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Beugen oder Strecken: Wie belastend ist die Hyperflexion für Pferdenacken?

(idw) – Zu Stress von Pferden im Training für den Reitsport gibt es kaum
wissenschaftliche Untersuchungen. Insbesondere die Position von Kopf und
Hals des Pferdes wird kontrovers diskutiert: Soll der Hals des Pferdes
beim Training vorwärts-abwärts gestreckt sein, oder soll bei der
sogenannten Hyperflexion der Hals des Pferdes extrem abgebeugt werden,
sodass der Kopf fast die Brust berührt? Das Team von Christine Aurich an
der Vetmeduni Vienna hat den Stress von Pferden in beiden
Trainingssituationen verglichen und erstaunlicherweise nur ganz wenige
Unterschiede gefunden. Die Ergebnisse werden in Kürze in der Zeitschrift
Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition erscheinen.

Diskussionen über die beste Methode, Pferde auszubilden, gibt es seit
Jahrhunderten. Unter dem Druck einer Petition mit über 40.000
Unterschriften gegen unnötiges Leiden von Pferden hat vor zwei Jahren
selbst die Internationale Reiterliche Vereinigung (FEI) die Hyperflexion
als Trainingsmethode verboten. Die FEI unterscheidet jedoch zwischen
Hyperflexion, die mit starker Krafteinwirkung des Reiters erzielt wird,
und einer als “low, deep and round” (LDR) bezeichneten Kopf-Hals-Position
des Pferdes, die ohne gewaltsame Hilfen erreicht wird. Wie eine
unerwünschte Hyperflexion vom erlaubten LDR-Training zu unterscheiden ist,
wurde aber nicht erläutert. Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe zur
Erarbeitung einer Definition eingesetzt.

Emotionale Diskussion

Die Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern der Hyperflexion wird
oft sehr emotional geführt, konnte bislang aber auf wenige
wissenschaftlich abgesicherte Daten zurückgreifen. Mareike Becker-Birck
aus der Arbeitsgruppe von Christine Aurich an der Veterinärmedizinischen
Universität Wien (Vetmeduni Vienna) hat nun den Stress von Pferden
verglichen, die entweder mit vorwärts-abwärts gestrecktem Hals oder in
Hyperflexion trainiert wurden. Der Stress der Tiere wurde vor, während und
nach dem Training an der Longe anhand der Konzentration des Hormons
Cortisol im Speichel der Pferde, der Herzfrequenz und kurzzeitiger
Herzfrequenzschwankungen analysiert. Zusätzlich wurde die Körpertemperatur
an der Hautoberfläche im Halsbereich gemessen.

Stress nicht besonders groß

Keines der getesteten Pferde zeigte während des Trainings Abwehrverhalten
gegen den Zügel. Die Freisetzung von Stresshormonen und die Herzfrequenz
nahmen im Training zu, die Herzfrequenzvariabilität sank ab. Diese
Veränderungen sind sowohl eine normale Stressreaktion als auch eine
Antwort auf mäßige körperliche Anstrengung. Das Stressniveau war nicht
besonders hoch und die Konzentration von Stresshormonen im Speichel war
weit geringer als beispielsweise bei Pferdetransporten oder beim Anreiten
junger Pferde.

Stressreaktion nahezu gleich

Und was viele überraschen wird – die Stressreaktion war unabhängig davon,
ob die Pferde in Hyperflexion oder unter “klassischen” Bedingungen in Vorw
ärts-abwärts-Haltung longiert wurden. Der einzige signifikante Unterschied
zwischen den Pferden betraf die Temperatur im vorderen Halsbereich. Dies
deutet darauf hin, dass bei Pferden in Hyperflexion die Durchblutung im
Hals möglicherweise ungleichmäßiger ist.

Von diesen eher geringen Effekten abgesehen, zeigen die Ergebnisse der
Studie, dass die Hyperflexion bei Pferden, die ohne Verwendung der
Peitsche in moderatem Tempo longiert werden, keine ausgeprägte
Stressreaktion bewirkt. Aus Sicht der Tiermedizin spricht daher derzeit
nichts gegen das Longieren von Pferden in moderater Hyperflexion.
Christine Aurich bleibt aber dennoch vorsichtig. “Unsere Untersuchung
zeigt, dass die Hyperflexion selbst das Pferd nicht besonders belastet.
Viele Ausbilder und Reiter trainieren aber mit länger anhaltender,
aggressiver Einwirkung auf das Pferd. Damit entsteht eine andere Situation
als in unserer Studie, und unsere Ergebnisse erlauben nicht die
Schlussfolgerung, dass die Hyperflexion auch unter dem Reiter stressfrei
und ohne negativen Einfluss auf Pferde ist”.

Der Artikel “Cortisol release, heart rate and heart rate variability, and
superficial body temperature, in horses lunged either with hyperflexion of
the neck or with an extended head and neck position“ von Mareike Becker-
Birck, Alice Schmidt, Manuela Wulf, Jörg Aurich, Armgard von der Wense,
Erich Möstl, Reinhold Berz and Christine Aurich erscheint in Kürze in der
Fachzeitschrift „Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition“. Die
Untersuchungen dafür wurden am Graf-Lehndorff-Institut, einer gemeinsamen
Forschungseinrichtung der Veterinärmedizinischen Universität Wien,
Österreich, und der Stiftung Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt
Neustadt (Dosse), Deutschland, durchgeführt.

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