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Kommentar: Das dicke Ende der ökologischen Wende

von Udo Pollmer* aus „Topstar“, Heft 3/2001

Die ökologische Wende kommt. Frau Künast hat’s versprochen. Es wurde ja auch Zeit. Nur noch die Biobauern können uns vor der industriellen Landwirt- schaft retten, die sich um des schnöden Profits willen an der Schöpfung ver- sündigt. Bei aller Kritik muß das dennoch Musik in den Ohren der Landwirte sein, trägt ihr Fleiß doch zum volkswirtschaftlichen Wohlstand herzlich wenig bei. Die Landwirtschaft lebt wie ein Sozialhilfeempfänger vom Geld anderer – von den Subventionen, die etwa 50 Prozent ihrer Einnahmen (nicht des Einkommens) ausmachen. Die Chancen stehen also gut für unsere Bauern, auf Wunsch der Regierung noch unwirtschaftlicher zu produzieren.

Bei angestrebten zehn Prozent Ökolebensmitteln in den Supermärkten ist es mehr als fraglich, ob die Subventionen dafür reichen. Ihre Produktion ist teurer, und der Biohandel schlägt derzeit deutlich über 100 Prozent auf den Einstandspreis auf. Addiert man den höheren Arbeitsaufwand bei geringerem Ertrag dazu, dann bliebe Bio ohne Staatsknete deutlich teurer als übliche Handelsware, und damit in den Regalen liegen. Um „bio“ so billig wie die Hollandtomaten bei Aldi zu machen, muß unsere Agrarministerin noch mal tief ins Steuersäckel greifen. Aber mit einer weiteren Erhöhung der Ökosteuer ließe sich noch was für die orientierungslose Landwirtschaft tun.

Andererseits kann diese Öko-Idee das Ende der Biowirtschaft bedeuten. Denn eines Tages wird es vorbei sein mit der europäischen Subventionsherrlichkeit. Schließlich wollen wir ja auch unsere Autos, unsere Maschinen oder unsere Umwelttechnik auf dem Weltmarkt verkaufen, und da bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die Vereinbarungen aus den WTO-Verhandlungen umzusetzen. Und spätestens dann bleibt der Biobauer auf der Schwäbischen Alb auf der Strecke.

Machen wir uns nichts vor, wenn es um „bio“ geht, profitieren aufgrund des höheren Arbeitsaufwandes jene Staaten, die über billige Arbeitskräfte verfügen. Das spart den polnischen Wanderarbeitern ökologisch unsinnige Fahrten in den Westen. Ein weiterer Vorteil sind die weiten Flächen im Osten, die es erlauben, dem Handel auch hinreichend große Chargen zu liefern. Um diesen Prozeß zu beschleunigen, hat das Berliner Verbraucherministerium schon ein einheitliches Biolabel geschaffen. Damit sind unsere Bioverbände endlich austauschbar, die sich seit Jahrzehnten mühen, ihre Markennamen unverwechsel- bar in das Bewußtsein des Kunden einzuprägen. Kommen die billigeren No-name- Produkte mit staatlichem Siegel, bleiben sie auf der Strecke.

Für die Bürger ist „öko“ längst ein Symbol für Umweltbewußtsein, für Verantwortung für die kommenden Generationen. Doch es gibt erhebliche Zweifel an der blütenweißen Weste der Produkte. Nein, nicht weil vielleicht da und dort ein wenig geschummelt wird. Sondern weil Ökoprodukte inzwischen immer öfter eine schlechtere Ökobilanz haben als konventionelle Ware. Ein Beispiel: Die norddeutschen Öko-Obst-Bauern im Alten Land, einem traditionellen Obstanbaugebiet.

Sie monieren die schlechte Bezahlung, obwohl ihre Äpfel derzeit noch einen zwei- bis dreimal so hohen Erzeugerpreis erzielen. Dazu erhalten sie EU- Subventionen sowohl für Umstellung als auch für die Produktion. Aber Biobäume liefern im Schnitt nur halb soviel Ertrag und erfordern dafür dreimal mehr Arbeitszeit als im integrierten Obstbau. Diese Arbeit verrichten in aller Regel polnische Wanderarbeiter, deren Aufgabe nicht selten darin besteht, die Insekten von den Blättern, Blüten und Ästen abzusammeln.

