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„Kampfhunde“: Tierärzte fordern realistische Gefahrenprävention

Frankfurt am Main (ots) – Im Rahmen seines Jahreskongresses in Leipzig forderte der Bundesverband Praktischer Tierärzte e. V. (BPT) in seiner gestrigen Pressekonferenz wiederholt, dass Verordnungen zur Abwehr von Gefahren durch gefährliche Hunde auf das individuell gefährliche Tier abstellen müssen und keine Zwangsregelungen für ganze Rassen beinhalten dürfen. Die einzig vernünftige Prävention stellt eine bundeseinheitliche Verordnung für die Haltung und Betreuung, die Zucht und Aufzucht, die Ausbildung und den Handel von Hunden auf der Basis des Tierschutzgesetzes dar, um der Heranziehung aggressiver Tiere entgegen zu wirken.

Die „Schnellschuss-Vorordnungen“ haben Deutschland wiederholt gespalten: Hundefreunde auf der einen Seite, Hundefeinde andererseits, so Verbandspräsident Dr. Karlheinz Simon in seiner Zusammenfassung zur aktuellen Situation. Die unterschiedlichen Länderverordnungen mit ihren nicht eindeutigen Vorschriften haben zur Diffamierung von Millionen unauffälliger Hunde und deren Halter, zum Umsetzungschaos bei den ausführenden Behörden und darüber hinaus zu „touristischen Hundegrenzen“ innerhalb Deutschlands geführt. Simon wies ausdrücklich auf das Vollzugsdefizit der Behörden hin, das Vorfälle wie in Hamburg erst möglich gemacht hat.

„Die erlassenen Verordnungen kurieren nicht einmal die Symptome und lösen das Problem nicht“, betonte Vizepräsident Dr. Heinrich Grußendorf. „Sie erfassen nicht die Wurzel des Geschehens.“ Im Gegenteil, die Zwangsmaßnahmen verhindern die laut Tierschutzgesetz zu gewährleistende artgemäße Haltung und berühren den Tatbestand körperlichen Leidens (fehlende Bewegungsmöglichkeit, Behinderung der Regulierung der Körpertemperatur durch Hecheln). „Sie sind ethologisch kontraproduktiv, weil durch permanente Leinenführung Sozialkontakt verhindert wird“, erklärte die Tierärztin für Verhaltenstherapie, Christiane Quandt. Fehlender Sozialkontakt und Beschränkung des Bewegungsspielraumes sind aggressionsfördernde Elemente. Ethologisch führt Bewegungsmangel zu einer sinkenden Reizschwelle. Der Hund wird de facto aggressiver.

Deshalb fordert der BPT: * die Abschaffung der Rasselisten * die Aufhebung des generellen Leinenzwanges für Hunde ab einer bestimmten Körpergröße/eines bestimmten Gewichtes * eine Anzeigepflicht für auffällig gewordene Tiere * einen standardisierter Wesenstest für auffällig gewordene Tiere durch auf Verhaltenskunde spezialisierte Tierärzte * einen Sachkundenachweis von Haltern auffällig gewordener Hunde über Hundeverhalten, tierschutzrechtliche Vorschriften und Tiergesundheit * ggf. strenge, konsequente Reglementierung von Hunden, die als gefährlich begutachtet wurden und deren Halter.

Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gibt es keine „gefährlichen Hunderassen“ – es gibt gefährliche Hundeindividuen. Gleichwohl zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass ungeeignete Aufzuchtbedingungen in der Sozialisierungsphase zu mangelnder Ausbildung bestimmter Gehirnbereiche mit der Folge von Verhaltensstörungen der betroffenen Tiere führen, so die Vorsitzende der Gesellschaft für Tierverhaltenstherapie (GTVT) Dr. Heidi Bernauer-Münz. Aggression aus Unsicherheit aufgrund mangelnder Sozialisation ist neben falscher Erziehung die Hauptursache für Angriffe von Hunden auf Menschen.

Wirklich präventiv kann deshalb nur eine bundeseinheitliche Hundezuchtverordnung wirken, schlussfolgerte Grußendorf. Von Seiten des zuständigen Bundesministeriums wurde eine solche Regelung in Form einer bundeseinheitlichen Tierschutz-Hundeverordnung vorgelegt. Allerdings sind in dem vorgelegten Entwurf weitreichende Änderungen und Ergänzungen notwendig, damit neben den Aspekten des Tierschutzes auch die Gefahrenabwehr als wünschenswerter Nebeneffekt über diese Verordnung erleichtert wird. In einer gemeinsamen Aktion hat der BPT zusammen mit der Bundestierärztekammer, dem Bundesverband der beamteten Tierärzte, dem Deutschen Tierschutzbund und dem Verband des Deutschen Hundewesens diesbezüglich bereits im September an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie an die für den Tierschutz zuständigen Minister und Senatoren der Länder appelliert. In die Verordnungen sollten nach Auffassung der Fachverbände auf jeden Fall folgende Regelungen aufgenommen werden:

* Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht für alle Hunde * Haftpflichtversicherung für alle Hunde * Sachkunde-Nachweis und Dokumentationspflicht für jeden Züchter * Verbot von Massenzüchtungen * standardisierter Wesenstest für alle Zuchthunde * Sachkunde-Nachweis für Ausbilder * Regelungen zum Vollzug * Vorgaben zur medizinischen Versorgung

Darüber hinaus wären folgende Regelungen sinnvoll: * Sachkunde-Nachweis aller Hundehalter bzw. aller künftigen Hundehalter * oder gestaffelte Tarife („Bonussystem“) in der Haftpflichtversicherung ähnlich der Kfz-Versicherung (Vergünstigungen für Halter, die einen Sachkunde-Nachweis erbringen) * Pflichtunterricht in Grundschulen (3./4. Klasse) über Tierverhaltenskunde

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