Mettbrötchen reloaded: Grüne lassen auf ESBL-Keime testen
Berlin (aho) – Wie schon einmal im Jahr 2013 hat die Grüne Bundestagsfraktion aktuell Ende April/Anfang Mai in 13 deutschen Städten 63 Proben von Wurstwaren auf sogenannte ESBL-Keime untersuchen lassen. ESBL steht für „extended-spectrum beta-lactamases“ und bezeichnet Enzyme, die ein breites Spektrum von Beta-Laktam-Antibiotika unwirksam machen. Bakterien, die diese Enzyme produzieren, werden dadurch unempfindlich (resistent) gegenüber wichtigen Wirkstoffen wie Cephalosporine der dritten und vierten Generation.
Bei der Untersuchung des Agrolab-Labors am Ammersee wurden bei zehn der Proben die ESBL-Keime nachgewiesen. In Völklingen war feine Teewurst auffällig, in Düsseldorf Salami. ESBL-Keime befanden sich auf Putenmettprodukten aus Supermärkten in Dortmund, Hamburg, Hannover, Potsdam und zweimal in Mainz. In Kiel sowie Potsdam konnte das Agrolab-Labor die Keime auf verzehrsfähigen Mettbrötchen nachweisen.
„Dieses System der Massentierhaltung produziert resistente Keime gegen Antibiotika, die wir als Menschen über das Wurstbrot zu uns nehmen. Das ist eine tickende Zeitbombe“, wird Grünen-Politikerin Bärbel Höhn in der Presse zitiert.
Wissenschaftler zweifeln
Unbeantwortet bleibt die Frage, ob derartige Keime tatsächlich für den Verbraucher relevant sind. Fast täglich wird Tierärzten und Landwirten von Politikern und der Laienpresse vorgeworfen, durch den Einsatz von Antibiotika, resistente Keime zu selektieren und so die Behandlung von erkrankten Menschen zu erschweren. Namhafte Wissenschaftler aus den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland widerlegen dies zumindest für sogenannte ESBL-Colibakterien (1).
Die Wissenschaftler verglichen die Ähnlichkeiten von ESBL- Keimen von Mensch und Tier. Dabei fanden beim Vergleich des Erbgutes große Unterschiede. Nur 1,2% der verglichenen Coli-Bakterien von Mensch und Tier zeigten eine Ähnlichkeit von nur 70%. Kein resistenter Tierkeim war mit einem resistenten Keim vom Menschen tatsächlich identisch.
Die Wissenschaftler empfehlen, die Ãœbertragung von ESBL-Keimen von Mensch zu Mensch zu reduzieren. Hierfür müssten Krankenhausabfälle und –abwässer sterilisiert werden.
Die Studie bestätigt Ergebnisse, die Humanmediziner des „Universitair Medisch Centrum“ (UMC) in Utrecht anlässlich eines Kongresses in Berlin (23nd European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (23nd ECCMID)) (2) vorgestellt hatten. Für ihre Untersuchungen hatten sie das Erbgut von ESBL-Keime beim Menschen mit denen beim Geflügel verglichen. Auch hier waren die ESBL-Keime nicht identisch.
Während Tierärzte mit einer bescheidenen Palette von zumeist seit Jahrzehnten genutzten Antibiotika Tiere in der Landwirtschaft erfolgreich behandeln, hat sich die Situation in deutschen Krankenhäusern deutlich verschlechtert. Dort haben sich auch durch Urlaubsreisende und Patienten aus der sogenannten „Dritten Welt“ und den Schwellenländern antibiotikaresistente Problemkeime angesiedelt, die durch Hygienemängel rasche Verbreitung finden.
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(1) Wu, G., Day, M.J.,Mafura, M.T., Nunez-Garcia, J., Fenner, J.J., Sharma, M., van Essen-Zandbergen, A., Rodriguez, I., Dierikx, C., Kadlec, K., Schink, A-K., Wain, J., Helmuth, R., Guerra, B., Schwarz, S., Threlfall, J., Woodward, M.J., Woodford, N., Coldham, N. & Mevius, D. (2013) Comparative analysis of ESBL-positive Escherichia coli isolates from animals and humans from the UK, the Netherlands and Germany. PLoS One 8(9): e75392. Doi:10.1371/journal.pone0075392
(2) M. de Been, J. Scharringa, Y. Du, J. Hu, Z. Liu, Y. Lei, Z. Cen, J.W.T. Cohen Stuart, A. Fluit, M.A. Leverstein-van Hall, M.J.M. Bonten, R. Willems, W. van Schaik
Whole genome sequence-based epidemiological analysis of ESBL-producing Escherichia coli.
23nd European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (23nd ECCMID)
27 – 30 April 2013, Berlin, Germany.
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