Dazu kommt ein höherer Aufwand an Pflanzenschutz. Da die beliebten Kupfer- und Schwefelpräparate schlecht wirken, versuchen die Bio-Obstbauern die unzureichende Wirkung durch häufigere Spritzungen (in der Regel 12 bis 16 Mal) auszugleichen. Weitere Behandlungen mit den Insektiziden Quassin und Pyrethrin, den biotechnologischen Präparaten Bacillus thuringiensis und Granulose-Viren, mit Paraffinölen, Seifen und anderen, oft sehr teuren Mitteln, sind unumgänglich. Damit sind für Bioobst bereits mehr Spritzungen erforderlich als für konventionelle Früchte.

Betrachtet man die Kupferpräparate im Bioanbau etwas genauer, dann sind sie alles andere als umweltfreundlich. Den Landwirten gelten sie als Alternative, weil dieses Gift noch vor den chemischen Spritzmitteln erfunden wurde. Kupfer ist ein Schwermetall wie Quecksilber oder Cadmium, ist also prinzipiell nicht abbaubar und reichert sich in der Umwelt an. Für Nützlinge wie Regen- würmer und Raubmilben ist es erheblich giftiger als vergleichbare konventio- nelle Pestizide.

Bei Birnen und Kirschen ist eine Öko-Produktion praktisch aussichtslos. Die Birnen leiden unter dem Birnenblattsauger, der die gesamte Ernte vernichten kann, die Kirschen werden von der Schwarzen Kirschenlaus befallen, die ohne konventionelle Mittel nicht beherrschbar ist. Hier nützt es nicht einmal mehr, wie im Apfelanbau, befallene Äste oder Früchte mühsam per Hand zu entfernen.

Nicht viel anders steht es bei der Produktion tierischer Lebensmittel. Umstritten ist die im Ökolandbau bevorzugte Freilandhaltung, weil die Tiere den Boden oftmals mit mehr Stickstoff versorgen, als bei einer intensiven Düngung zulässig wäre. Bei Hühnern und Schweinen kommt der Dung auch nicht der Grasnarbe zugute. Dort wo Schweine wühlen und Hennen scharren, wächst kein Gras mehr. Die Ausscheidungen sind eine reine Umweltbelastung im Gegensatz zur Gülle, die in den Ställen anfällt, und später dort ausgebracht werden kann, wo sie benötigt wird.

Das langsamere Wachstum von Schweinen bei extensiver Mast belastet die Umwelt stärker als eine Intensivmast. Mit der Mastdauer steigt der Verbrauch an Futter und Trinkwasser, um ein Kilo Fleisch zu erzeugen. Weil die Futterverwertung schlechter ist, scheiden die Tiere mehr Stickstoff und Phosphor aus, die wiederum die Gewässer verunreinigen.

In einem konventionellen Mastbetrieb nehmen Schweine am Tag etwa 750 Gramm zu, in Spitzenbetrieben sogar 1400 Gramm. Auf Biolandhöfen beträgt der Zuwachs jedoch nur 530 und in Demeterbetrieben gar nur 380 Gramm. Es mag sein, daß Zunahmen von anderthalb Kilo am Tag nicht „gesund“ oder zumindest unphysiologisch sind, aber das ändert nichts an der schlechten Ökobilanz. Wenn dann noch die Erträge bei Getreide und Futtermitteln im Öko-Landbau deutlich niedriger liegen, und damit der Landverbrauch zur Futtererzeugung höher, dann ist eine solche Produktion nicht unbedingt umweltfreundlicher.

Überschlagsmäßig braucht man für die gleiche Menge an Bio-Fleisch die dreifache Fläche für den Anbau von Futtermitteln. Im dichtbesiedelten Westen konkurrieren diese Äcker mit dem Bedarf an Fläche für Naturschutz- gebiete, für die Naherhohlung, für den Bau von Eigenheimen für junge Familien, die der „Käfighaltung“ in den Wohnsilos der großen Städte entgehen wollen. Betrachtet man diese Art der Verschwendung von Ressourcen zur Produktion von Nahrung, dann ist dies aus Sicht der Menschen in der Dritten Welt eine Produktion für die verwöhnten Söhne und Töchter einer Überflußgesellschaft.

