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Problemkomplex Atemwegserkrankungenvon Dr. M. Stein, Gyhum
In allen Bereichen der Schweineproduktion entstehen durch Lungenerkrankungen wirtschaftliche Schäden in
Millionenhöhe. Analysen in Schlachtbetrieben zeigen immer wieder, dass durchschnittlich 30 bis 50 % der
Schlachtschweine Lungenschäden nach Atemwegserkrankungen aufweisen. In manchen Partien sind bis zu 90 % der
Tiere betroffen. Die größten ökonomischen Auswirkungen von Lungenerkrankungen der Schweine werden nicht
durch Totalverluste infolge von Verendungen der Tiere, sondern durch indirekte Verluste hervorgerufen.
60 bis 70% der wirtschaftlichen Schäden resultieren aus der Störung des Wachstumsablaufes und verminderten
Mastendgewichten der erkrankten Tiere (5). Oft handelt es sich um Probleme, die mit einer gewissen
Regelmäßigkeit im Bestand wiederkehren.
Querschnitt durch eine schwer geschädigte Lunge mit Gewebseinschmelzung
Die ökonomische Bedeutung erstreckt sich aber nicht nur auf die Tageszunahmen, sondern betrifft auch
die Fruchtbarkeitsleistung der Jung- und Altsauen. Durch die Lungenentzündungen kann der Anteil
geschlechtsreifer Jungsauen beim Beginn der geplanten Zuchtbenutzung um mehr als 10 % verringert sein.
Lungenkranke Sauen erzielen im Mittel aller Würfe nahezu ein lebendgeborenes Ferkel pro Wurf weniger als
gesunde Sauen. Besonders deutlich treten die leistungsmindernden Einflüsse auf die Reproduktionsleistung
mit zunehmendem Alter der Sauen zutage. Sowohl bei den Sauen als auch den Mastschweinen kommt dem
Herkunftsbetrieb hinsichtlich der Häufigkeit und des Schweregrades der Erkrankung ein hoher Stellenwert zu (5).
Krankheitskomplexe
Oft handelt es sich bei den Atemwegsinfektionen um sogenannt Faktorenerkrankungen, an deren Entstehung eine
Reihe verschiedener Einflussfaktoren beteiligt sind. Eine wichtige Rolle spielt insbesondere die Interaktion
verschiedener Erreger (2,3) bei gleichzeitigem Einwirken verschiedener Umfeldbedingungen (1,6) sowie die
Infektionsanfälligkeit des Tieres. Häufig liegen deshalb keine klar zuzuordnenden Krankheitsbilder, sondern
Krankheitskomplexe vor (7). Klinisch manifeste Erkrankungen kommen hierbei insgesamt weitaus weniger häufig
vor als subklinische Erkrankungen (1,4). Der Versuch, eine Diagnose nur auf Grund von Befunden einer rein
klinischen Untersuchung zu stellen, kann deshalb nicht von Erfolg gekrönt sein.
Insbesondere das Porzine Respiratorische Reproduktions-Syndrom (PRRS), der "Porcine Respiratory Disease Complex" (PRDC)
sowie die Enzootische Pneumonie (EP) und die Progressive Atropische Rhinitis (PAR) werden zu den infektiösen
Faktorenerkrankungen gerechnet (6, 8).
Maulatmung kurz vor dem Verenden
Als den PRDC (Porcine Respiratory Disease Complex) bezeichnet man das gehäufte Auftreten von Atemwegserkrankungen
um die 18.-20. Lebenswoche. Der PRDC hat erhebliche Leistungsdepressionen und erhöhte Tierverlusten zur Folge.
Mischinfektionen mit verschiedenen Erregern wie z. B. Mycoplasma hyopneumoniae., Pasteurella multocida,
Actinobacillus pleuropneumoniae und Streptococcus suis sowie Viren wie dem Influenza-A-Virus, PRRS-Virus und dem
Porzinen Respiratorischen Coronavirus (PRCV) und anderen Erregern werden hierfür verantwortlich gemacht (3,12).
Für die Progressive Atropische Rhinitis (PAR) werden als ursächliche pathogene Erreger toxinbildende Stämme von
Pasteurella multocida angesehen (11). Bordetella bronchiseptica hat in diesem Zusammenhang eine Schrittmacherfunktion
für die Ansiedlung der Pasteurellen (9). Gewöhnlich verläuft die Erkrankung in einem Bestand enzootisch,
resistenzmindernde Faktoren wie ein mangelhaftes Stallklima, Virusinfektionen und bakterielle Sekundärinfektionen
beeinflussen den Verlauf und begünstigen das Auftreten (11). Das PAR tritt insbesondere im Winter auf (9).
Eine alleinige Infektion mit Bordetella bronchiseptica hat lediglich eine Nasenmuschelhypoplasie bei jungen Ferkeln
um die 6. Lebenswoche zur Folge (9,11). Bei Mastschweinen zeigt sich bei Fällen von PAR lediglich eine schlechtere
Futteraufnahme bei Tieren mit starker Deformation der Oberkieferknochen oder häufigeres Niesen infolge des Futterstaubes.
Auch PRRS wird zu den infektiösen Faktorenerkrankungen gezählt. In Bezug auf Atemwegserkrankungen ist das PRRS-Virus
beteiligt an dem Auftreten chronisch rezidivierender Pneumonien bei Mastschweinen, die zunehmend an Bedeutung
gewinnen (9). Das PRRS-Virus befällt die Lungenmakrophagen und schädigt die Zilienfunktion des Bronchialepithels. Die
Entstehung der Pneumonie ist als entzündlichen Reaktion auf die Infektion der Alveolarmakrophagen zu sehen (3).
