Streptokokken: Ein Erreger macht Karriere!
In höchster Gefahr! |
Streptococcus (S.) suis ist einer der wichtigsten bakteriellen Krankheitserreger
beim Schwein. Etwas ein Drittel (32 %) der Tierärzte, die kürzlich auf einem internationalen Symposium in Barcelona
befragt wurden, bezeichneten S. suis als den am häufigsten bei Saugferkeln vorkommenden Krankheitserreger. Die
Hälfte der Tierärzte war der Meinung, dass S. Suis vor dem Absetzen an zweiter Stelle rangiere (6). |
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Der Erreger wurde erstmals im Jahre 1951 im Zusammenhang mit Hirnhautentzündungen (Meningitiden) und Gelenksentzündungen
(Arthritiden) bei ein bis sechs Wochen alten Saugferkeln in den Niederlanden beschrieben (1).
Bis heute sind über 35 verschiedene Serotypen differenziert (2).
Landwirt und Tierarzt sind im Falle von Erkrankungen durch Streptokokken mit einer besonderen Eigenart des Erregers
konfrontiert: Streptokokken gehören zur natürlichen Bakterienflora des Schweins. Sie besiedeln den Darm und die
Rachenmandeln von Schweinen (3). Bei Zuchttieren sind Schleimhäute von Scheide und Vorhaut häufig besiedelt. Dort
machen die Streptokokken zunächst keine Probleme. Zu Erkrankungen kommt es nur durch virulente (aggressive)
S.suis-Stämme, die tiefer in die Lunge bzw. über Eintrittspforten in den Körper gelangen und dann mit dem Blutstrom
in Körperorgane wie Gehirn, Lunge, Gelenke und Herz gelangen, wobei nach zwei britischen Untersuchungen die
Typen 2 und 14 bei Erkrankungen im Vordergrund stehen (4,5).
Bei einer Untersuchung in Österreich wurde am häufigsten der Serotyp 2 festgestellt, gefolgt von 25, 16, 1,
21, 4, 11, 3, 5, 7, 17, 19, 24 und 28 (8).
So können sich je nach befallenen Organen typische Krankheitsbilder entwickeln(2):
Hirnhautentzündung (Meningitis) mit seiner typischen Kopfschiefhaltung, Gangunsicherheit und schließlich
Seitenlage. Die Symptome erinnern gelegentlich an die durch Coli-Bakterien hervorgerufene Colienterotxaemie
(Ödemkrankheit). Während "Ödem-Ferkel" innerhalb eines Tages sterben, können "Streptokokken-Ferkel"
unbehandelt mehrere Tage überleben.
Lungenentzündung
Gelenksentzündung: die Gelenke sind, heiß, deutlich geschwollen und schmerzhaft
Blutvergiftung (Sepsis) mit plötzlichen Todesfällen bei Saug - und Absatzferkeln. Hier
müssen Todesfälle durch Clostridien und der Colitoxinschock abgegrenzt werden.
Abszesse z.B. im Bereich der Kastrationswunden
Nabelentzündung bei Saugferkeln
Herzklappenentzündung
Bei Sauen sind Streptokokken auch bei Aborten und beim MMA-Komplex beteiligt.
Sicher lässt sich die Diagnose "Streptokokken" aber nur durch eine Sektion und die
Untersuchung von Proben im Labor stellen.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass es dem Immunsystem des Schweins nicht gelingt, die
Streptokokken zu neutralisieren.
Eintrittspforten
Als Eintrittspforten kommen der offene Nabel unmittelbar nach der Geburt, aufgescheuerte Karpalgelenke,
Kastrationswunden, Verletzungen nach Rangordnungskämpfen, frisch kupierte Schwänze und tierschutzwidrig (!)
abgekniffene Zähne. Achtung! Werden Zähne abgekniffen, so splittern sie häufig bis tief in das Zahnfach,
wo dann feine Gefäße eröffnet werden. Ideal für Streptokokken! Zähne sollten deshalb abgeschliffen werden.
Die Saugferkel erkranken meist gegen Ende der ersten Lebenswoche. Betroffene Ferkel haben Fieber, zeigt
ein gestörtes Allgemeinbefinden, oft auch raues, struppiges Haarkleid. Zunächst sind vor allem die
Gelenke betroffen, die ersten Schwellungen zeigen sich sehr oft am Karpalgelenk, vielfach zunächst
ohne Lahmheit. Die gefürchtete Hirnhautentzündung (Meningitis), bei der die Tiere im Endstadium
rudernd seitlich am Boden liegen, entsteht meist über eine Ohrenentzündung. Dementsprechend ist das
erste Symptom oft ein Schiefhalten des Kopfes oder einfach nur ein typisches Verdrehen der Augen
Das Immunsystem kann aus vielerlei Gründen nicht in der Lage sein, Streptokokken abzuwehren.
Ferkel sind zur Abwehr von Streptokokken zunächst auf maternale Antikörper in der Biestmilch der Sau
angewiesen. Leidet eine Sau an MMA, ist dies nicht gewährleistet. Achtung! Zur Diagnose einer MMA -
Erkrankung ist das reine "Fiebermessen" unzureichend. Oft tritt bei der Sau kein Fieber auf. Einen
weiteren Hinweis auf MMA kann hier eine Messung des pH-Wertes der Sauenmilch geben. Während eine
gesunde Sau in den ersten Tagen nach der Geburt einen Milch-pH-Wert um 6,4 hat, steigt der pH-Wert
bei einer erkrankten Sau in Richtung pH 7 und höher.
