Neue WHO-Leitlinien zu medizinisch wichtigen antimikrobiellen Mitteln bei Lebensmittel produzierenden Tieren vernachlässigen „One Health“-Argumentation und die Anstrengungen in der Tiermedizin

Bonn (BfT) – Die jüngst von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) neu veröffentlichten Leitlinien zur Anwendung von humanmedizinisch wichtigen Antibiotika bei Lebensmittel produzierenden Tieren tragen dem „One-Health“-Ansatz keine Rechnung und ignorieren die Bedeutung gesunder Tiere für sichere Lebensmittel sowie eine nachhaltige Landwirtschaft. AnimalhealthEurope und der deutsche Schwesterverband, Bundesverband für Tiergesundheit (BfT) sind enttäuscht, dass die WHO, entgegen vorhergehender Aussagen zu einem kooperativen und koordinierten Ansatz, die Einschätzung der Welttiergesundheitsorganisation (OIE), zu wichtigen Antibiotika für die Tiergesundheit außer Acht lässt und Fortschritte durch den „One Health“-Aktionsplan der EU ignoriert.

„Die WHO-Liste sei unzureichend detailliert und nicht adäquat mit Blick auf die Notwendigkeit, bakterielle Infektionen bei Tieren zu kontrollieren. Einige Empfehlungen scheinen der OIE-Liste z.B. mit Blick auf die Bedeutung von 3. und 4. Generation Cephalosporinen, Chinolonen oder Makroliden, zu widersprechen. Diese einseitige Betrachtung ignoriert die Fortschritte, die durch den „One Health“-Aktionsplan der EU erzielt wurden“, sagte Roxane Feller, Generalsekretärin von AnimalhealthEurope.
Die Tierarzneimittelindustrie in Europa hat es sich zum Ziel gesetzt, eine aktive Rolle bei der Bewältigung der globalen gesundheitlichen Herausforderung der Antibiotikaresistenz und ihren Konsequenzen für die Gesundheit von Mensch und Tier einzunehmen. Die Tiergesundheitsindustrie unterstützt den „One Health“-Ansatz der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zur Kategorisierung von wichtigen Antibiotika, der sorgfältig die Bedürfnisse der Tiergesundheit und des Tierschutzes berücksichtigt, bei gleichzeitigem Schutz der öffentlichen Gesundheit.

In der Veterinärmedizin besteht ein Bündel von Maßnahmen. Diese reichen von der Erfassung der verbrauchten Antibiotikamengen, über Leitlinien zur Abgabe und Anwendung sowie auch Einschränkungen bis hin zum Resistenzmonitoring und der Erfassung von Resistenzdaten bei der Zulassung von Tierarzneimitteln.

Mit der Einführung des Antibiotikaminimierungskonzeptes in Deutschland wurden weitere Maßnahmen ergriffen, die zu einer deutlich rückläufigen Antibiotikanutzung in der Veterinärmedizin führen. Die Abgabemengen von Antibiotika an Tierärzte haben sich seit 2011 um fast 57% reduziert. Der Anteil der für die Humanmedizin sehr wichtigen Antibiotika beträgt dabei weniger als 1,1 Prozent. Der von der WHO beanstandete Einsatz von Antibiotika als Leistungsförderer ist in Deutschland und Europa schon seit 2006 verboten.

Der BfT wird sich auch weiterhin für einen verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika einsetzen. Zugelassene Antibiotika aus verschiedenen Wirkstoffklassen sind jedoch für eine sachgerechte Therapie in der Humanmedizin wie Tiermedizin gleichermaßen notwendig. Einen Vorbehalt bestimmter Antibiotikaklassen für die humanmedizinische Anwendung und vor allem die Erwägung eines Verbotes von heute für die Tiermedizin verfügbaren, geprüften und zugelassenen Mitteln, sind im Hinblick auf die ohnehin beschränkten Therapieoptionen in der Tiermedizin nicht sinnvoll. Anwendungsbeschränkungen von bestimmten Antibiotikaklassen müssen auf fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Eine pauschale Reduktion der Antibiotikaanwendung, insbesondere bei gleichzeitiger Einschränkung der verfügbaren Wirkstoffe führt nicht automatisch zu der gewünschten Vermeidung bestimmter Resistenzen. Das Gegenteil kann bewirkt werden, wenn z.B. erforderliche Dosierungen oder die notwendige Behandlungsdauer zum Zweck der Reduktion unterschritten werden.

„Wesentlich ist es, Antibiotika zielgerichtet einzusetzen, um zur Resistenzvermeidung und zur Lebensmittelsicherheit beizutragen“, so Sabine Schüller, Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Tiergesundheit.