Humanmedizin: Fluorchinolone häufig grundlos verordnet
San Francisco / San Diego (aho) – Eine jetzt in den USA veröffentlichte Studie zur Anwendung von sogenannten Fluorchinolonen und anderen Breitspektrumantibiotika deckt einen erhebliche Mißbrauch in der Humanmedizin auf. Fluorchinolone (Gyrashemmer) gelten in der Humanmedizin als Reserveantibiotika, wenn Keime gegen andere Substanzen resistent sind. Amerikanische Wissenschaftler hatten für diese Studie die Krankengeschichten von 13.000 Patienten ausgewertet, die wegen einer Streptokokken-Lungenentzündung in ein Krankenhaus eingewiesen werden mußten. Nach diesen Untersuchungen wurden 30 bis 35 Prozent der Patienten ein Breitspektrum-Fluochinolon verordnet, obwohl eine Behandlung der Lungenentzündung mit einfachem Penicillin völlig ausreichend gewesen wäre. Diese Ergebnisse wurden kürzlich auf der Jahrestagung der „Interscience Conference on Antimicrobial Agents and Chemotherapy (ICAAC) in San Diego vorgestellt. Professor Joseph Guglielmo, Direktor des „Medical Center“ der „University of California“ in San Francisco warnte die Konferenzteilnehmer, daß ein ungebremster Verbrauch von Fluorchinolonen in der Humanmedizin Resistenzen befördere. Schon jetzt sei innerhalb weniger Jahre eine dramatische Zunahme von Fluorchinolon-resitenten Keimen zu beklagen. So sei die Empfindlichkeit von Coli-Bakterien bei Patienten mit Blaseninfektionen am „Medical Center“ von 97 Prozent im Jahre 1997 auf jetzt 79 Prozent gefallen. Noch dramatischer sei die Situation bei Menschen, die an der Lungenerkrankung „Mukoviszidose“ litten. Die Patienten müssten häufig Fluorchinolon-Tabletten einnehmen, um eine Begleitinfektion der Lunge mit dem Erreger „Pseudomonas aeurginosa“ zu bekämpfen. Innerhalb von zehn Jahren sei die Empfindlichkeit des Erregers von 95 Prozent auf etwa 62 Prozent gefallen.
Ähnliche Bedenken äußerten kürzlich eine Reihe von internationalen Experten anläßlich der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) in Heidelberg. Professor Martin Röllinghoff von der Universität Erlangen kritisierte, daß in Deutschland jede fünfte Verordnung von Antibiotika durch Humanmediziner unnötig sei. Weiter beklagten die Experten, dass Antibiotika zu wenig gezielt verordnet würden. Aus Kostengründen würde häufig auf einen Resistenztest verzichtet und sofort eine Breitbandantibiotikum verordnet, erläuterte Professor Hans-Guenther Sonntag aus Heidelberg. Auch dieser unkritische Einsatz führe zu verstärkten Resistenzentwicklungen.