Unter Verwendung von wissenschaftlichem Material von Dr. Steve McOrist, Dr. Torsten Hardge,
Dr. Volker Ohlinger, Prof. Dr. Joachim Pohlenz, Harm Voets DVM, Don Walter DVM.
Wie infiziert Lawsonia intracellularis die Darmzelle?
Lawsonia intracellularis in Darmzellen |
Die Pathogenese der Infektion durch Lawsonia intracellularis und die Empfänglichkeit der Darmzellen
für diesen Erreger sind von zentraler Bedeutung und gehören zu den wichtigsten Bereichen der Forschung.
Obwohl die Koch'schen Postulate für Lawsonia intracellularis nachweislich erfüllt sind, erweisen sich
gnotobiotische Ferkel resistent gegen eine Infektion, während konventionelle Ferkel empfänglich sind.
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Es muss also offenbar eine komplexe physiologische Darmflora vorhanden sein, damit sich eine intrazelluläre
Lawsonieninfektion und die damit assoziierte Erkrankung entwickeln können. Bis heute ist über die Abläufe
innerhalb der ersten 5 Tage post infectionem wenig bekannt. Vermutet wird, dass die Anwesenheit einer
bestimmten Darmflora die Pathogenität von Lawsonia intracellularis beeinflusst, indem sie das
Oxidations-Reduktionspotenzial im Darm oder die Teilungsrate der Enterozyten modifiziert.
Zehn Tage post infectionem haben sich die Lawsonien deutlich vermehrt und befinden sich innerhalb der
Kryptepithelzellen der Darmzotten. Dort rufen die Erreger eine hyperplastische Reaktion hervor, die
offenbar mit der Zunahme intrazellulärer Bakterien im Zusammenhang steht. Die Rückbildung dieser
pathologischen Veränderungen ist eng verknüpft mit der Reduktion der Anzahl intrazellulärer Bakterien.
In einem Review beschreibt McOrist (1994) einen möglichen Mechanismus, über den der Erreger diese
Veränderungen induziert. Die proliferierenden Enterozyten zeigen eine schwache Expression von MHC-Klasse
II-Molekülen, was möglicherweise eine Unterdrückung der Immunantwort zur Folge hat. Das so entstehende
Defizit infizierter Enterozyten, Antigen zu präsentieren, kann schließlich eine Art geschützte Nische für
Wachstum und Teilung von Lawsonia intracellularis darstellen.
Die Ausbreitung von Lawsonia intracellularis innerhalb des Darms erfolgt hauptsächlich durch infizierte
Zellen. Der Erreger dringt zunächst in die Kryptepithelzellen ein und teilt sich intrazellulär. Die
infizierten Kryptepithelzellen schieben sich schließlich nach dem Muster der physiologischen Epithelerneuerung
zur Epitheloberfläche. Die Abstoßung infizierter Zellen aus dem Epithelzellverband führt dann zu einer
Kolonisierung der distal der Primärläsion gelegenen Darmabschnitte und mündet letztlich auch in der
Ausscheidung des Erregers über den Kot. Da Hochgradigkeit und Konfluenz der Läsionen nach distal zunehmen,
scheint sich die Infektion von den oberen Darmabschnitten aus absteigend in Richtung der unteren
Darmabschnitte zu entwickeln.
Der Prozess des Zelleintritts der Erreger ist abhängig von der Zellaktivität. Bei Anwesenheit spezifischer
Antikörper ist die Aufnahme des Erregers in die Zellen vermindert. Deshalb wirken Medikamente, die das
Zellwachstum hemmen, gleichzeitig auch der intrazellulären Multiplikation des Erregers entgegen. Infizierte
Darmzellen behalten ihre Teilungsfähigkeit auch bei sehr starkem Befall mit Lawsonien. Dies hat zur Folge,
dass bereits zwischen Tag 2 und Tag 6 nach der Inokulation des Erregers mehr als 90 % der Zellen infiziert
sein können. Das Ausmaß der Infektion hängt entscheidend von der Anzahl der Bakterien im Inokulum ab.
Mischinfektionen mit Lawsonia intracellularis und anderen darmpathogenen Erregern werden beschrieben. Man
vermutet, dass der eine oder andere pathogene Erreger die Immunantwort modifiziert und somit eine Prädisposition
für eine Mischinfektion schaffen. Der Verlust von Becherzellen und das dadurch bedingte Fehlen der mechanischen
Schleimbarriere an der Schleimhautoberfläche, also einer der ersten Verteidigungslinien des Darms, tragen zu
einer erhöhten Infektionsanfälligkeit bei.
Auch die schwache Expression der MHC-Klasse II Moleküle der proliferierenden Enterozyten und damit das Defizit
infizierter Enterozyten, Antigen zu präsentieren, macht diese Enterozyten für Sekundärinfektionen zusätzlich
empfänglich. Bei Beeinträchtigung der Funktionalität der Enterozyten wird der Futterbrei im Dünndarm nicht
vollständig aufgeschlossen und die Nährstoffe werden nicht gänzlich resorbiert. Diese Nährstoffe können im
Dickdarm zu bakteriellen Imbalancen führen und ebenfalls Sekundärinfektionen fördern.
Die physiologische Darmzotten- und Darmkryptenstruktur wird bei einer Ileitis in zunehmendem Maße durch
proliferative, unreife Epithelzellen verdrängt. Die Folge ist eine stark ausgeprägte Verdickung des Ileums.
