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Expertenanalyse: Das Urteil im Schweinemastprozess

Als Kommentar zum Urteil des Landgerichts Regensburg vom 23.04.02 in der Strafsache Dr. Roland Fechter hat der Verteidiger Herr Michael Haizmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht, exklusiv für „animal-health-online“ eine erste Analyse erarbeitet.

Rechtsanwalt Haizmann führt aus:

Die wichtigsten Komplexe des Urteils, die – falls es rechtskräftig werden sollte – zu wesentlichen Konsequenzen im Bereich der Veterinärmedizin führen werden, sind folgende:

1. Freier Mitarbeiter

Das Landgericht hat Herrn Dr. Fechter wegen unerlaubten Handelteibens mit Arzneimitteln in mehreren hundert Fällen verurteilt mit der Begründung, er habe mit der Absicht, Gewinne zu erzielen, aus seiner tierärztlichen Hausapotheke Arzneimittel an bei ihm beschäftigte freie Mitarbeiter abgegeben.

Besonders problematisch ist dies im Fall des Tierarztes Dr. Ebner. Dieser war als freier Mitarbeiter in der Praxis Dr. Fechter beschäftigt, hatte dort ein eigenes Büro, war in die Praxisstruktur eingebunden, nahm an den wöchentlich stattfindenden Dienstbesprechungen teil und hatte Weisungsbefugnis gegenüber den Angestellten. Er betreute Patienten der Praxis im gesamten Bundesgebiet. Im Rahmen seiner Tätigkeit entnahm er – wie die angestellten Tierärzte auch – seinen Bedarf an Arzneimittel aus der tierärztlichen Hausapotheke des Herrn Dr. Fechter. Er füllte hierzu jeweils einen internen Entnahmebeleg aus, auf dem er im einzelnen die von ihm benötigten Arzneimittel zusammenstellte. Diesen übergab er an das Apothekenpersonal, das die Medikamente heraussuchte und Herrn Dr. Ebner aushändigte. Herr Dr. Ebner gab diese Arzneimittel dann ihm Rahmen seiner Tätigkeit bei entsprechender Indikation an die Halter der von ihm behandelten Tiere bzw. Tierbestände ab – es handelte sich ausschließlichen um Tierhalter, die zum Kundenstamm der Praxis Dr. Fechter gehörten. Die Liquidation von tierärztlicher Leistung und Arzneimitteln erfolgte durch die Praxis Dr. Fechter als demjenigen, der nach außen formal als Erbringer der Leistung auftrat.

Grundlage der internen Abrechnung zwischen Dr. Ebner und Dr. Fechter war der Einkaufspreis der Arzneimittel, die Dr. Fechter seinerseits zu bezahlen hatte. Hierauf wurde ein Aufschlag von 20% vorgenommen und die Lohnkosten für einen weiteren Tierarzt sowie die Unkosten für das Herrn Dr. Ebner zur Verfügung gestellte Fahrzeug abgezogen.

Das Gericht hat hierzu die Auffassung vertreten, das unerlaubtes Handeltreiben mit Arzneimitteln vorliegt (§§ 95 Abs. 1 Nr. 4, 43 Abs. 4 AMG). Begründet wurde dies hauptsächlich mit der geschilderten Abrechnungsmodus, aber auch mit dem Hinweis, Dr. Ebner hätte eine eigene tierärztliche Hausapotheke betreiben müssen.

Nach meiner Auffassung ist das Urteil in diesem Punkt falsch. Herr Dr. Ebner hatte aufgrund seiner Tätigkeit als freier tierärztlicher Mitarbeiter der Praxis Dr. Fechter Verfügungsbefugnis an den Arzneimitteln der tierärztlichen Hausapotheke Dr. Fechters und konnte deswegen legal Medikamentenentnahmen vornehmen. Die Frage der internen Abrechnung ist insoweit irrelevant, das es für den Begriff der Abgabe allein auf die Übertragung der körperlichen Verfügungsgewalt ankommt und nicht den Zahlungsverkehr. Außerdem hatte Herr Dr. Ebner mangels Niederlassung überhaupt nicht die Möglichkeit, eine eigene tierärztliche Hausapotheke zu betreiben.

Sollte das Urteil in diesem Punkt rechtskräftig werden, bedeutet dies das Ende des freien Mitarbeiters im veterinärmedizinischen Bereich, weil kein Praxisinhaber bzw. Betreiber einer tierärztlichen Hausapotheke das Risiko eingehen wird, durch Beschäftigung eines freien tierärztlichen Mitarbeiters und der damit im Zusammenhang stehenden Überlassung von Arzneimitteln mit strafrechtlichen Ermittlungen überzogen zu werden. Auch die z. B. von den Tiergesundheitsdiensten praktizierte Form der Arzneimittelorganisation wie die Übertragung von Arzneimitteln aus der Zentralapotheke an die Geschäftsstellen wäre so nicht mehr möglich.

