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Individuelle Risikobewertung für Wurmbefall bei Hunden und Katzen

von Prof. Thomas Schnieder

„Maßnahmen zur Bekämpfung von Würmern sollten nach individuellen Voraussetzungen des Tieres ausgewählt werden.“ So steht es in der kürzlich veröffentlichten ESCCAP-Empfehlung zur Bekämpfung von Würmern bei Hunden und Katzen. Was aber heißt das für die Praxis? Muss nun für jedes Tier ein aufwändiges Anamnesegespräch und eine wissenschaftliche Auswertung vorgenommen werden, bevor eine Wurmkur abgegeben wird?

Warum muss ich welches Tier wie oft gegen welche Würmer behandeln? Eine Antwort auf diese zentralen Fragen ist das, was in der Praxis wirklich gebraucht wird. Es ist nicht notwendig Hunderte von Würmern mit ihren Entwicklungszyklen zu kennen, es reicht aber auch nicht aus, alle Patienten pauschal „vor der Impfung“ oder „im Frühling und Herbst“ zu entwurmen. ESCCAP möchte daher helfen, einerseits nicht aus jeder Entwurmung eine Wissenschaft zu machen, andererseits die Routine so vorzunehmen, dass sie sachgerecht, sinnvoll und effektiv ist.

Wie gefährdet ist ein Tier?

Möchte man das individuelle Infektionsrisiko eines Tieres einschätzen, um daraus Art und Umfang geeigneter Maßnahmen abzuleiten, muss man sich kurz verdeutlichen, wie sich das Tier eigentlich anstecken kann. ESCCAP empfiehlt, sich dabei in der Praxis in Deutschland auf folgende Würmer zu konzentrieren: die Spulwürmer Toxocara canis und T. cati, Hakenwürmer, sowie Bandwürmer wie Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm) und E. granulosus (Hundebandwurm). Die Begründung für diese Fokussierung ist, dass es sich dabei um die Würmer handelt, die hierzulande besonders verbreitet sind, die Gesundheit von Hund und Katze ernsthaft gefährden oder auf den Menschen übertragen werden können.

Für die individuelle Risikobewertung muss eingeschätzt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass Hund oder Katze sich mit eben diesen Würmern infizieren. Dazu noch einmal die Infektionswege in Kurzform: Mit Spul- und Hakenwürmern können sich Hund und Katze bereits über die Muttermilch anstecken, bei Hundewelpen ist sogar schon eine Ãœbertragung mit T. canis im Mutterleib möglich. Später infizieren sich die Tiere, indem sie Wurmeier, die von anderen Tieren mit dem Kot ausgeschieden wurden, oral aufnehmen oder z.B. infizierte Mäuse fressen. Mit dem Fuchsbandwurm stecken sich Hunde und Katzen ebenfalls an, indem sie wilde Nagetiere und darin enthaltene Finnen fressen. Die Gefahr einer Infektion mit dem Hundebandwurm ist vor allem dann gegeben, wenn Hunde mit rohem Fleisch, insbesondere Innereien wie Lunge oder Leber ernährt werden, das zuvor nicht ausreichend erhitzt (10 Min., Kerntemperatur 65° C) oder gefroren (1 Wo. – 17 bis – 20° C) wurde.

Entscheidend ist also, zu klären, welche dieser Übertragungswege für den Patienten in Frage kommt? Und für diesen Zweck sind meist nur einige wenige Fragen notwendig, z.B. zu:

  • Alter des Tieres
  • Form des Auslaufs, z.B. kontrolliert, unbeaufsichtigt
  • Art und Häufigkeit des Kontaktes zu anderen Tieren
  • Nutzung des Tieres z.B. als Jagdhund, Zuchthündin, Hofhund
  • Ernährung
  • Jagen/Fressen von Nagetieren
  • Haltung z.B. Wohnungskatze, Zwinger, Rudel
  • Fazit: Konkrete Maßnahmen

    Eine solche Anamnese lässt zwar keine exakte Aussage über das individuelle Infektionsrisiko eines Tieres zu, sie ermöglicht aber eine sehr gute Einschätzung, die als Basis für eine sachgerechte Empfehlung zu Art und Anzahl sinnvoller Schutzmaßnahmen dienen kann. Exakte Aussagen über die Situation eines Tieres lassen sich jedoch nur über wiederholte Kotuntersuchungen machen.

  • Kann das individuelle Risiko eines Tieres nicht eingeordnet werden, sind mindestens 4 Behandlungen pro Jahr zu empfehlen.
  • Hunde, die rohes Fleisch und Innereien erhalten, das/die zuvor nicht ausreichend erhitzt oder gefrorenen wurde, sollten alle 6 Wochen gegen Bandwürmer behandelt werden.
  • Für Hunde und Katzen, die regelmäßig unbeaufsichtigten Auslauf haben, zur Jagd geführt werden, wilde Nagetiere oder Aas fressen, ist eine monatliche Entwurmung gegen Bandwürmer empfohlen.
  • In Einzelfällen kann eine monatliche Entwurmung auch gegen Spulwürmer sinnvoll sein (z. B. bei hohem Infektionsrisiko und engem Kontakt mit Kleinkindern), da so ein Ausscheiden infektiöser Spulwurmeier, an denen sich der Mensch anstecken kann, weitgehend ausgeschlossen werden kann.
  • Hundewelpen sollten beginnend im Alter von 2 Wochen, Katzenwelpen im Alter von 3 Wochen gegen Spulwürmer entwurmt werden. Anschließend wird die Behandlung in 2-wöchigen Abständen bis 2 Wochen nach Aufnahme der letzten Muttermilch wiederholt.
  • Säugende Hündinnen und Katzen sollten gleichzeitig mit der ersten Behandlung ihrer Jungen gegen Spulwürmer behandelt werden.
  • Trächtige Hündinnen können um den 50. Tag der Trächtigkeit mit einem hierfür geeigneten Präparat gegen Spulwürmer behandelt werden, um eine Infektion der Welpen im Mutterleib zu verhindern.
  • Kommen Infektionen mit Spul-, Haken- und Bandwürmern vor, kann die Behandlung gegen diese Wurmarten kombiniert in einer Entwurmung vorgenommen werden.
  • Die ESCCAP-Empfehlung soll helfen, Hunde und Katze individuell sachgerecht zu entwurmen, ohne daraus eine Wissenschaft zu machen. Denn in der Praxis gilt es einen goldenen Mittelweg zwischen schlecht gemachter Routine und unrealistischem, aber wissenschaftlich korrektem Vorgehen zu finden. Ziel der ESCCAP-Empfehlung ist eine gute gemachte Routine, die voraussetzt, dass das individuelle Risiko eines Tieres, mit Würmern infiziert zu sein, anhand weniger, gezielter Fragen sachgerecht eingeschätzt wird.


    Thomas Schnieder ist Direktor des Instituts für Parasitologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Vorsitzender von ESCCAP Deutschland. Er ist Leiter der Fachgruppe Parasitologie der DVG, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Parasitologie (DGP), Mitglied des Direktoriums der World Association for the Advancement of Parasitology (WAAVP) und Gründungsmitglied des European Veterinary Parasitology College (EVPC).

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