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Schwerer Dämpfer: Künast erhält blauen Brief der EU Kommission

Die EU-Kommission bewertet die Novelle zum deutschen Gentechnikgesetz als nicht rechtskonform. Von Thomas Deichmann

Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast legte Anfang dieses Jahres ihren Entwurf zur Novelle des deutschen Gentechnikgesetzes (GenTG) vor – die seit Oktober 2002 überfällige Umsetzung der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 in deutsches Recht. In einer internen Mitteilung der EU-Kommission vom 26.7.04 hat sie nun scharfe Kritik an diesem Entwurf der Bundesregierung geübt und weitere Überprüfungen angekündigt. Nach der anhaltenden Kritik von Seiten der Opposition, von Wissenschaftlerverbänden und Agrarunternehmen wird dies als schwerwiegende Infragestellung der Kompetenz von Verbraucherschutzministerin Künast bewertet.

Die EU-Kommission hat die Richtigkeit der Umsetzung der EU-Richtlinie überprüft. Das Ergebnis ist eine lange Liste mit Kritik- und Klärungspunkten zum Entwurf der GenTG-Novelle, der der Kommission am 23.4.04 übermittelt worden war. Zusammenfassend moniert die Kommission, dass verschiedene obligatorische Bestimmungen der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18 ungenügend umgesetzt und insbesondere auch Bestimmungen in Bezug auf die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) nicht beachtet worden seien. Festgehalten wurden abschließend auch sehr grundlegende Zweifel der EU-Kommission an der Bereitschaft Deutschlands, die EU-weit harmonisierten Verfahren zur Inverkehrbringung von GVO überhaupt berücksichtigen zu wollen. In etlichen Punkten wird dargelegt, dass Künasts Gesetzentwurf Zuständigkeiten und Bestimmungen der EU untergräbt. So heißt es zu den im novellierten GenTG formulierten Zusatzverpflichtungen der Betreiber, die GVO in Verkehr bringen möchten („vorherige Sicherheitsbewertung, Prüfung der Risikobewertung und Sicherheitsmaßnahmen usw.“), diese Verpflichtungen „verletzen die Bestimmungen“ einer anderen EU-Verordnung, die sich bereits um solche Belange kümmert. Andere, ebenso aufwändige und kostensintensive Hürden für deutsche Anwender der Biowissenschaften werden ebenfalls kritisiert, weil sie einseitig ausgelegt, überzogen oder bereits andernorts geregelt seien. Künasts Plan, in Deutschland mehr oder weniger willkürlich „ökologisch sensible Gebiete“ auszuweisen, in denen per se keine Gentechnik angewendet werden darf, ist auch bemängelt worden, weil solche Einschränkungen „gemäß den einschlägigen Gemeinschaftsgesetzen geregelt werden müssen“.

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruss, bezeichnete erst Ende Juli das Künastsche Gesetz als „Gentechnikverhinderungsgesetz“, als dessen Folge er die Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland erwarte. Er kritisierte ausdrücklich die Haftungsregelung für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, denn ohne Gentechnik arbeitende Bauern sollen zukünftig Anspruch auf Entschädigung haben, wenn sie Umsatzeinbußen wegen ihrer Nachbarschaft zu Biotech-Bauern vorweisen können. Jedweder Pollen von transgenen Pflanzen, der auf dem Feld eines Ökobauern landet und dort zu Einkreuzungen führt, soll dabei einen wirtschaftlichen Schaden begründen können – selbst wenn die Einkreuzungsrate weit unter dem Schwellenwert von 0,9 Prozent liegt, ab dem erst eine Kennzeichnung von Lebensmitteln gesetzlich verlangt ist. Unabhängig vom Verschulden sollen außerdem alle im Umkreis angesiedelten Gentechnik-Nutzer haften, wenn der Ursprung des Fremdeintrags nicht geklärt werden kann. In Künasts Gesetzentwurf wird dem entsprechend auch die Regelung der nachbarschaftlichen Koexistenz verschiedener Anbausysteme einseitig den Gentechnik-Bauern zur Last gelegt.