Das soll und kann die Verdienste der Biobauern für die Schonung der Umwelt nicht schmälern. Sie waren es, die mit ihrem Mut und ihren Visionen die Ökologisierung der Landwirtschaft eingeleitet haben. Viele der heutigen Fortschritte verdanken die konventionellen Landwirte ihren einst so geschmähten Kollegen. Sie haben durch ihr Vorbild wesentlich dazu beige- tragen, daß der Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger vermindert wurde. Den anderen Teil zur Ökologisierung leistete die Chemische Industrie, indem sie ihre Produkte für den Acker einfach verteuerte.

Die ökonomische und ökologische Schere zwischen Konventionell und Bio wird immer größer – auch deshalb, weil die Bioverbände auf die Fortschritts- feindlichkeit der Gesellschaft setzen und sich damit ihre eigene Zukunft verbauen. Im Gegensatz zu ihnen können sich die konventionellen Landwirte – wenn sie über den Tellerrand blicken – auch aller ökologischer Techniken bedienen. Damit ist klar, wer auf lange Sicht das Oberwasser behält, wenn es darum geht, die Umwelt zu schonen. Was wir brauchen ist eine Produktion, die biologisches Denken nutzt, um mit den verfügbaren Techniken Lebensmittel besser, sicherer und billiger herzustellen.

Doch woher stammt die romantische Vorstellung der Öffentlichkeit von der Landwirtschaft als Streichelzoo, bei dem selbst der Bauer als eine bedrohte Art angesehen wird, der sehnlichst auf die Nachhilfe durch ökologisch engagierte Lehrerinnen gewartet hat. Warum gilt für alle Berufe die Forderung nach einer Zukunftsorientierung, nach Nutzung der modernsten verfügbaren Technik – nur Landwirte und der Lebensmittelverarbeiter sollen sich’s im Postkutschenzeitalter gemütlich machen? Über soviel Realitätsverlust kann man doch aus der Haut fahren!

Gemach, gemach: Dieses Bild wurde von allen Beteiligten – von der Agrar- wirtschaft über die Lebensmittelindustrie bis zum Einzelhandel – liebevoll gehegt und gepflegt. Nehmen sie eine beliebige Werbekampagne, betrachten Sie die bunten Bildchen auf den Etiketten, die vor Weideglück klingenden Markennamen, die Werbespots im Fernsehen: Sie alle zeigen eine heile Welt in vorindustrieller Zeit. Da springen rosa Schweinchen auf der grünen Weide, lila Kühe latschen über blühende Alpenwiesen und zertrampeln geschützte Pflanzen und mittendrin taucht der braune Bär von Bärenmarke auf und entlockt den prallen Eutern sahnige Alpenmilch, statt ein paar wohlgenährte Touristen zu reißen und mit einem wenig werbegerechten Bärenhunger zu verzehren.

Wer solch höheren Blödsinn mit enormen finanziellen Einsatz verbreitet, soll sich bitte nicht beschweren, wenn es ihm gelingt, die Markenbilder so fest zu fügen, so mit Leben zu erfüllen, daß die Gesellschaft eines Tages diese Assoziationen in der Realität einfordert. Genau das darf Frau Künast für ihre Wähler umsetzen. Meine herzlichsten Glückwünsche an die erfolgreichen Marketingstrategen der Lebensmittelwirtschaft. Man kann sich seine Probleme auch herbeiwerben.

— *Udo Pollmer, Jahrgang 1954, beendete 1981 sein Studium der Lebensmittelchemie an der Universität München mit dem Staatsexamen. Seit dem ist Pollmer als selbständiger Publizist und Unternehmensberater tätig. Er war mehrere Jahre Lehrbeauftragter für Haushalts- und Ernährungswissenschaften an der Fachhoch- schule Fulda sowie der Universität Oldenburg. Pollmer ist seit 1995 Wissen- schaftlicher Leiter des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften e.V. Udo Pollmer sorgt seit Jahren mit seinen Medienauftritten, wissenschaftlichen Artikeln in diversen Fachzeitschriften und gleich mehreren Bestsellern für Aufsehen.

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