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Offener Leserbrief: „Die schlimme Qual der Schweine“

Von Prof. Dr. M. Wähner Hochschule Anhalt (FH) FB Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landespflege Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg

An Redaktion „Die Welt am Sonntag“ An den Chefredakteur Axel – Springer – Straße 65 10888 Berlin

Bernburg am 30.04.2002

Beitrag „Die schlimme Qual der Schweine“ vom 28.04.2002 von Freia Peters

Sehr geehrter Herr Chefredakteur,

der o.g. Beitrag in der „Welt am Sonntag“ hat mich auf das tiefste schockiert, weil ich hier eine äußerst grobe Verletzung des sachliche Journalismus vorfinde. Sie begeben sich auf die unterste Ebene der Sensationspresse, mit dem Ziel, den unbedarften Leser bewußt ein falsches Bild von der deutschen Landwirtschaft, speziell der Tierproduktion vorzuhalten. Die Verfasserin dieses Artikels hat offenbar keine Ahnung von einer ordnungsgemäßen Recherche oder, und das wäre noch viel schlimmer, hat die Ergebnisse ihrer Analyse wissentlich verschwiegen und schlichtweg Unwahrheiten zu Papier gebracht. Es wird ein Vokabular verwendet, was bewusst provozierend und sensationsorientiert ist. Negativ besetzte Worte wie „Stahlrohrkäfig“, „eiserne Jungfrau“, „gesetzloser Raum“, „Verhaltensstörung“ stehen dafür.

Für falsche Aussagen lassen sich viele Beispiele anführen:

1. Sauen stehen nicht bis zur Geburt in einem „Stahlrohrkäfig“. Bekanntlich sind sie nur bis etwa zum 30. Tag nach der Befruchtung in einem Einzelstand untergebracht (EU-Richtlinie 2001/88/EG) und das hat auch seine wohl durchdachte Begründung, weil bis etwa zum 21. Tag die Einbettung der Embryonen in die Gebärmutter erfolgt. In dieser sensiblen Zeit lassen eventuelle Rangeleien von Gruppennachbarinnen die embryonale Absterberate signifikant ansteigen. Insofern ist diese zeitlich begrenzte Haltungsform praktizierter Tierschutz. In der Zeit ab dem 30. Trächtigkeitstag bis zur Einstallung in den Abferkelstall werden die Sauen in Gruppen gehalten.

2. Die Trächtigkeitsdauer von Sauen beträgt nicht 110 sondern 115 Tage. Um die Tiere auf die Geburt vorzubereiten werden sie etwa 5 Tage vorher in den Abferkelstall gebracht.

3. Selbstverständlich ist es so, dass männliche Ferkel kastriert werden, weil bekanntlich Fleisch von geschlechtsreifen männlichen Tieren sehr stark im Geschmack beeinträchtigt werden kann. Die Kastration erfolgt aber nicht erst in der 3. Woche, sondern, und hier ist wieder die oberflächliche Recherche der Autorin zu lesen, in der ersten Lebenswoche. Jedenfalls in den größeren Betrieben Ostdeutschlands ist das so. Das Kastrieren führt auch kein „Mast- Angestellter“ durch sondern Mitarbeiter der Betriebe. Bekanntlich ist die Kastration von Ferkeln Bestandteil der Berufsausbildung junger Tierpfleger. Interessant ist aber die indirekte Behauptung der Verfasserin, dass besonders bei den Deutschen dieser Ebergeruch nicht erwünscht ist. Sie sollten wissen, dass die Geschmackspapillen von anderen Europäern in gleicher Art und Weise ausgebildet sind wie bei uns Deutschen. Sie hätten aber bei einer richtigen Recherche wissen können, dass in manchen anderen Ländern die Mastschweine sehr viel früher geschlachtet werden als bei uns, nämlich zu einem Zeitpunkt wo sie noch nicht geschlechtsreif sind. Andernfalls werden in anderen Ländern die männlichen Mastferkel auch kastriert, genauso wie bei uns.

4. Das Absperren der neugeborenen Ferkel von ihrer Mutter dient wiederum dem Tierschutz. Damit werden Erdrückungsverluste reduziert in Größenordnungen, die ein echtes Tierschutzproblem darstellen würden. Sicher ist der Tod von Tieren, auch durch Erdrückung, „natürlich“, jedoch wenn ich als Tierhalter dieses Problem wissentlich negiere mache ich mich der fehlender Hilfeleistung schuldig. Hier greift die Unterlassungsethik, und das gilt auch beim Tierschutz.

