Hoffnungsschimmer im Kampf gegen Eisenmangel
(idw) – Wissenschaftlern der ETH Zürich ist es gelungen, den Eisengehalt in
polierten Reiskörnern auf das Sechsfache zu steigern. Die Forscher
übertrugen dazu zwei pflanzliche Gene in eine bestehende Reissorte.
Die Pflanzen sollen dereinst den Eisenmangel insbesondere in
afrikanischen und asiatischen Entwicklungsländern lindern.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO leiden etwa zwei
Milliarden Menschen an Eisenmangel. Diese Menschen ermüden schnell,
können Schadstoffe im Körper nur ungenügend abbauen und erkranken über
längere Zeit an Blutarmut. Besonders davon betroffen sind Frauen und
Kinder in Entwicklungsländern, die sich hauptsächlich von Reis
ernähren. Denn die geschälten Reiskörner (polierter Reis) enthalten
nicht genügend Eisen und decken selbst bei hohem Konsum den
Tagesbedarf eines Menschen nicht. Eine ausgewogene Ernährung oder
Eisenpräparate sind für viele Menschen in diesen Ländern
unerschwinglich.
Im Reis steckt eigentlich viel Eisen – aber nur in der Hülle des
Reiskorns. Da ungeschälter Reis jedoch im tropischen und subtropischen
Klima schnell ranzig wird, muss man zur Lagerung die Reishülle samt
dem wertvollen Eisen entfernen. Wissenschaftler um Dr. Christof
Sautter und Prof. Wilhelm Gruissem im Labor für Pflanzenbiotechnologie
der ETH Zürich gelang es nun, den Eisengehalt in geschälten
Reiskörnern auf das Sechsfache zu steigern, indem sie zwei pflanzliche
Gene in eine bestehende Reissorte übertrugen. Ihre Arbeit stellen sie
in der aktuellen Online-Ausgabe des „Plant Biotechnology Journal“ vor.
Gene mobilisieren und speichern Eisen
Die Reispflanze produziert mit Hilfe der eingebrachten Gene vermehrt
das Enzym Nicotianamine-Synthase, welches das Eisen mobilisiert, und
das Eiweiss Ferritin, welches das Eisen speichert. Ihr Zusammenspiel
sorgt dafür, dass die Reispflanze mehr Eisen aus dem Boden aufnehmen
und dieses Eisen im Reiskorn anreichern und speichern kann. Das
Produkt der Nicotianamine-Synthase, das Nicotianamin, bindet das aus
dem Boden mobilisierte Eisen vorübergehend und macht das Eisen in der
Pflanze transportfähig. Ferritin ist in der Pflanze ebenso wie im
Menschen ein Depot für Eisen. Die Forscher haben die Aktivität der
eingefügten Gene so gesteuert, dass Nicotianamine-Synthase in der
ganzen Reispflanze gebildet wird, das Ferritin aber nur im Inneren des
Reiskorns. So wirkt sich das Zusammenspiel der beiden Gene positiv auf
den Eisengehalt des geschälten Reiskorns aus und steigert ihn im
polierten Korn bis auf das Sechsfache gegenüber der ursprünglichen
Reissorte.
Keine negativen Auswirkungen erwartet
Die ETH-Wissenschaftler versprechen sich viel von der neuen Reissorte.
Die Prototypen im Gewächshaus sind äusserlich nicht von normalen
Pflanzen zu unterscheiden und geben keinen Hinweis auf mögliche
Nachteile wie etwa Ernteverluste. „Als nächstes müssen wir in
Feldexperimenten prüfen, ob die Reispflanzen auch unter
landwirtschaftlichen Bedingungen bestehen können“, sagt Wilhelm
Gruissem. Der ETH-Professor sieht keine Gefahr, dass sich die
genveränderten Pflanzen negativ auf ihre Umwelt auswirken könnten.
Dass die Reispflanzen durch die verbesserte Eisenaufnahme etwa den
Boden auslaugen, ist für den Wissenschaftler unwahrscheinlich, denn
Eisen ist das häufigste metallische Element im Boden.
Vom landwirtschaftlichen Anbau noch Jahre entfernt
Bis der eisenhaltige Reis angebaut werden kann, müssen die Forscher im
Gewächshaus und im freien Feld viele Untersuchungen zur Biosicherheit
sowie agronomische Tests durchführen. Bis dahin sind die Prototypen
für einen landwirtschaftlichen Anbau nicht geeignet. Obwohl die neue
Reissorte bereits ernährungsphysiologisch wirksame Eisenmengen
enthält, möchte Gruissem den Eisengehalt in den Reiskörnen weiter
steigern. Denn viele Menschen, die an Eisenmangel leiden, können sich
nur eine Mahlzeit am Tag leisten. Gelänge es den Wissenschaftlern das
Eisen im Reiskorn auf das zehn bis zwölffache zu erhöhen, würde
bereits eine Reis-Mahlzeit ausreichen, um den täglichen Eisenbedarf
eines Menschen zu decken.
Die Erfahrungen mit dem Vitamin-A-haltigen „Goldenen Reis“, der an der
ETH Zürich und der Universität Freiburg i.Br. entwickelt wurde,
zeigen, dass es Jahre dauert, bis ein genveränderter Reis tatsächlich
angebaut wird. Die regulatorischen Hürden und die Kosten sind hoch, um
gentechnisch veränderte Pflanzen für die Landwirtschaft und
Konsumenten bereitzustellen. Das Ziel der ETH-Wissenschaftler ist,
Kleinbauern und Selbstversorgern den genetisch veränderten Reis
kostenlos zur Verfügung zu stellen.
Informationsdienst Wissenschaft – idw – Pressemitteilung
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), Claudia
Naegeli, 20.07.2009