Das aktuelle Interview: Gefahr der Resistenzübertragung zwischen Tier und Mensch häufig überschätzt

schneidereit_200(BfT) – Auch wenn in diesem Jahr der Markt für Antibiotika seit langer Zeit erstmals stagnierte, gehört deren Einsatz in der Nutztierhaltung neben der Impfung zu den bedeutendsten Maßnahmen zur Gesunderhaltung der Tiere. Parallel dazu nimmt die Diskussion über antimikrobielle Resistenzen in der Arbeit der Tiergesundheitsindustrie einen sehr hohen Stellenwert ein. Der Blickpunkt sprach mit Dr. Martin Schneidereit, Geschäfts-führer des Bundesverbandes für Tiergesundheit e.V., über den aktuellen wissenschaftlichen Stand zum Thema Resistenzen und über den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika.

Blickpunkt: Hat sich der Einsatz von Antiinfektiva bei landwirtschaftlichen Nutztieren in den letzten Jahren qualitativ und quantitativ verändert?

Dr. Schneidereit: Man muss vorausschicken, dass beispielsweise der Schweinebestand in Deutschland stark gewachsen ist. Seit den neunziger Jahren hat die Zahl der geschlachteten Schweine um 15 Millionen zugenommen. Dadurch erhöht sich natürlich auch die Gesamtzahl der potenziell erkrankten Tiere. Etwa die Hälfte der Gesamtmenge an Veterinärantibiotika entfiel laut Mengenschätzung aus dem Jahre 2005 auf die Gruppe der Tetrazykline, gefolgt von Beta-Lactamen, Sulfonamiden, Makroliden und Aminoglykosiden.

Bei den Tetrazyklinen ergab sich aufgrund des Auslaufens von einzelnen Zulassungen ein deutlicher Rückgang um mehr als 10 Prozent. Andererseits haben die sinkenden Preise bei Amoxicillin-Präparaten zum vermehrten Einsatz von Wirkstoffen dieser Gruppe beigetragen.

Gleichzeitig führten neuere, hoch wirksame Wirkstoffgruppen wie Doxyzyklin oder Chinolone und neuere Cephalosporine zu einer Verringerung der eingesetzten Antibiotikamengen. Neu entwickelte lang wirksame Retardformulierungen haben im Ferkelbereich auch zu einer vermehrten Anwendung von Injektionsantibiotika geführt, die in erheblich geringeren Volumina je Tier verabreicht werden müssen.

Blickpunkt: Wie begleitet der Verband die Fragestellung „antimikrobielle Resistenzen“?

Dr. Schneidereit: Der verantwortungsvolle Umgang mit Antibiotika ist beim Verband seit vielen Jahren ein Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit der Firmen. Das zentrale Projekt der vergangenen Jahre war das gemeinsame Forschungsprojekt BfT/BVL-GermVet, ein Monitoringprogramm zur Einschätzung der Resistenzlage der wichtigsten Infektionserreger bei landwirtschaftlichen Nutztieren und Hobbytieren.

„Fakten belegen die sehr gute Wirksamkeit von Antibiotika und ein niedriges Resistenzniveau für veterinärpathogene Keime.“

Für den größten Teil der veterinärpathogenen Keime zeigte sich ein niedriges Resistenzniveau, verbunden mit einer sehr gut erhaltenen Wirksamkeit der zugelassenen antibiotischen Wirkstoffe, auch bei Wirkstoffen, die zum Teil seit Jahrzehnten in der Tierhaltung eingesetzt werden. Mit diesen Untersuchungen konnte die oft postulierte Bedrohung durch hohe Resistenzraten in der Veterinärmedizin durch Fakten widerlegt werden.

Blickpunkt: Welche Maßnahmen des Risikomanagements sind aus Ihrer Sicht geeignet, das Resistenzniveau weiterhin niedrig zu halten?

Dr. Schneidereit: Die konsequente Anwendung von Antibiotikaleitlinien halten wir für die effektivste Maßnahme zur Begrenzung von Antibiotikaresistenzen. Dazu gehören vor allem die bestimmungsgemäße Anwendung streng nach zugelassener Dosierung, Dauer und Indikation sowie die sachgemäße Anwendung von Antibiotika, die in keinem Falle als Ersatz für mangelnde Stallhygiene dienen darf. Auch die Resistenzlage beim Tier bzw. im Bestand muss bekannt sein. Präventive Maßnahmen wie verbesserte Stallhygiene oder systematische Impfprogramme können ebenfalls dazu beitragen, den Antibiotikaeinsatz auf das Notwendige zu beschränken.

„Neue Impfstoffe haben zu einem deutlich gesunkenen Antibiotikaeinsatz geführt.“

So hat beispielsweise der Einsatz der neu entwickelten Circo-Impfstoffe beim Schwein zu einer erheblichen Reduktion der bakteriellen Sekundärinfektionen und damit zu einem deutlich gesunkenen Antibiotikaeinsatz geführt.

Blickpunkt: Sehen Sie im Zusammenhang mit der Diskussion über Methicillin resistente Staphylococcus aureus (MRSA) die Notwendigkeit, Empfehlungen zum Einsatz oder zur Verwendung von Antiinfektiva bei Nutztieren auszusprechen?

Dr. Schneidereit: Bei verschiedenen Nutztieren, insbesondere beim Schwein, aber auch bei Lebensmitteln tierischen Ursprungs wird seit einigen Jahren vermehrt MRSA, insbesondere Typ ST398 nachgewiesen. Ein therapeutisches Problem in der Tiermedizin besteht nicht. Auch in der Humanmedizin ist ST398 bisher nicht als besonderer Problemkeim aufgefallen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat kürzlich eine Stellungnahme veröffentlicht, die besagt, dass sich keine Hinweise für ein erhöhtes MRSA-Risiko durch Fleischverzehr oder durch Kontakt bei der Lebensmittelverarbeitung oder -zubereitung ergeben haben. Insgesamt wird nach unserer Überzeugung die Gefahr der Resistenzübertragung zwischen Tier und Mensch von der Öffentlichkeit weit überschätzt.