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Colienterotoxaemie:

Management, Verdauung und Fütterung optimieren!

Erkrankungen durch giftbildende Colibakterien bei Absatz - und Aufstallungsferkeln haben in einem erschreckenden Maße zugenommen.

Als Colienterotoxaemie bezeichnet man Erkrankungen, bei denen die Wirkung von Giften (Toxine) der Colibakterien auf die Blutgefäße Schäden verursachen. Man unterscheidet den Colitoxinschock und die Ödemkrankheit. Sitz der Erkrankung ist dennoch der Darm. Von dort aus gelangen die Toxine ins Blut. Ungeachtet der Häufung bei Absatzferkel und nach dem Einstallen in die Vormast, kann die Colienterotoxaemie bei Schweinen ab der dritten Lebenswoche auftauchen. Einzelfälle werden auch bei Mastschweinen beobachtet. Meist erkranken mehrere Ferkel eines Wurfes bzw. einer Mastgruppe. Oft sind die besten der Gruppe betroffen.

Charakteristische Symptome können nur bei einem Teil der erkrankten Tiere beobachtet werden. Bei der Ödemkrankheit findet der Beobachter einen unsicheren Gang, Taumeln bis hin zu Lähmungserscheinungen, Schreckhaftigkeit, geschwollene Augenlider unkoordinierte Zuckungen einzelner Muskeln oder auch "Radfahrerbewegungen" in Seitenlage. Durch die Kehlkopfschwellung sind die Lautäußerungen der Ferkel krächzend, schrill und heiser. Oft wird dies als "Husten" interpretiert und erfolglos mit Antibiotika behandelt.

Beim Colitoxinschock treten kaum typische Symptome auf. Die Tiere fressen normal und verenden dann innerhalb weniger Stunden. Fieber tritt gewöhnlich nicht auf, vor dem Tode ist die Körpertemperatur eher unter der Normaltemperatur.

Voraussetzung für die Bildung nennenswerter Toxinmengen ist die Besiedlung des Dünndarmes. Bei erkrankten Ferkeln findet man 100 bis 1000 mal mehr Colibakterien als bei gesunden Tieren. Die Krankheitserscheinungen treten etwa eine Woche nach der Erregeraufnahme auf. Da zwischen der Bildung der Toxine und dem ersten Auftreten von Krankheitserscheinungen eine Zeitspanne von 24 bis 48 Stunden liegt, kommt jede antibiotische, gegen den Erreger gerichtete Behandlung zu spät. Behandlungsversuche mit Antihistaminika und Corticoiden können nur in einer Frühphase erfolgreich sein. Überlebende Ferkel kümmern und sind somit wirtschaftlich uninteressant. Also kommen nur Prophylaxemaßnahmen zur Verhinderung der Colienterotoxaemie in Frage.

Resistente Colibakterien

Einigermaßen sicher wirksam und für eine vorbeugende Notbehandlung ( Tierschutz ) sind Colistin über das Futter oder Trinkwasser. Injektionsantibiotika eignen sich nicht, da bis zu 14 Tage behandelt werden muß. Der Einsatz von Antibiotika muß dann unbedingt durch einen Resistenztest abgesichert werden, da in den letzten Jahren die Zahl mehrfachresistener Colibakterien in einem katastrophalem Maße zugenommen hat. Hierzu eignen sich nur unbehandelte Ferkel bzw. Kotproben dieser Ferkel. Das Untersuchungsmaterial ist gekühlt zu lagern und zu transportieren.