2. Gruppenpraxis

Die Praxis Dr. Fechter und ein in Miltach niedergelassener Tierarzt waren in Form einer Gruppenpraxis verbunden. Im diesem Rahmen haben sich beide Tierärzte wechselseitig an Wochenenden, zu Urlaubszeiten etc. vertreten. Herr Dr. Fechter hat hierzu aus seiner Apotheke in Straubing Arzneimittel mitgenommen und diese dann bei entsprechender Indikation an Tierhalter in Miltach abgegeben, deren Tiere er in Vertretung des dortigen Tierarztes behandelte. Diese Arzneimittel hat Herr Dr. Fechter seinem Gruppenpraxiskollegen zum Einkaufspreis berechnet, dieser wiederum hat Arzneimittel und ärztliche Leistung dem Tierhalter in Rechnung gestellt.

Das Gericht hat hierin eine unerlaubte Abgabe von Tierarzneimitteln gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 AMG gesehen. Arzneimittelabgaben dürften nur an Tierhalter erfolgen. Sollte das Urteil in diesem Punkt rechtskräftig werden, wird es keine Gruppenpraxisverträge mehr geben.

3. Bestandsuntersuchungen

Zum Patientenstamm des Dr. Fechter gehörte ein Mastbetrieb in Neumark mit einem Bestand von etwa 25000 Schweinen (Fa. Pelapro GmbH). Dr. Fechter war dort von Juli bis September 2000 (auch) betreuender Tierarzt und hat in diesem Zusammenhang Arzneimittel abgegeben. Herrn Dr. Fechter wurde insoweit vorgeworfen, Arzneimittel abgegeben zu haben, ohne den Bestand ausreichend untersucht zu haben. Dieser Vorwurf stützte sich nahezu ausschließlich auf die feindlich gesinnten und von Verdrängungswettbewerb geprägten Angaben der Tierärztin, die vor Dr. Fechter bei Pelapro tätig war und auch jetzt wieder betreuende Tierärztin ist.

Obwohl die Beweisaufnahme zweifelsfrei ergab, dass im genannten Zeitraum mindestens 9 – 10 Bestandsbesuche durch Dr. Fechter persönlich oder durch seine Mitarbeiter durchgeführt wurden, in deren Rahmen Untersuchungen erfolgten, die Klimatechnik und die Fütterungsanlage besichtigt wurden und obwohl ebenfalls nachgewiesen wurde, dass in diesem Bestand stets dieselben Routineerkrankungen aufgetreten waren, ist das Gericht zu einem Schuldspruch gelangt. Zur Begründung hieß es, dass die durchgeführten Bestandsuntersuchungen nicht ausreichend gewesen wären. Betriebe mit einem derart großem Bestand benötigten ein bis zwei Tierärzte, die ausschließlich diesen Bestand betreuen. Das Gericht folgte insoweit dem Sachverständigen Prof. Heinritzi, der dies entsprechenden angegeben hatte, obwohl seine eigene praktische Erfahrung nur bis Bestandsgrößen von 5000 bis 6000 Schweinen reiche. Er übergab dem Gericht Publikationen zum Problem der Bestandsuntersuchung aus den Jahren 1970 bis 1982, der er als „minimalia“ bezeichnete und die auch heute noch zu beachten seien.

Die Folge hieraus ist, dass die Frage, ob eine Bestandsuntersuchung ausreichend ist oder nicht, justiziabel geworden ist, obwohl selbst der Gesetzgeber nicht in der Lage war, einem Tierarzt vorzuschreiben, ob und gegebenenfalls wie häufig ein Tierarzt vor Abgabe von Arzneimitteln die zu behandelnden Tiere im Einzelfall untersucht haben muß (vgl. hierzu Zrenner/Paintner, § 12 TÄHAV, Seite 55).

4. Abgabe an andere Tierärzte

Das Gericht hat Herrn Dr. Fechter wegen unerlaubter Abgabe von Arzneimitteln in mehreren Fällen verurteilt (und zwar zu kurzen Freiheitsstrafen), weil er kollegialiter anderen Tierärzten mit Medikamenten ausgeholfen hat.

5. ASS

Dr. Fechter hat in den Jahren 1998 bis 2000 ASS in 344 Fällen an verschiedene Landwirte abgegeben. Nach unserer Auffassung war dies legal, weil insoweit ein Therapienotstand vorgelegen hat. ASS war zwar im fraglichen Zeitraum als Monosubstanz nicht zugelassen, es gab aber andere Arzneimittel, die ASS enthielten und die für lebensmittelliefernde Tiere zugelassen waren, nämlich Anivet plus oder Anisulf ASS, die allerdings neben ASS auch noch andere Wirkstoffe enthalten.