5. Schweine haben keine Hufe, sondern Klauen. Pferde besitzen Hufe.

6. Es ist schlichtweg eine maßlose Behauptung, dass Mastschweine in den letzten Tagen der Mast aus Platzgründen nur noch „auf ihren Hinterbacken mit geschlossenen Augen bewegungslos hocken“. Als Mitglied des Tierschutzbeirates des Landes Sachsen – Anhalt empört mich das derart, dass ich die Kompetenz der Frau Peters für einen seriösen Journalismus abspreche. Es sind bekanntlich nach der o.g. EU-Richtlinie die Platzverhältnisse exakt vorgeschrieben. Demnach liegt das Platzangebot für ein 85 bis 110 kg schweres Tier bei 0,65 m2 und für ein über 110 kg schweres Mastschwein bei 1 m2. Damit sind absolut ausreichende Platzverhältnisse gegeben, zumal Schweine als sozial lebende Tiere sich meist mit Hautkontakt zum Nachbarn hinlegen und damit den Platz nicht voll beanspruchen. Hier fehlt wieder Sachkenntnis.

7. Absoluter Unfug ist, dass Ferkel permanent mit Antibiotika gefüttert werden. In Deutschland sind derzeit noch vier Antibiotika als Leistungsförderer erlaubt (Salinomycin, Flavomycin, Avilamycin und Monensin). In der Mast sind diese Substanzen bis maximal 6. Lebensmonat einsetzbar. Bereits heute setzen aber die meisten schweinehaltenden Betriebe von Anbeginn an keine Antibiotika mehr ein. Ich finde es als eine ungeheure Sachlage, wenn Bürger, die sich auf gesetzlicher Grundlage bewegen von vornherein kriminalisiert und in eine Ecke von Verbrechern gestellt werden. Bereits vor fast 200 Jahren hat schon Daniel Albrecht Thaer einen Grundsatz der Landwirtschaft formuliert, der nach wie vor gilt, dass nicht die möglichst höchste Produktion, sondern der höchste Gewinn nach Abzug aller Kosten Zweck der Landwirtschaft ist. Hierüber sollten Autoren einmal tiefer nachdenken.

8. Die Beschreibung der Tiertransporte zeichnet dem unbedarften Leser ein Horrorbild. Nach der in Deutschland gültigen Verordnung dürfen Tiere maximal 8 Stunden transportiert werden, wobei entsprechende Platzverhältnisse zu gewährleisten sind. Sie sollten wissen, dass gerade auf diesem tierschutz- relevanten Sektor die Kontrollen außerordentlich häufig und sehr penibel durchgeführt werden.

Herr Chefredakteur, es ließen sich noch weitere Beispiele anführen. Mein Anliegen ist es, mich in die Diskussion um Tierschutz und Tierproduktion sachlich einzubringen. Dieser Problemkreis ist sicher zu sensibel, als dass hier durch nicht ordnungsgemäße Erhebungen und Nachforschungen Falschmeldungen publiziert werden, die dem Leser die Landwirtshaft in unserem Land falsch vor Augen führen. Auf der Grundlage seriöser wissenschaftlicher Untersuchungen zur Physiologie und zur Ethologie der landwirtschaftlichen Nutztiere aber auch zur Ökonomie werden auch weiterhin Haltungsverfahren entwickelt werden, die eine solide moderne Tierproduktion ermöglichen. Gerade dieses Feld ist ein Beispiel dafür, dass Zoologen, Landwirte, Tierärzte, Ökonomen, Verhaltensforscher, Fachleute der Tier- und Humanernährung, Praktiker und Wissenschaftler, wie auch Ethiker zusammen- arbeiten um Rahmenbedingungen und praktische Voraussetzungen für eine Tierhaltung und eine Tierproduktion zu entwickeln, die dem in Deutschland und Europa typischen Verhältnis zwischen dem Mitgeschöpf Tier und uns Menschen gerecht wird. Diesem Anliegen zu entsprechen kann es nur so sein, dass auch weiterhin Tierproduktion in unserem Landes praktiziert wird. Der von Frau Freia Peters verfasste Artikel „Die schlimme Qual der Schweine“ dient diesem so wichtigen Anliegen, auch weiterhin nach deutschen Vorschriften Nahrungsmittel zu produzieren nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Martin Wähner Hochschule Anhalt (FH) FB Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landespflege Strenzfelder Allee 28 06406 Bernburg

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