Tabelle: Resistenzen isolierter Colibakterien beim Schwein in % (Klarmann, 1997)
Wirkstoff

¯

E. coli hämol.

E. coli

Ampicillin 75,9 77,5
Enrofloxacin 26,4 8,1
Tetracyclin 100,0 97,9
Colistin 73,5 67,3
Sulfonamid / Trimethoprim 58,4 44,9
Gentamicin 64,1 46,9
Neomycin 30,1 55,1
Streptomycin 100,0 100,0
Spectinomycin 83,0 91,8

Selbst während des Einsatzes von Antibiotika muß mit dem Auftreten einer Resistenz gegen das aktuell eingesetzte Antibiotikum gerechnet werden. Und die Situation wird sich noch weiter verschärfen! Mitte 1999 werden die Leistungsförderer Carbadox und Olaquindox, von dem eine gewisse Wirkung gegen Coli – Bakterien zu erwarten ist, vom Markt verschwinden. Die Substanzen wurden als krebserregend eingestuft. Arzneimittel können nicht dazu dienen, mangelhafte Haltungsbedingungen und ein schlampiges Management auszugleichen. Selbst wenn ein Resistenztest vorliegt und so das richtige Antibiotikum ausgewählt wurde, erkranken Ferkel häufig doch, wenn z.B. Rohfaser - und Eiweißgehalte und die Wasserversorgung nicht stimmen. Parallel zur antibiotischen Notbehandlung muß deshalb nach den vielfältigen Risiko- und Streßfaktoren geforscht werden.

Risiko- und Streßfaktoren von seiten der Tränkeversorgung

Leider wird der Tränkewasserversorgung bei Ferkeln zu wenig Beachtung geschenkt und so werden immer die vier nachfolgenden Fehler beobachtet:

  1. eine Nippeltränke für mehr als 12 Ferkel,
    Folge: kleine Ferkel werden abgedrängt, lassen Futter im Trog
  2. Hochdrucknippel schrecken kleine Ferkel ab,
    Folge: kleine Ferkel lassen Futter im Trog
  3. geringere Durchflußrate als 0,8 Liter pro Minute,
    Folge: kräftige Ferkel besetzen Nippel, kleine Ferkel werden abgedrängt, lassen Futter im Trog
  4. Tränkenippel zu eng nebeneinander installiert
    Folge: kleine Ferkel können nicht ungestört trinken, werden abgedrängt, lassen Futter im Trog.

    Folgen von Punkt 1 - 4: Die kräftigen Ferkel sind gut mit Wasser versorgt. Sie überfressen sich am überschüssigen Futter und erkranken an der Colienterotoxaemie!

Risiko- und Streßfaktoren von seiten der Fütterung

Dies sind unter anderem:

  • Mangelhaftes Enzymtraining: Getreidebetontes Ferkelkorn zufüttern
  • Zu reichliches Futterangebot nach dem Absetzen.
  • Eiweißgehalte über 16%.
  • Allergieähnliche Unverträglichkeit von Soja! Früh bei der Sau zufüttern!

Prophylaxe durch phytogene Futterzusatzstoffe?

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Landwirt der einer optimierten Verdauung bei den Ferkeln schenken. Natürliche phytogene (pflanzliche) Verdauungsförderer wie z.B. der phytogene Futterzusatzstoff Phytolan®10% - Pulver (Fa. bioptivet, Hamm) unterstützen die Darmtätigkeit. Durch Anregung der Verdauungsorgane wird die Sekretion von Magen - und Gallensaft erhöht. Die Verdauung wird so optimiert, es fallen so weniger schädliche Stoffwechselmetaboliten an. Auf der anderen Seite ist eine gestörte Verdauung Wegbereiter für eine Massenvermehrung von pathogenen Mikroorganismen und Endoparasiten, die dann wiederum Darmerkrankungen hervorrufen. Viele pathogene Mikroorganismen kommen ständig im Darm geesunder Tiere (und Menschen) vor. Erst eine gestörte Verdauung bietet den Schadkeimen eine Möglichkeit zur Massenvermehrung. Wie wirkungsvoll Aromastoffe auf Basis ätherischer Öle sind zeigt eine Fütterungsversuch am Tierernährungsinstitut Göttingen. Eine mit einem Zusatz von ätherischen Ölen gefütterte Ferkelversuchsgruppe steigerte die Körpergewichtszunahme um 7,2 und die Futterverwertung um 9,1 % ( Übersicht 1 u. 2 ).

