Tierschutzverstöße in Schlachthöfen – Systemfehler statt Einzelfälle
Hannover (ml) – Nachfolgend die Rede der Niedersächsischen Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast zu Tierschutzverstößen in Schlachthöfen aus der heutigen Sitzung des Niedersächsischen Landtages (TOP 2a, Aktuelle Stunde).
Tierschutzverstöße in Schlachthöfen – Systemfehler statt Einzelfälle
Es gilt das gesprochene Wort
Mir reicht es!
Ich benötige jetzt keine weiteren Beweise mehr dafür, dass wir in Sachen Tierschutz einen Neustart in unseren Schlachthöfen benötigen!
Egal ob Kleinbetrieb, Bio-Schlachthof oder großer gewerblicher Schlachthof, egal ob in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen oder bei uns in Niedersachsen. Auf unseren Schlachthöfen muss etwas passieren!
Bereits im Jahr 2012 stellte das Bundesministerium in einer Antwort zu einer Kleinen Anfrage zum Thema „Tierschutz bei der Tötung von Schlachttieren“ fest, dass aus Sicht der Bundesregierung bedeutsame Defizite beim Tierschutz in deutschen Schlachthöfen bestehen, die unter anderem die Betäubung und die Entblutung betreffen. Wenn man alleine in der Rinderschlachtung in Deutschland mit 4 bis über 9 Prozent Fehlbetäubungen rechnen muss, kann von Einzelfällen keine Rede sein.
Die Fälle, die uns in den vergangenen Monaten bekannt geworden sind, sprechen meines Erachtens eine deutliche Sprache. Die Missstände, die man bereits vor Jahren identifiziert hat, bestehen offensichtlich vielerorts weiterhin.
Mehr als 4.000 Schlachthöfe haben wir bundesweit, davon allein 333 in Niedersachsen.
Wie bekommen wir diesen erwähnten „Neustart“ gemeinsam hin?
Ich bin vorsichtig optimistisch, dass die Fleischwirtschaft in Niedersachsen durch die jüngsten Vorkommnisse aufgerüttelt wurde und erkennt, dass sie ihre Anstrengungen zur Verbesserung des Tierschutzes in unseren Schlachthöfen nochmals deutlich erhöhen muss. Sie sind in der Pflicht!
Meine Forderungen an die Fleischwirtschaft sind:
• Sorgen Sie dafür, dass Sie für die Anwendung ausschließlich solche Betäubungsverfahren einsetzen, die sicherstellen, dass jedes Schlachttier bis zum Eintritt des Todes empfindungs- und wahrnehmungslos bleibt,
• Sorgen Sie dafür, dass in Ihren Schlachtbetrieben tierschutzrelevante Fehler beim Zutrieb, dem Ruhigstellen, der Betäubung und dem Töten der Tiere vermieden werden,
• Setzen Sie an tierschutzrelevanten Positionen eine ausreichende Anzahl fachlich besonders qualifizierter Mitarbeiter ein!
• Richten Sie Ihre Arbeitsabläufe nach den Tieren aus, die Ihnen anvertraut sind. Akkordarbeit hat beim Zutrieb und der Betäubung nichts verloren.
• Investieren Sie in den Tierschutz! Dies ist auch eine Investition in die Akzeptanz der Fleischgewinnung in der Öffentlichkeit!
Nun möchte ich einen zweiten wichtigen Aspekt ansprechen: Die amtliche Kontrolle, über die in den vergangenen Wochen auch intensiv diskutiert wurde.
Zum einen gibt es die Kontrolle durch das zuständige Veterinäramt, die im Wesentlichen die Lebenduntersuchung und die Fleischuntersuchung („Fleischbeschau“) beinhaltet.
Seit der Neufassung des Fleischhygiene-Rechts im Jahr 2004, also seit mehr als 13 Jahren (!), muss das Veterinäramt zusätzlich die Einhaltung der einschlägigen Tierschutzvorschriften durch den Betrieb bei Zutrieb, Betäubung und Entblutung verifizieren. Zusätzliches Personal haben die Veterinärämter in Verbindung mit der Übertragung dieser Aufgabe jedoch nicht erhalten, da die Aufgabe gebührentechnisch nicht geregelt wurde.
Die Folge: Bundesweit finden nur stichprobenhafte Kontrollen bei der Betäubung durch die Amtstierärzte statt.
Die jüngsten Vorfälle haben gezeigt, dass dies nicht ausreicht. Mein Haus wird nun unverzüglich prüfen, wie die amtlichen Tierschutzkontrollen an Schlachthöfen auf eine solide Grundlage gestellt werden können. Ferner wird das Ministerium aufgrund der Vorfälle in Bad Iburg die ordnungsgemäße Durchführung der Schlachttier- und Fleischuntersuchung durch die Kommunen im kommenden Jahr verstärkt auch fachaufsichtlich überprüfen.
Eine zweite, unabhängige Kontrollinstanz für die Schlachthöfe existiert in Niedersachsen bereits. Das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsichersicherheit (LAVES) ist für die Zulassung von Schlachthöfen zuständig und kontrolliert auch regelmäßig die Einhaltung der Zulassungsvoraussetzungen.
Mängel bei der baulichen, technischen, organisatorischen und personellen Organisation der Abläufe in den tierschutzrelevanten Bereichen der Schlachthöfe sind zulassungsrelevant und können zum Entzug der Zulassung führen! Ich habe daher das für die Zulassung der Schlachthöfe in Niedersachsen zuständige LAVES aufgefordert, seine entsprechenden Kontrollen zu intensivieren. So haben z.B. gestern zwei Teams des LAVES Schlachthöfe kontrolliert.
Ich bin mir sicher, dass unsere Maßnahmen bereits kurzfristig zu einer deutlichen Verbesserung des Tierschutzes in niedersächsischen Schlachthöfen führen werden.
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