Die EU-Kommission hat auch zu diesen Punkten dezidiert Stellung genommen. Sie erinnert die Bundesregierung diesbezüglich an eine Formulierung der EU-Freisetzungsrichtlinie 2001/18, wonach Mitgliedstaaten „das Inverkehrbringen von GVO als Produkte oder in Produkten, die den Anforderungen dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten, einschränken oder behindern“ dürfen. Im Entwurf der Bundesregierung hingegen würde „die gesamte Last der Gewährleistung der Koexistenz dem GVO-Anbauer auferlegt, was zu einer ungebührlichen Beschränkung des Anbaus von GVO führen könnte.“ Der Bundesregierung wird daher angeraten, die von der EU-Kommission am 23.6.03 vorlegten „Leitlinien für die Koexistenz“ zu befolgen. Darin wird allen Landwirten eine gleichberechtigte Verantwortung für die Gewährleistung der Koexistenz zugesprochen.

Mit Blick auf die von Künast vorgesehen Haftungsregeln erachtet es die EU-Kommission indes als „nicht akzeptabel“, dass Landwirte für Schäden haftbar gemacht werden sollen, obwohl sie die rechtlichen Vorschriften und „die gute fachliche Praxis“ beachtet haben. „Die vorgeschlagene Haftungsregelung dürfte generell zu einem hohen und nicht vorhersehbaren wirtschaftlichen Risiko für GVO-Landwirte führen“, folgert die Kommission, die eine Zustimmung zur deutschen GenTG-Novelle nur unter der Bedingung in Aussicht stellt, dass die Haftungsbestimmungen nicht zu einer Verhinderung des Anbaus von GVO in Deutschland führe. Diese Befürchtung ist hierzulande wiederholt geäußert worden.

Mit dieser Rüge der EU-Kommission könnte die kontroverse Diskussion um die GenTG-Novelle nach der Sommerpause möglicherweise durch eine Invervention des Kanzleramtes eine Wende nehmen. In der Quintessenz ist nämlich festgestellt worden, dass das deutsche GenTG in der geprüften Entwurfsversion nicht EU-rechtskonform ist, weil Vorschriften aus Richtlinien, Verordnungen und allgemeine Grundsätze des EG-Vertrages verletzt werden. Die EU hätte somit die Handhabe, rechtliche Schritte gegen Deutschland einzuleiten.

Ende letzten Jahres musste Künast schon einmal bei der Ausarbeitung ihres Entwurfs auf Drängen des Kanzlers Zugeständnisse machen: Ihr Ansinnen, die Förderung der Gentechnik, also bedeutende Grundlagen- und Anwendungsforschung im Auftrag des Forschungsministeriums abzuschaffen und Verbraucherschützer nur noch mit der Abwendung von theoretisch möglichen Risiken der Biowissenschaften zu betrauen, ging Schröder ebenso zu weit wie ihr Ziel, gentechnikfreie Zonen in Deutschland auszuweisen. Doch ansonsten ließ der Kanzler seine Ministerin bislang gewähren. Diese erwies sich in den letzten Wochen und Monaten als äußert kreativ bei der Umsetzung ihrer Ziele.

Nachdem sich das Kabinett am 11.2.04 nach langem Streit zwischen den Ministerien auf den Entwurf für das neue GenTG geeinigt hatte, begannen die Beratungen im Bundstag und Bundesrat. Wie erwartet lehnte die Mehrheit der Bundesländer am 2.4.04 den Künast-Entwurf ab. Schon damals wurde die Einschätzung geäußert, dass ihre Novelle nicht EU-gesetzkonform sei. Doch statt nachzubessern, begann sie mit der Umformulierung des Gesetzes, so dass eine Zustimmung des Bundesrates zu wichtigen Teilen nicht mehr notwenig war. Betroffen davon sind auch die Haftungsregeln. Die Regierungsfraktionen stimmten schließlich im Bundestag am 18.6.04 dem geänderten GenTG zu.