Übersicht 1. Körpergewichtsentwicklung und Futterverwertungsrate bei Ferkeln mit und ohne Zusatz von Aromastoffen auf Basis ätherischer Öle (Prof. Günther, 1998)
Gruppe

1
Negativkontrolle

2
mit Aromastoff

Anfangsgewicht, kg 7,70 7,85
21 - Tage - Gewicht, kg 14,40 15,40
21 - Tage - Zunahme, kg 6,40 7,55
Endgewicht, kg 27,20 28,75
Gesamtzunahme, kg 19,50a 20,90b
Ø Tageszunahme, g 464,30a 497,60b
rel. Zunahme, % 100,00 107,2
Futterverzehr 21 Tage, kg 9,79 10,42
Futterverwertung 21 Tage, kg/kg 1,53a 1,38b
Futterverzehr 42 Tage, kg 34,12 33,23
Futterverwertung 42 Tage, kg/ kg 1,75a 1,59b
rel. Futterverwertung, % 100,00 90,85
ab = p < 0,05

 

Übersicht 2. Nährstoff - Verdaulichkeiten bei Ferkeln mit und ohne Zusatz von Aromastoffen auf Basis ätherischer Öle ( Prof. Günther, 1998 )
Gruppe

1
Negativkontrolle

2
mit Aromastoff

Trockensubstanz 84,20a 87,70b
Rohprotein 79,20a 81,80b
Rohfett 74,89a 77,40b
Stärke 97,30 97,80
Zucker 94,10 95,10
Rohfaser 48,70a 51,30b
Energie 82,90a 86,20b
ab = p < 0,05

Eiweißverdaulichkeit

Aber auch bei der Eiweißversorgung lohnt das genaue Hinsehen. Wie Übersicht 3 zeigt, ändert sich die Verdaulich der verschieden Eiweißträger erheblich mit steigenden Alter der Ferkel. Zudem bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den verschieden Eiweißträgern. Gut verdauliche Eiweißträger sind zu bevorzugen. Werden Eiweißträger schlecht verdaut, so werden durch dieses unverdaute Eiweiß die "eiweißliebenden" Colibakterien ernährt und sie vermehren sich explosionsartig.

Problem Rohfaser

Zur Verhinderung der Ödemkrankheit werden Rohfaseranteile von etwa 6 % in der Ration

empfohlen. Leider wird es immer schwieriger, diese Empfehlung zu befolgen. Währen z.B. Gerste in Tabellenwerken mit etwa 4,6 % Rohfaser angegeben sind, liefern moderne Hochleistungssorten nur etwa 1,9 % Rohfaser, da bei der Zucht auf einen großen Mehlkörper

Wert gelegt wurde. Hier muß mit Weizenkleie ( Mycotoxine? ), Sonnenblumenschalen oder unkonventionellen Rohfaserträgern wie Citrustrester, Leinsamenschrot oder

Rapsschrot der Rohfasergehalt in der Ration angehoben werden, ohne das die Akzeptanz leidet.

Übersicht 3: Die Verdaulichkeit von Eiweißträgern bei Ferkeln verschiedenen Lebensalters.
Lebensalter in Wochen 3.5 5.5
Eiweißart    
Milcheiweiß 93% 95%
Kartoffeleiweiß 93% 95%
Fischeiweiß 86% 91%
Sojaschrot 71% 87%*
*weiterhin zunehmend bis zur 8.Woche

Welche Rolle spielt die Säurebindungskapazität?

