Erfahrungen mit dem Porcine Multisystemic Wasting Syndrome (PMWS) in einem Zuchtbetrieb in East Anglia

I. DENNIS Oakwood Veterinary Group,
Oakwood House, Fuller Road, Harleston, Norfolk IP20 9EA

The Pig Journal (2002) 49, 103-109.

Zusammenfassung
Einführung
Material und Methoden
Ergebnisse (Tabellen 2 und 3)
Diskussion und Schlussfolgerung



Zusammenfassung
Im Herbst 1999 wurde in Großbritannien der erste Fall von Porcine Multisystemic Wasting Syndrom (PMWS) festgestellt. Im Sommer 2000 war bereits ein hoher Prozentsatz aller Herden in der Grafschaft East Anglia betroffen. Anfangs wurden die bekannten Fälle mit verschiedenen Therapieschemata behandelt, wozu auch der Einsatz verschiedener Antibiotika gehörte. Weder die medikamentöse Behandlung noch eine Medikamentenprophylaxe zeigten nennenswerte Erfolge bei der Eindämmung, so dass man ein radikaleres Vorgehen empfahl. Dies war im wesentlichen die Umstellung der Zucht vom konventionellen System mit kontinuierlich fließender Einzelproduktion zur Produktion in Gruppen verbunden mit hohen Hygienestandards. Um dies umzusetzen, mussten die Stallkapazitäten der Zuchtbetriebe analysiert werden. Die Kapazität der Zuchtherde eines Betriebes war somit abhängig von der Kapazität der Ställe für die Absatzferkel. Der erste Betrieb, der diese Änderungen einführte, erzielte umgehend eine Senkung der Mortalitätsrate bei den Absatzferkeln verbunden mit seltenerem Auftreten von PMWS. Dieses Ergebnis wiederholte sich in anderen Zuchtbetrieben.


Einführung
Porcine Multisystemic Wasting Syndrome (PMWS) wurde in Großbritannien im Herbst des Jahres 1999 in Südengland festgestellt und hatte sich bis zum Frühjahr 2000 über weite Teile der Grafschaft East Anglia verbreitet. Im Sommer deuteten die Ergebnisse einer von Gresham et al. (2000) durchgeführten Telefonumfrage darauf hin, dass in bis zu 10 % der größeren Zuchtbetriebe in England und Wales klinische Anzeichen von PMWS bzw. PDNS auftraten, mit einer Häufung in East Anglia vorkamen. Schätzungen zufolge waren mindestens 70 % der regionalen Betriebe, die von der Praxis des Autoren an der Grenze zwischen Norfolk und Suffolk betreut wurden, betroffen. Viele dieser Betriebe berichteten über eine Mortalitätsrate von mehr als 15 % bei ihren Absatzferkeln. In einigen Fällen erreichte die Sterblichkeit sogar 40 %. Es wurden verschiedene Behandlungsversuche unternommen, unter anderem mit Antibiotika, Kortikosteroiden und Entzündungs-hemmern, die in einigen Fällen auch zu wirken schienen. Eine Auswertung der Sterblichkeitsprotokolle von mehreren Monaten in einzelnen Zuchtbetriebe zeigte jedoch, dass keine der Behandlungsversuche oder eine medikamentöse Prophylaxe die Sterblichkeitsziffern nennenswert gesenkt hatte. Man kam ebenfalls zu dem Schluss, dass die Impfung von säugenden Schweinen mit Mycoplasma hyopneumoniae keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf hatte. Morbidität und Mortalität waren ähnlich denen in betroffenen, ungeimpften Herden. Man kam zu dem Schluss, dass die einzige und beste Möglichkeit zur Bekämpfung der Krankheit ein Programm zur Reduzierung aller Pathogene und Antigene, mit denen die Absatzferkel in Berührung kommen, wäre.

