbildung mit daraus resultierender Blutarmut. Durch die Kriegswirren war im Herbst 1943 das Getreide nicht abgeerntet worden und blieb, von Schnee bedeckt, auf den Halmen stehen. Es wurde erst im folgenden Frühjahr geerntet und verbraucht. Hierdurch konnten sich Fusarienpilze massiv vermehren und Gifte bilden.

In neuerer Zeit sind auch bei Tieren Massenvergiftungen vorgekommen. Da die moderne Tierhaltung in Westeuropa kommt ohne den Import von Eiweißfuttermitteln aus anderen Klimazonen nicht aus. Dies führte 1960 zu einem aufsehenerregenden Truthahnsterben (turkey-x-disease) in England. Ursache war importiertes Erdnußschrot aus Brasilien, welches von einem Aflatoxin - bildenden Pilz befallen war. Dieses Geschehen war mit der Auslöser für die Intensivierung der Mykotoxinforschung. So wurde im Jahre 1965 das stabile Mykotoxin "Ochratoxin A" entdeckt. Dieses Gift wurde in Dänemark für Nierenveränderungen bei Schlachtschweinen verantwortlich gemacht. Da Ochratoxin A für den Menschen hochgefährlich ist, hat man sich in Dänemark entschlossen, einen Schwellenwert festzulegen, bei denen die Nieren bzw. der ganze Schlachtkörper verworfen wird.

Es gibt also Mykotoxine so lange, wie es menschliches Leben auf der Erde gibt. Durch intensive Forschungsarbeit sind mittlerweile etwa 400 Gifte verschiedensten Aufbaus und von unterschiedlichsten Pilzen gebildet bekannt. Mycotoxine dürften auch weiterhin Wissenschaftler in der Veterinär– und Humanmedizin beschäftigen.


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