Besonders gefährdet sind Ferkel, die die hinteren Zitzen der Sau besaugen. Diese Zitzen haben ein
vergleichsweise geringe Milchleistung. Zudem sind die Ferkel durch die Nähe zum After und der Scheide
einem massiven Infektionsdruck ausgesetzt.
Zugekaufte Jungsauen, deren Immunsystem sich noch nicht mit der bestandsspezifischen Keimflora
auseinandergesetzt hat, geben mit ihrem Kolostrum (Biestmilch) noch keine bestandsspezifischen
Antikörper an ihre Ferkel weiter. Sie sind so nicht ausreichend geschützt.
Jungsauen sollten deshalb Gelegenheit haben, sich über sechs Wochen mit der bestandsspezifischen
Keimflora auseinander zu setzen.
In der ersten Wochen der Aufzuchtphase sind Ferkel besonders anfällig. In dieser Zeit nimmt der
Schutz durch maternale Antikörper ab und eigene Antikörper werden erst langsam gebildet.
Werden Ferkel verschiedener Herkünfte gemischt, so werden die Ferkel mit verschiedenen
Streptokokkenstämmen konfrontiert, gegen die ihr Immunsystem noch keine spezifischen Antikörper
gebildet hat. Gleichzeitig werden die Ferkel oft durch Überbelegung, unzureichende Stalltemperaturen,
Hygienemängel und Rangordnungskämpfe gestresst. Letzteres bietet durch die Hautverletzungen ideale
Eintrittspforten für Streptokokken.
Streptokokken spielen häufig auch als "Sekundärerreger" bei Virus-Infektionen eine Rolle. So beim
PRRS. Das gefürchtete PRRS-Virus vermehrt bekanntlich sich in Immunzellen der Lunge (Alveolarmakrophagen)
und zerstört diese. Dort können sich dann Sekundärerreger wie Streptokokken einnisten und ungestört
vermehren. Tierarzt und Landwirt sollten sich deshalb über Blutproben Klarheit über den PRRS-Status
eines Ferkelerzeugerbetriebes schaffen. Es werden hierzu jeweils drei Blutproben von tragenden Sauen,
laktierenden Sauen, Jungsauen und Absatzferkeln auf PRRS untersucht. Sollte sich der PRRS-Verdacht
bestätigen, sind Sauen und Ferkel konsequent zu impfen. Mastbetriebe sollten tunlichst PRRS-geimpfte
Ferkel zukaufen.
In ähnlicher Weise spielen Streptokokken als Sekundärerreger beim PMWS (Post-weaning multisystemic
wasting syndrome) eine gefürchtete Rolle (7). Ebenso kann eine Streptokokken-Infektion insbesondere das
Immunsystem der Saugferkel massiv stimulieren und so zur Massenvermehrung der Circo-Viren beitragen.
Literatur:
(1) Jansen, J. u. C. A. Van Dorssen
Meningo-Encephalitis bij varkens door streptokokken.
Tijdschr. Diergeneskd. 1951, 76, 815-832
(2) Gottschalk, M., R. Higgins, M. Jacques, K. R. Mittal u. J. Henrichsen
Description of 14 new capsular types of Streptococcus suis.
J. Clin. Microbiol. 1989, 27, 2633-2636
(3) Gottschalk M, Lacouture S, Odierno, L.
Immunomagnetic isolation of Streptococcus suis serotypes 2 and 1/2 from swine tonsils.
J Clin Microbiol 1999 Sep;37(9):2877-81
(4) MacLennan M, Foster G, Dick K, Smith WJ, Nielsen B
Streptococcus suis serotypes 7, 8 and 14 from diseased pigs in Scotland.
Vet Rec 1996 Oct 26;139(17):423-4
(5) Heath PJ, Hunt BW, Duff JP, Wilkinson JD.
Streptococcus suis serotype 14 as a cause of pig disease in the UK.
Vet Rec 1996 Nov 2;139(18):450-1
(6) Anon, Streptococcus suis series, Part 3. A European veterinary perspective
Pig Progress, 5 / 2005 S. 18 - 21
(7) Schmoll, F., Waldner, Ch., Revilla-Fernandez, S., Schilcher, F., Schildorfer, H., Sipos, W. ( 2004):
Kombiniertes Auftreten einer Infektion mit dem Porcinen Circovirus Typ 2 und einer
Streptokokkenseptikämie als Differentialdiagnose zur Europäischen Schweinepest: ein Fallbericht.
Veterinary Medicine Austria / Wiener Tierärztliche Monatsschrift 91, 242 - 247.
(8) Awad-Masalmeh, M., Köfer, J., Schuh, M., Hinterdorfer, F. (1999):
Serotypen, Virulenzfaktoren und Empfindlichkeit gegenüber Antibiotika von Streptococcus suis-Stämmen
isoliert aus klinisch gesunden und erkrankten Schweinen in Österreich.
Wien. Tierärztl. Mschr. 86, p. 262-269.
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