Die Hypothese stützt sich auf die Beobachtung, dass einige betroffene Schweine sich nicht zu erholen schienen, während viele andere Tiere in derselben Gruppe keinen offensichtlichen Symptome zeigten. Es konnte also eine effektive Immun-antwort aufgebaut werden. Man hoffte, dass durch Senkung nicht nur der Provoka-tions-dosis sondern auch von anderen, das Immunsystem stimulierenden Antigenen die Schweine eine effektive Immunantwort aufbauen und so gesund bleiben könnten. Es gab zu diesem Zeitpunkt nur wenige Informationen über die Ursachen von PMWS und so wurde auf der Grundlage mehrerer Vermutungen gearbeitet. Erstens, ein ansteckender Keim, wahrscheinlich ein Virus, kam als Ursache in Frage. Es gab zu dieser Zeit deutliche Hinweise auf das porcine Circovirus Typ 2. Weiterhin wurde angenommen, dass die Schweine entweder in utero, während der Säugezeit oder direkt nach dem Absetzen infiziert wurden und dass eine effektive Immunantwort aufgebaut werden könne. Durch Zufall war zu diesem Zeitpunkt bei einem Züchter, der über neun Monate hinweg eine besonders hohe Sterblichkeit verzeichnet hatte, ein drastischer Rückgang bei den klinischen Fällen eingetreten. Nach einer Phase geringerer Fruchtbarkeit seiner Tiere und der daraus folgenden geringeren Anzahl von Würfen war es ihm möglich gewesen, die Ferkelställe nicht nur gründlich auszuwaschen und zu desinfizieren, sondern sie auch länger als sonst leerstehen zu lassen und die Belegungshäufigkeit deutlich zu verringern.

Man empfahl, die Zucht zukünftig folgendermaßen aufzubauen:

  • Haltung der Tiere in geschlossenen Gruppen
  • Tiere aus verschiedenen Altersgruppen nicht miteinander vermischen
  • Vermischung der Tiere innerhalb der geschlossenen Gruppen reduzieren
  • Anzahl der Umstallungen reduzieren
  • Schweine nur in Stallungen bringen, die zuvor gründlich gereinigt und desinfiziert worden sind und einige Zeit, vorzugseise für mindestens eine Woche, leer gestanden haben
  • Kranke Tiere in der Gruppe belassen, behandeln und frühzeitig töten, wenn keine Besserung eintritt.

Durch einen glücklichen Zufall veröffentlichten Guilmoto und Wessel-Robert (2000) ungefähr zur selben Zeit einen Bericht über ein ähnliches Verfahren, das sie in der Bretagne eingesetzt hatten. Ihre Empfehlungen wurden dann als Basis für das neue „Schweinewirtschaftsfluss-System" genommen. Die Herausforderung war nun, diese Prinzipien in einem typischen Schweineaufzucht- und Mastbetrieb in East Anglia umzusetzen. Dafür kam nur jemand in Frage, der willens und in der Lage war, die Richtlinien einzuhalten.


Material und Methoden
Ein Betrieb mit 380 Sauen und Ferkelaufzucht bis 95 kg Lebendgewicht wurde ausgewählt. Die Tiere entsprachen den Gesundheitsvorschriften von East Anglia, waren serologisch PRRS-positiv aber klinisch stabil und Mycoplasma hyopneumoniae-positiv. Die Ferkel wurden vor dem Absetzen zweimal mit einem patentierten Serum geimpft. Vor dem Auftreten von PMWS hatte es keine größeren Gesundheits-probleme bei den Tieren gegeben und die Sterblichkeitsrate bei den Absatzferkeln hatte im Durchschnitt bei 5 % gelegen.

Vor Beginn wurde ein Liste mit „Regeln" erstellt (Tabelle 1), zu deren strikten Einhaltung sich der Betriebsleiter vepflichtete, es sei denn, räumliche Einschränkungen des Betriebes machten dies unmöglich. Der Durchfluss der Tiere musste analysiert werden, um die wöchentliche Einteilung der Absatzferkel in Gruppen zu ermöglichen und eine spätere Neueinteilung zu minimieren. Dabei wurde sehr rasch deutlich, dass der kritische Bereich im Betrieb das Flatdeck war. Die Einhaltung der empfohlenen Belegungsraten und der Belegungspausen erforderte mehr Stallkapazitäten für die Absatzferkel. Die Kapazitäten wurden zum Teil damit vergrößert, dass einige alte und überschüssige Abferkelbuchten umgebaut wurden, was jedoch immer noch nicht ausreichte. Daher wurde entschieden, die Zahl der Sauen auf 320 zu reduzieren. Tatsächlich konnte die Zahl der Sauen jedoch nur auf 359 reduziert werden, da der Ausbruch der Maul-und-Klauen-Seuche in Großbritannien und der daraus resultierenden Einschränkung der Schweinetransporte innerhalb des Landes es unmöglich machte, Sauen aus der Zucht zu merzen.