Unternehmen und Forscher sprachen daraufhin von einem folgenschweren „Innovationsstopp“ und dem „praktischen Ausstieg aus der Agrar-Biotechnologie“. Die KWS Saat AG, größtes deutsches Züchtungsunternehmen, erklärte, unter diesen rechtlichen Rahmenbedingungen vorerst keine Freilandversuche in Deutschland mehr durchführen zu können. Der Deutsche Bauernverband bedauerte, dass „die Sicherung der Koexistenz, also das Nebeneinander mit und ohne gentechnisch veränderte Pflanzen, nicht erreicht worden sei“ und für Landwirte, die transgene Pflanzen anzubauen planen, ein unkalkulierbares wirtschaftliches Risiko entstanden sei. Der Präsident des VCI und Chef der BASF AG, Jürgen Hambrecht, sagte vor wenigen Tagen, er könne sich nunmehr sogar vorstellen, die Agroforschung seines Unternehmens in die USA zu verlegen.

Auf seiner Sitzung am 9.7.04 folgte die Mehrheit des Bundesrates der Empfehlung seines Agrarausschusses, der sich mit großer Mehrheit gegen den vom Bundestag verabschiedeten Gesetzestext ausgesprochen hatte und überwies den beschlossenen Gentechnik-Gesetzentwurf an den Vermittlungsausschuss. Scheitert dieses, kann sich der Bundestag bei absoluter Mehrheit über den Bundesrat hinwegsetzen. Allerdings braucht es nur drei Abweichler aus den Reihen von SPD oder Grüne, um die Kanzlermehrheit zu gefährden. Die EU-Rüge hat nun aber die Pläne Künasts, das Gesetz zügig durch die Instanzen zu bringen, ohnehin durchkreuzt.

Der EU-Kommission verlangt Nachbesserungen und wird auch den Bundestagsbeschluss zur Novelle des GenTG prüfen. Da die Inhalte im Wesentlichen unverändert sind, wird die jetzt überreichte Stellungnahme zum Entwurf vom vergangenen April als richtungsweisend dafür gesehen, wie das neue Urteil der Kommission ausfallen wird. Über die Nutzung der Grünen Gentechnik in Deutschland ist also möglicherweise doch noch nicht das letzte Wort gesprochen. Der Bayerische Umweltminister Werner Schnappauf sieht jedenfalls mit der Stellungnahme der EU-Kommission die im Bundesrat von der Opposition vertretene Haltung bestätigt. Er forderte am 30.7.04 die Bundesregierung Ende auf, in dem vom Bundesrat angerufenen Vermittlungsausschuss die monierten Regelungen nachzubessern. Für die FDP-Fraktion im Bundestag kritisierte am 3.8.04 Christel Happach-Kasan, Mitglied im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, aufs Schärfste, „dass die Bundesregierung wissend um die Notwendigkeit der Notifizierung des Gesetzes durch die EU-Kommission einen nicht EU-konformen Entwurf vorgelegt hat.“ Dieser sei sogar „von den Koalitionsfraktionen in der Haftungsregelung weiter verschlechtert worden“, obwohl für den Innovationsstandort Deutschland „die Verwirklichung echter Koexistenz von gentechnisch veränderten mit herkömmlich gezüchteten Pflanzen und die weitere Genom-Forschung mit dem Ziel, das Wissen zu mehren und bessere Sorten zu züchten, von entscheidender Bedeutung“ sei: „Der Bundeskanzler aufgefordert, dem Wort von der Innovationsinitiative Taten folgen zu lassen.“ (td, 3.8.04)

© Thomas Deichmann

Das Originaldokument der EU-Kommission finden Sie im Internet.

Thomas Deichmann ist freier Journalist und Chefredakteur von Novo.

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