Prof. Heinritzi hat in seinem Gutachten die Voraussetzungen eines Therapienotstandes als gegeben angesehen, weil alle ASS-haltigen Mittel gespritzt werden müssen. Insbesondere bei größeren Beständen sei bei der Behandlung mittels Injektion mit Todesfällen zu rechnen (als Folge der Panik, in die Tiere geraten). Darüber hinaus sei es nicht sinnvoll, beim Einsatz von Kombinationsmitteln andere, nicht indizierte Wirkstoffe wie Antibiotika „mitzuschleppen“.

Prof. Ungemach hat in seinem Gutachten die Voraussetzungen eines Therapienotstandes verneint. Seine Auffassung zum Einsatz von ASS ist ja allgemein bekannt, nach seiner Meinung können vergleichbare Stoffe, insbesondere Metamizol eingesetzt werden.

Das Gericht hat Herrn Dr. Fechter auch in diesem Punkt verurteilt. Es folgte Prof. Ungemach und meinte, das Bewußtsein Dr. Fechters bezüglich des Einsatzes einer nicht zugelassenen Substanz würde sich daraus ergeben, dass er ASS in den Arzneimittelabgabebelegen als Desinfektionsmittel ausgewiesen habe. Dies entspricht den Tatsachen, Faktum aber gleichfalls ist, dass ASS desinfizierende Wirkung hat und darüber hinaus Salicylsäure und deren Salze im Anhang B5 zum AMG als Desinfektionsmittel aufgeführt sind.

Abgesehen davon, dass sich Prof. Ungemach mit seiner Auffassung zum Einsatz von ASS in Widerspruch zu den Antibiotikaleitlinien der BTK bzw. der ArgeVet setzt, an deren Erarbeitung er selbst mitgewirkt hat, hat der Schuldspruch in diesem Punkt weitreichende Konsequenzen für die Frage des Therapienotstandes, die auch bei vielen anderen Anklagepunkten von zentraler Bedeutung war.

Der Therapienotstand wurde als eng am Wortlaut des § 56a II AMG auszulegende Ausnahmeregelung auf die Ebene eines strafrechtlichen Rechtfertigungsgrundes gehoben. Das bedeutet, dass derjenige, der im Rahmen des § 56a II AMG ein nicht zugelassenes Medikament abgibt, den entsprechenden Straftatbestand objektiv und subjektiv erfüllt, aber ausnahmsweise gerechtfertigt ist und damit nicht rechtswidrig handelt.

Das Gericht hat den Therapienotstand verneint für den Einsatz von Nergen bei Kälbern und für den Einsatz von Metacam bei Schweinen.

6. Täterschaft des Praxisinhabers Dr. Fechter

Das Gericht hat Herrn Dr. Fechter weiterhin in einer Vielzahl von Fällen als Täter verurteilt, obwohl von den inkriminierten Arzneimittelabgaben nur ein Bruchteil durch ihn selbst vorgenommen wurden, die bei weitem überwiegende Zahl der Fälle betreffen Arzneimittelabgaben, die durch tierärztliche Mitarbeiter vorgenommen wurden. Dies ist eine reine Problematik des allgemeinen Teils des StGB und führt im Ergebnis dazu, dass ein Praxisinhaber für etwaige Verstöße seiner tierärztlichen Mitarbeiter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, was vorliegend aus dem „Vorrätighalten von Arzneimittel“ durch den Betreiber der Apotheke abgeleitet wurde.

Soviel als erstes Statement zum Urteil gegen Herrn Dr. Fechter. Welche Konsequenzen sich im einzelnen hieraus noch ergeben werden, ist derzeit noch nicht absehbar. Allerdings steht bereits heute fest, dass sich die strafrechtlichen Risiken für Tiermediziner drastisch erhöht haben.

„Eingebrockt“ hat sich dies die Tierärzteschaft teilweise selbst. An der Einleitung des Ermittlungsverfahrens waren auch Tierärzte, die sich durch Dr. Fechter als Wettbewerber benachteiligt fühlten, maßgeblich beteiligt. Neid und Mißgunst regiert die Welt.

Ich hoffe, dass es gelingen wird, dieses Urteil beim Bundesgerichtshof zu Fall zu bringen. Ich habe gegen das Urteil des LG Regensburg vom 23.04.02 Revision eingelegt, ebenso die Staatsanwaltschaft, die ihr Ziel, eine höhere Bestrafung und die Verhängung eines Berufsverbotes zu erreichen, weiterverfolgt.

Fest steht auch, dass der Fall Dr. Fechter ein Politikum bleiben wird. Bereits kurz nach Verkündung des Urteils, in dem bekanntlich von der Verhängung eines Berufsverbotes abgesehen wurde, meldete sich Bayerns oberster, christlich-sozialer Verbraucherschützer, Herr Minister Sinner sogleich zu Wort und kündigte die berufsrechtliche Überprüfung Dr. Fechters an. Bereits damit ist klar, welche Erfolgsaussichten Dr. Fechter haben wird, wenn er bei der zuständigen Bezirksregierung die Wiedererteilung der Approbation beantragt.

gez.
Michael Haizmann Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht

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