Über den Zusatz von Säuren zum Futter wurde viel berichtet und so mancher Geschäftsmann hat sich mit Säuren wie Obstessig eine goldene Nase verdient. Der Erfolg mit dem Säurezusatz schwankt von "sensationell gut" bis "eher bescheiden". Handelsübliche Futtermittel ( Mehle u. Pellets ) und hofeigene Mischungen haben nach eigenen Messungen des Autors ein pH - Wert von etwa 5,7 bis 6,2. Zwar mischen viele Mischfutterhersteller ihren Futtermitteln Säuren zu und den Selbstmischern werden für viel Geld Säurezusätze verkauft, aber merkwürdigerweise werden die notwendigen pH - Werte von 4,5 bis 4,8 im Futter häufig nicht erreicht. Und eines sollte man sich klar machen: Ein Futter mit dem pH - Wert 4,7 ist 10 mal saurer als ein Futter mit dem pH - Wert 5,7 (!). Eine schnelle Absenkung des pH - Wertes ist aber für eine rasche Magenpassage, zur Abtötung von unerwüenschten Bakterien und zur Aktivierung des eiweißverdauenden Enzymes Pepsin notwendig. Wird das Pepsin nicht ausreichend aktiviert, so stehen wiederum große Mengen unverdautes Protein für eine überschießende Vermehrung von Colibakterien zur Verfügung.

Hierbei spielt die sogenannte Säurebindungskapazität, insbesondere der Eiweißträger und der Mineralstoffe, eine entscheidende Rolle. Futtermittel mit einer hohen Säurebindungskapazität (SBK) neutralisieren nicht nur zugesetzte Futtersäuren, sondern auch die Magensäure.

Übersicht 4: Orientierungswerte zur Säurebindungskapazität von Einzel – und Mischfuttermitteln.
Futtermittel SBK

( meq/kg )

Futtermittel SBK

( meq/kg )

Weizen

370

Mineralfutter o. Phytase  
Gerste

344

Ferkel

4600 - 6600

Mais

373

Mast

> 7500

Triticale

465

Zucht

> 7500

Roggen

366

   
Hafer

402

   
Haferflocken

348

   
Weizenkleie

854

Mineralfutter m. Phytase  
Sojaschrot NT

1240

Ferkel

4500 – 5800

Sojaschrot HP

1353

Ferkel – Diät

3500

Fischmehl

1454

Mast

3900

Kartoffeleiweiß

1072

Zucht

4300

Tiermehl 50

3912

   
Tiermehl 55

4658

   
Bierhefe

1241

Ferkelfutter  
Ackerbohnen

813

hofeigen

750 - 900

Erbsen

678

Handel

850 - 1000

Lupinen

1056

Diät

550 - 650

Magermilchpulver

1444

   
Molkepulver

1052

   
Kaseinpulver

912

   
Rapssamen

878

   
Rapskuchen

1195

   
Grünmehl / Cobs

1067

   
CCM

414

   

( Quelle: Dr. H. Lindermeyer, Bayrische Landesanstalt für Tierzucht, Grub )

Beispiel: Berechnung der Säurebindungskapazität ( SBK ) eines Ferkelfutters. Ziel: Reduzierung der SBK auf < 700 meq / kg im Ferkelfutter.
Komponente SBK / kg Anteil

SBK meq

Mineralfutter o. Phytase 4600 – 6600

3 %

138,0 – 198,0

Sojaschrot NT 1240

20 %

248,0

Gerste 344

35 %

120,4

Weizen 370

40 %

148,0

Weizenkleie 854

5 %

42,7

Summe

100 %

697,1 - 757,1

Wie Übersicht 4 zeigt, läßt sich für alle Futterkomponenten, die Säurebindungskapazität

angeben. In Zukunft sollte es Standart sein, daß der Hersteller eines Mineralfutters auf der Deklaration die SBK angibt. So kann der Landwirt die SBK seiner Futter berechnen, wobei der Wert nicht über 700 meq SBK / kg Futter liegen sollte. Unser Berechnungsbeispiel zeigt, daß insbesondere durch die Auswahl des richtigen Mineralfutters die SBK eines Futters entscheidend beeinflußt wird, denn im Mineralfutter befinden sich häufig Komponenten mit hoher SBK wie Kalziumcarbonat und Magnesiumoxid.

Fazit: Das Problem Colienterotoxaemie löst man nicht "mit links". Der Betrieb muß von allen Seiten durchleuchtet werden. Die routinemäßige Anwendung von Antibiotika wird auf Grund der steigenden Zahl resistenter Colibakterien immer fragwürdiger, auch wenn es bequem erscheint!

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