Dabei kommt es zu einem Verlust der Zottenarchitektur und häufig zur Bildung verlängerter und verzweigter
Krypten. Betroffene Krypten sind von unreifen Epithelzellen ausgekleidet, und es fällt ein ausgeprägter
Rückgang beziehungsweise Verlust von Becherzellen auf.
Bei der akuten Form der Porzinen Proliferativen Enteropathie entwickelt sich eine akute entzündliche
Reaktion in der Lamina propria und in der Submukosa. Makrophagen werden entlang freier Lawsonia
intracellularis-Bakterien im apikalen Zytoplasma gefunden.
Bei der unkomplizierten Form der Ileitis kommt es zu einer Rückbildung der Infektion und zur Clearance
der Bakterien in dem Maße, in dem die Hyperplasie zurückgeht. Gesunde Zellen regenerieren sich aus den
Krypten heraus, vermehren sich und bauen allmählich wieder eine physiologische Zottenstruktur auf. Darüber
hinaus ist diese Regeneration gekennzeichnet durch eine Degeneration von Epithelzellen, Apoptose von
Makrophagen und die Neubildung von Becherzellen.
Liegt die Infektion einige Wochen zurück, sind zum Zeitpunkt der Schlachtung unter Umständen keinerlei
makroskopische Befunde mehr nachweisbar. Werden bei der Schlachtung also keine Läsionen im Darm gefunden,
so bedeutet dies nicht, dass keine Ileitis vorgelegen hat. Jüngste Forschungsergebnisse zeigen, dass
makroskopische und mikroskopische Befunde, sowie positive PCR- und IgA-Tests im Darm nur zwischen 11 und 35
Tagen nach einer experimentellen Infektion mit Lawsonia intracellularis nachweisbar sind.
Die Reaktion des Immunsystems auf eine Infektion durch Lawsonia intracellularis
Über die humorale und die zellvermittelte Immunantwort bei Schweinen nach einer Lawsonia
intracellularis-Exposition ist nur wenig bekannt. Serum-IgG wird routinemäßig mit Hilfe von IFA
oder IPMA nachgewiesen. Meist setzt die Serokonversion zwei Wochen nach der Infektion ein. In
Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei Lawsonia intracellularis um einen obligat intrazellulären
Erreger im Darmepithel handelt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass Serum-IgG wirksam gegen die Infektion
schützen kann. Eine sehr viel wichtigere immunologische Rolle dürften dagegen sekretorisches IgA und
zellvermittelte Immunreaktionen spielen. Dennoch spiegelt der Nachweis von IgG im Serum den Beginn einer
immunologischen Reaktion des Organismus gegen den Erreger wider. Der Beginn der Serokonversion ist
letztlich abhängig von der Infektionsdosis im Inokulum.
Abbildung: Einleitung der Serokonversion nach Infektion durch Lawsonia intracellularis
IPMA-Ergebnisse für Serum-IgG gegen Lawsonia intracellularis bei Schweinen. Guedes and Gebhart / Vet. Microb. 91 (2003) 135-145
Die Ergebnisse europäischer Impfstudien mit Enterisol® Ileitis zeigen eine geringgradige Reaktion im IFA und IPMA auf Serum-IgG.
Die zellvermittelte Immunantwort ist ein wichtiger Abwehrmechanismus des Körpers gegen Infektionen durch intrazelluläre Erreger.
Die Evaluierung zellvermittelter Immunreaktionen erfolgt mit Hilfe des ELISPOT-Assays, der die Sekretion von gamma-Interferon (IFN-Y)
durch Memory-T-Zellen oder aktivierte T-Lymphozyten nachweist. Jüngste Studien von Guedes und Gebhart (2003) sowie von MacIntyre,
Smith, Shaw, Thomson und Rhind (2003) bringen etwas mehr Licht in die zellulären Immunreaktionen im Zusammenhang mit Lawsonia
intracellularis-Infektionen.
Abbildung: Immunantwort auf eine Belastungsinfektion durch Lawsonia intracellularis
Frei nach: MacIntyre, Smith, Shaw, Thomson und Rhind / Vet. Path. 40:4 (2003)
Die Autoren schlossen aus ihren Ergebnissen, dass eine Unterdrückung der T-Zellen, insbesondere der CD3+ und CD8+ Zellen im
Zottenepithel, die Unfähigkeit des Wirts widerspiegelt, eine zelluläre Antwort auf das intrazelluläre Pathogen Lawsonia intracellularis aufzubauen. Dies führte zur Hypothese einer mit der Erkrankung assoziierten Downregulation intraepithelialer Lymphozyten.
In hyperplastisch veränderten Krypten wurde eine größere Anzahl Makrophagen gefunden als in zwar infizierten, aber nicht hyperplastischen Krypten. Diese massive Infiltration durch aktivierte Makrophagen, die ihren Peak an Tag 14 erreicht, könnte der Schlüsselfaktor für die Entwicklung der hämorrhagischen Form der Erkrankung sein. Die Abnahme der B-Zellen ist in Anbetracht der nachweisbaren Akkumulation von IgA in den Enterozyten ein eher unerwarteter Befund. Es handelt sich hierbei um ein Phänomen, dass auch von anderen Autoren beobachtet wird, eine Erklärung hierfür gibt es bisher nicht.
Es bleibt festzuhalten, dass die Antwort des Immunsystems auf eine intrazelluläre Infektion, zum Beispiel durch Lawsonia intracellularis, bis heute nicht ausreichend geklärt ist und einer der zentralen Forschungsbereiche in der Zukunft sein dürfte.
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