Diskutiert wird auch eine Beteiligung an der "Porzinen nekrotisierenden und proliferativen Pneumonie" (PNP) (9,10).
Typisch ist ein wechselhafter Krankheitsverlauf über mehrere Wochen mit fieberhafter Pneumonie, Augen- und Nasenausfluss.
Die Krankheitssymptome beginnen bei den einzelnen Tieren eines Bestandes nicht gleichzeitig, klingen nach mehreren Wochen
aber fast zeitgleich ab (9).
Konsequent handeln
Die großen wirtschaftlichen Auswirkungen von Atemwegserkrankungen erfordern konsequente Bekämpfungsmaßnahmen. Auf der
einen Seite müssen die Risikofaktoren bei der Haltung wie der Zukauf von Tieren aus verschiedenen Herkünften, Transport-
und Klimabelastungen, ungenügende Lüftung und hohe Belegungsdichte beseitigt werden. Andererseits lassen sich viele
Erkrankungen durch Impfprogramme wirksam bekämpfen. Allerdings setzt ein wirksamer Impfschutz die Kenntnis des oder der
Erreger(s) und die gezielte Auswahl des Impfstoffes voraus (5).
Literatur:
(1) Christensen, G., u. J. Mousung (1992):
Respiratory System.
In: A. D. Leman, B.E. Straw, W.L. Mengeling, S.D'Allaire u. D. J. Taylor
(eds.): Diseases of Swine.
Wolfe Publishing Ltd., London, England, S. 138-162
(2) Eger, S. (1999):
Praktische Erfahrungen bei der Bekämpfung von Atemwegserkrankungen in
Thüringen unter besonderer Berücksichtigung von A.pp.
In: P. Otto (Hrsg.): Bekämpfung bakterieller Infektionen - eine ständige Aufgabe des gesundheitlichen Verbraucherschutzes.
Bundesgesundheitsbl.-Gesundheitsforsch.-Gesundheitsschutz 42, S. 930-931
(3) Gosse Beilage, E. (1999):
Klinische und serologische Verlaufsuntersuchungen zu Prävalenz, Inzidenz und
Interaktion viraler und bakterieller Infektionen des Respirationstraktes von
Mastschweinen.
Hannover, Tierärztliche Hochschule, Habil.-Schrift.
(4) Henning-Pauka, I. (1999)
Erreger-Wirt-Interaktionen bei der Actinobacillus-pleuropneumoniae-Infektion des
Schweines.
In: P. Otto (Hrsg.): Bekämpfung bakterieller Infektionen - eine ständige Aufgabe des gesundheitlichen Verbraucherschutzes.
Bundesgesundheitsbl.-Gesundheitsforsch.-Gesundheitsschutz 42, S. 927-929
(5) Hoy, S. (2001)
Atemwegserkrankungen bei Rindern und Schweinen: Ökonomische Bedeutung
In: Atemwegserkrankungen bei Rindern und Schweinen 3. Auflage; Januar 2001
(6) Loeffen, W. (2001):
Respiratory disease, a production balancing act.
In: Pig Progress, Elsevier International Business Information, 6/2001, S. 4-6
(7) Ohlinger, V. F., C. Bischoff u. S. Pesch (1999):
Porzines Circovirus Typ II und seine Bedeutung für die Schweineproduktion.
In: P. Otto (Hrsg.)
Bekämpfung bakterieller Infektionen - eine ständige Aufgabe des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes.
Bundesgesundheitsbl.-Gesundheitsforsch.-Gesundheitsschutz 42, S. 940-942
(8) Hörügel, K (1999):
Multisite-Produktion - eine Verfahrensgestaltung zur Bekämpfung respiratorischer
Erkrankungen.
In: P. Otto (Hrsg.): Bekämpfung bakterieller Infektionen - eine ständige Aufgabe des gesundheitlichen Verbraucherschutzes.
Bundesgesundheitsbl.-Gesundheitsforsch.-Gesundheitsschutz 42, S. 932-933
(9) Zimmermann, W., u. H. Plonait (2001):
Erkrankungen des Atmungsapparates.
In: K. H. Waldmann u. M. Wendt (Hrsg.): Lehrbuch der Schweinekrankheiten.
4. Aufl., Parey Verlag, Berlin, S. 111-148
(10) Benfield, D. A., J. E. Collins, A. L. Jenny u. T. J. Loula (1992):
Porcine Reproductive and Respiratory Syndrome.
In: A. D. Leman, B.E. Straw, W.L. Mengeling, S.D'Allaire u. D. J. Taylor
(eds.): Diseases of Swine.
Wolfe Publishing Ltd., London, England, S. 756-762
(11) De Jong, M. F. (1992):
Progressive atrophic rhinitis.
In: A. D. Leman, B.E. Straw, W.L. Mengeling, S.D'Allaire u. D. J. Taylor
(eds.): Diseases of Swine.
Wolfe Publishing Ltd., London, England, S. 414-435
(12) Dee, S. A. (1997):
Porcine respiratory disease complex: The 18th week wall.
In: PIGS-MISSET, Vol. 13 Nr. 1, S. 18-19
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