Tabelle 1 – Regeln für die Haltung

Abferkelstall

  • Rein-Raus-Verfahren
  • Zwischen den Gruppen reinigen, desinfizieren und leer stehen lassen
  • Wurfausgleich auf die ersten 48 Stunden nach der Geburt beschränken
  • Routinemäßige Impfung – eine Impfnadel je Wurf
  • Mindestalter beim Absetzen 26 Tage
  • Die Ferkel ab einem Alter von 10 – 14 Tagen an festes Futter gewöhnen
  • Alle Ferkel der Saugruppe absetzen, unabhängig von ihrer Größe
  • Behutsamer Umgang mit den Ferkeln
  • Für jeden Raum separate Reinigungsgeräte
  • Zähne schleifen
  • Schwänze thermokupieren

Flatdeck

  • Zwischen den Gruppen reinigen, desinfizieren und leer stehen lassen
  • Rein-Raus-Verfahren
  • Vorzugsweise ein abgesetzter Wurf pro Bucht (maximal zwei)
  • Würfe beim Absetzen nicht miteinander vermischen, d. h. nicht nach Geschlecht und Größe sortieren
  • Maximale Belegung: 0,25 m je Schwein
  • Minimaler Futterplatz: 7 cm je Schwein
  • Mindestens 1 Tränke für 10 Schweine
  • Futter von guter Qualität
  • Allmählicher Futterwechsel
  • Futter immer auf das kleinste Schwein der Gruppe abstimmen
  • Futterwechsel nie innerhalb von einer Woche nach Umstallung
  • Auf gar keinen Fall Wurfausgleich zwischen zwei geschlossenen Gruppen
  • Kranke Tiere in ihrer Gruppe drei Tage lang behandeln; falls keine Besserung, töten
  • Die Schweine mindestens 4 Wochen im Flatdeck aufziehen
  • Bewegungsrichtung von Personal und Geräten bei der Betreuung der Ferkel-Gruppen im Stall immer von der jüngsten zur ältesten Gruppe

Aufzucht

  • Tiere jetzt nach Geschlecht und Größe trennen, danach keine Neueinteilung mehr
  • Rein-Raus-Verfahren
  • Zwischen den Gruppen reinigen, desinfizieren und Abteile leer stehen lassen
  • Maximale Belegung 0,5 m2 je Schwein
  • Sicherstellen, dass Tränke immer in der richtigen Höhe installiert sind
  • Kranke Tiere in der Gruppe behandeln; falls keine Besserung, töten

    Damit wöchentlich Absatzferkel zu Gruppen zusammengefasst werden konnten, wurde wie folgt verfahren:

Produktive Sauen

  • 13 bis 14 Würfe pro Woche

Nach dem Absetzen

Erforderliche Belegungskapazitäten: 4 Wochen plus eine Woche Leerstand
Woche 1 Zwei Flatdecks zur Unterbringung von jeweils maximal 72 Schweinen
Woche 2 Zwei Flatdecks zur Unterbringung von jeweils maximal 72 Schweinen
Woche 3 Ein Flatdeck plus 4 Buchten für jeweils maximal 17 Schweine pro Bucht
Woche 4 8 Buchten
Woche 5 10 Buchten im umgebauten Abferkelstall mit maximal 14 Schweinen in je Bucht.

Heranwachsende Ferkel
Die Aufstallung war für einen Zeitraum von dreieinhalb Wochen möglich. Die Stallungen bestanden aus einem Futtergang und 14 Abteilen auf jeder Seite mit einem Gang zum Ausmisten. Jedes Abteil war in 4 Buchten unterteilt, so dass auf jeder Seite jeweils Ferkel aus zwei Produktionswochen untergebracht waren. Die Belegung wurde von ihrem früheren Umfang auf 19 Tiere pro Bucht reduziert. Als Folge mussten die Schweinegruppen neu aufgeteilt werden, was als Gelegenheit zur Sortierung nach Geschlecht und Größe genutzt wurde.

Flatdeck
Aufstallung für dreieinhalb Wochen; 4 Abteile mit 7 Buchten mit 18 Schweinen je Bucht. Jede Reihe wurde einmal in der Woche belegt.

Auzucht
4 Abteile mit 7 Buchten und 18 Schweinen je Bucht.

