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Experte: „Fasten ist mittelalterlicher Hokuspokus“

(idw) – Alle Jahre wieder – nach Karneval wird Fasten für viele Menschen zum Thema. Ursprünglich war „Fastnacht“ schließlich der letzte Abend vor Beginn der bis Ostern andauernden Fastenzeit. Doch manche belassen es nicht bei Karneval (lateinisch „carne vale“ gleich „Fleisch lebe wohl“) sondern schwören auf die schärfere Gangart. Sie verzichten einige Tage gänzlich auf feste Nahrung. Heilfasten nennt sich diese Methode. Wir sprachen darüber mit Prof. Dr. Joachim Mössner, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II mit den Fachbereichen Gastroenterologie und Hämatologie/Onkologie des Universitätsklinikums Leipzig.

Professor Mössner, was halten Sie als Magen-Darm-Spezialist vom Heilfasten?

Nichts, es ist mittelalterlicher Hokuspokus! Und nicht ganz ungefährlich.

Ein hartes Urteil. Immerhin schwärmen nicht wenige Menschen, bestärkt durch Mediziner, von diesem Weg zu ihrem ganz persönlichen Wohlbefinden. Die Fastenden sprechen von der körperlichen und seelischen Erleichterung, die ihnen der absolute Verzicht verschafft. Ist alles nur Einbildung?

Sicherlich nicht. Wer das ganze Jahr fett, süß, alkoholisch und maßlos lebt, oder es von sich glaubt, der genießt vermutlich das Gefühl für all seine Sünden zu büßen. Und auch eintretendes körperliches Wohlbefinden halte ich für real. Viele Menschen leiden beispielsweise unter einem Reizdarmsyndrom. Wahrscheinlich wird bei diesem Syndrom der normale Gehalt an Gasen, die unsere Dickdarmbakterien produzieren als bereits schmerzhaft empfunden. Wenn der Darm mal einige Tage weniger zu tun hat, bessern sich vielleicht bei einigen ihre Beschwerden. Aber auch diese These ist wissenschaftlich wenig fundiert. Die „Reizbarkeit“ des Darmes ändert sich aber durch diese vorübergehende gewollte „Leere“ nicht, die Probleme kehren zurück, sobald die normale Verdauung wieder beginnt.

Als ein Argument für das Heilfasten wird die Notwendigkeit genannt, den Körper regelmäßig zu entschlacken, Schadstoffe auszuleiten und richtiggehend zu entgiften. Das mache widerstandsfähiger gehen Allergien und Infekte, die Haut werde schöner, das Bindegewebe straffer …

Alles Quatsch. Natürlich kommt der Mensch durch Essen und Trinken kontinuierlich auch mit Schadstoffen in Berührung. Aber die sind nicht durch eine einmalige Aktion wieder auszusondern. Das Herangehen muss ganz anders sein: Wenn ich mich sehr ballaststoffreich ernähre, das heißt mit viel Obst und Gemüse, weniger Süßigkeiten und tierische Produkte, wird die Passage der unverdauten Nahrung durch den Dickdarm deutlich erleichtert. Dies verzögert natürlich die Kontaktzeit potentieller Schadstoffe mit der Dickdarmschleimhaut. Schadstoffe werden schneller wieder ausgeschieden. Aber dies ist eine Maßnahme die an im Idealfall an allen 365 Tagen im Jahr durchzuhalten wäre.

So werden einige Krankheiten übrigens durch eine ballaststoffarme Erkrankung begünstigt. Die Divertikel-Krankheit zum Beispiel, also Ausbuchtungen der Dickdarmschleimhaut, kannte man im 19. Jahrhundert noch nicht, als die meisten Menschen sich noch hauptsächlich von Schwarzbrot, Getreidebrei, Gemüse und Kartoffeln ernährten. Heutzutage arbeitet die Dickdarmwand zu oft gegen ein Nichts – und das macht sie krank.

Sie sprachen eingangs von Gefahren, die vom Heilfasten ausgehen können. Welche sehen Sie da besonders?

Ich denke vor allem an die Entstehung von Gallenblasensteinen. In der Gallenblase wird der Gallensaft auf Vorrat gespeichert, um ihn immer dann, wenn Nahrung aus dem Magen in den Dünndarm gelangt, auszuschütten. Dies begünstigt insbesondere die rasche Verdauung des Nahrungsfetts. Wenn der Darm aber lange ruht, beginnt die nicht zum Einsatz kommende hochkonzentrierte Galle zu kristallisieren. Dazu genügen wenige Tage. Manch einer wird die kleinen Kristalle später wieder los, bei anderen sind sie der Ansatzpunkt für weiterwachsende Gallensteine.

Ihre strikte Ablehnung lässt vermuten, Sie persönlich haben noch nie gefastet.

Zugegeben, zu Studienzeiten, als ich mit den Kommilitonen oft mehr als nur ein einziges Glas Bier am Abend getrunken habe, da hatte ich das Gefühl, mich maßregeln zu müssen. In einigen Jahren gab es zwischen Aschermittwoch und Karfreitag dann keinen Tropfen Alkohol. Aber jetzt, wo ich nur ab und an mal ein Glas oder einen Schoppen genieße, halte ich dies „Kasteiung“ für nicht mehr nötig.

Was also empfehlen Sie jenen, die nach Karneval oder andermal, per Ernährungsumstellung etwas für ihr Wohlbefinden tun wollen?

Durchaus mal über „carne vale“ nachzudenken. In Maßen allerdings, gelegentlich ein mageres Stück Fleisch sollte auf dem Speiseplan bleiben. Dazu viel Obst und Gemüse. Und wer dann noch Zucker und Alkohol reduziert und sich viel bewegt, der braucht seiner Gesundheit keine Fasten-Experimente zuzumuten.

Mit Prof. Mössner sprach Marlis Heinz

Informationsdienst Wissenschaft – idw – – Pressemitteilung Universität Leipzig, 06.03.2003

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