Pestizide in Johannisbeeren – Eine „typische Sommermeldung“?
[Foto: 1.000 EUR Schaden. Landwirt Karl Varnholt klagt über unqualifizierte Greenpeace-Meldung]
Soest (kso) – Mit der Meldung über pestizidhaltige Johannisbeeren hat Greenpeace die Verbraucher in Alarmbereitschaft versetzt und für einen Einbruch der Absatzzahlen gesorgt. Die Warnung der politischen Non-Profit Organisation hallte bei vielen Magazinen und Zeitungen echoartig nach.
Wie stellt sich der Sachverhalt aus der Perspektive der Lebensmittelüberwachung des Kreises Soest und der Betroffenen dar? Was den Adressaten der Greenpeace-Meldung vermeintlich schützt, schadet diejenigen, die vom Verkauf der Obstsorte leben: Landwirt Karl Varnholt betreibt einen Obst- und Gemüsehof in Borgeln. Jährlich baut er rund einen Hektar mit den roten Früchten an und beliefert Rewe-Filialen und Wochenmärkte in Dortmund. Seit der Meldung sind die „Bestellungen einfach ausgeblieben, der Umsatz mit roten Johannisbeeren ist gegen null gegangen.“ Auf den Wochenmärkten ist der Absatz um zwei Drittel, in den Supermärkten sogar um 90 Prozent eingebrochen, klagt der Landwirt. Bestätigt wird das von vielen Lebensmittelmärkten im Kreisgebiet. Vielerorts werden Johannisbeeren nicht angerührt.
Bis zu neun, teils nicht für Johannisbeeren zugelassene, Pflanzenschutzmittel konnten, so Greenpeace, anhand von Laboruntersuchungen in den roten Früchten nachgewiesen werden. Dabei überschreitet keine einzige Substanz den zulässigen Richtwert! Zwar sind Dodin und Difenoconazol von der EU-Kommission für den Johannisbeerenanbau verboten. Dass die in Baden-Württemberg gezogenen Proben aber direkt mit den beiden Substanzen behandelt worden sind, bezweifelt Varnholt: „Ich wüsste nicht, wieso man neun verschiedene Mittel spritzen sollte. Jeder Bauer wird sich in Acht nehmen, illegale Pestizide anzuwenden. Dafür sind die Kontrollen durch die Qualitätssicherung und das Veterinäramt des Kreises Soest einfach zu streng. Pestizide können auch durch Abdrift, also durch Windverwehungen, auf die benachbarten Felder gelangen.“
Diese Meinung teilt auch Dr. Eberhard Büker, Sachgebietsleiter der Lebensmittelüberwachung beim Kreis Soest. Aufgrund der besonders hohen Dichte an Obst- und Gemüsebetrieben in der Soester Börde lässt er seine Lebensmittelkontrolleure verstärkt Proben entnehmen. Dr. Büker setzt bei den Intentionen für den Pestizideinsatz an: „Pflanzenschutzmittel werden doch in erster Linie verwendet, um, wie es der Begriff nahe legt, Pflanzen vor Pilzbefall und Insekten zu schützen. Welcher Verbraucher möchte schon Würmer in seinem Obst finden?“ Für ihn ist zudem die Greenpeace-Diskussion um „Pestizid-Cocktails“ von sekundärer Bedeutung: „Die EU-Kommission schreibt eindeutig vor, wie viel Pflanzenschutzmittel genutzt werden darf. Solange das Mittel nicht den zulässigen Richtwert überschreitet, bestehen keinerlei gesundheitliche Gefahren.“ Zur Erinnerung: Obschon jedes der nachgewiesenen Mittel die Höchstgrenze eingehalten hatte, waren die Pestizide von Greenpeace als „krebserregend und nervengiftig“ ausgewiesen worden.
Es ist ein simpler Vergleich, mit dem Dr. Eberhard Büker die Konsumenten aufzuklären versucht: „Wenn ein Landwirt sein krankes Kalb mit Antibiotika behandelt, so können später eventuell Spuren des Medikaments in dem Fleisch nachgewiesen werden.“ Die Intention des Landwirts besteht aber doch nicht darin, seinem Endprodukt und damit sich selbst Schaden zuzufügen. Vielmehr geht es um aktiven Schutz der Tiere, des Produkts und so in letzter Instanz um den Schutz des Verbrauchers, so Dr. Büker. „In diesem Prozess überprüfen wir, ob der Landwirt verantwortungsvoll und rechtlich korrekt mit dem Antibiotikum handelt.“
Dass das Bundesamt für Verbraucherschutz die Warnung von Greenpeace inzwischen zurückgewiesen und die Johannesbeeren als nicht gesundheitsschädlich ausgewiesen hat, ändert für Karl Varnholt wenig. Die übrig gebliebenen Beeren wird er für den Eigenbedarf versaften müssen. Der Schaden beläuft sich auf 1000 Euro, so der Landwirt. Für ihn ist die Nachricht eine typische Sommermeldung, „auf die die Kunden sofort reagieren. Das kann ich ihnen auch gar nicht verübeln. Selbst positive Nachrichten bezüglich Lebensmittel wirken sich negativ aus, weil sie die Käufer verunsichern. Für mich bedeutet die Greenpeace-Meldung Ärger zum Abschluss der Saison.“
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