Um die Belegungsdichte im Stall für heranwachsende Ferkel und im Maststall zu erreichen, wurde einige Schweine mit einem Gewicht von 30 kg verkauft.


Ergebnisse (siehe Tabellen 2 und 3)

Tabelle 2: Auswirkung der Haltungsumstellung auf die Sterblichkeit


4 Monate vor Haltungsänderung 4 Monate nach Haltungsänderung
Herdengröße: Sauen und Jungsauen
380
359
Sterblichkeit vor Absetzen in %
9.6
8.3
Sterblichkeit nach Absetzen in % (7 kg bis 95 kg)
23.6
5.3

Tabelle 3: Gewichtszuwachs bei der Herde nach Haltungsumstellung

Abteilung
Alter (Tage)
Verweildauer (Tage)
Durchschnittl. Gewicht beim Einstallen (kg)
Durchschnittl. Gewicht beim Ausstallen (kg)
Gewichtszuwachs (kg)
Absatzferkel
27
31
7.0
19.2
0.39
Heranwachsende Ferkel
58
22
19.2
36.2
0.77
Mastferkel
80
62
36.2
93.3
0.92


Diskussion und Schlussfolgerung
Die neue Art der Haltung verbesserte die Gesundheit der Schweine spürbar. Es wurden nicht nur die Sterblichkeit und die Zahl der klinischen Fälle von PMWS reduziert, sondern das Wachstum der Ferkel übertraf sogar die Leistungen, die vor dem Ausbruch von PMWS, erzielt worden waren. Anfangs zögerten die Mitarbeiter, alle Ferkel von allen Würfen einer Woche gleichzeitig abzusetzen, denn bei der konventionellen Zucht werden normalerweise die kleinen, untergewichtigen Ferkel zurückbehalten und in einen um eine Woche jüngeren Wurf gesetzt.
Die Sterblichkeit vor dem Absetzen sank tatsächlich und die Sterblichkeit unmittelbar nach dem Absetzen hielt sich in akzeptablen Grenzen. Die kleinen untergewichtigen Ferkel überlebten das Absetzen, wenn sie in ihrem eigenen Wurf verblieben, während im früheren Verfahren hingegen, in dem diese Ferkel in Würfe von annähernd gleicher Größe und gleichem Gewicht umgesetzt wurden, die Sterblichkeitsrate bei den untergewichtigen Tieren recht hoch lag. Eine mögliche Erklärung ist, dass in ihrem Wurf verbleibende Tiere nicht um ihren Rang kämpfen müssen. Das kleinste Tier in der Gruppe hat zwar den niedrigsten Rang, aber die ranghöheren Ferkel erlauben ihm das Fressen und trinken, wenn auch erst zuletzt.

Die in diesem einen Betrieb erzielten Ergebnisse ermutigten andere Schweinezucht-betriebe, ähnliche Umstellungen in der Haltung zu versuchen, was im Allgemeinen zu positiven Ergebnissen führte. In Betrieben, die einzelne Richtlinien nicht einhalten konnten, insbesondere die strikte Trennung der Produktionsgruppen, wurden schlechtere Ergebnisse erzielt. Die folgenden Aspekte scheinen hierbei eine wichtige Rolle zu spielen:

  • Die Sauberkeit im Ferkelaufzuchtstall. Je länger der Leerstand zwischen den Gruppen, umso weniger Krankheitsprobleme traten auf.
  • Die einzelnen Buchten mit Ferkeln aus jeweils einem Wurf zu besetzen führte zu besseren Ergebnissen als Mischen der Würfe.
  • Leicht verdauliches, hoch nahrhaftes Futter in den ersten vier Wochen nach dem Absetzen sowie keine größeren Futterwechsel zwischen den einzelnen verfütterten Rationen in dieser Zeit.
  • Angemessene Belegungsraten.

Fazit: Es ist möglich, einen typischen Ferkelerzeugerbetrieb mit angeschlossener Mast in East Anglia auf die Gruppenaufstallung umzustellen und damit eine beträchtliche Senkung an PMWS-Fällen zu erzielen.

Literatur:
Gresham, A., Giles N., and Weaver J.(2000). The Veterinary Record 2000, 14 (4), p.115
Guilmoto, H. and Wessel-Robert, S., (2000). Control of PMWS in Brittany. A Mainly Zootechnical Approach. International Pig Veterinary Society, 2000 Congress, Melbourne.