Antibiotikaverbräuche in Human- und Veterinärmedizin: Was ist „viel“? Und wer verbraucht „viel“?
(aho) – Kaum eine Woche vergeht, in der nicht in der Laienpresse und von Politikern ein übermäßiger Einsatz von Antibiotika in der Veterinärmedizin beklagt wird. Dabei werden vom BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) – basierend auf eigene Erhebungen – Abgabemengen von 1.600–1.700 Tonnen pro Jahr gemeldet.
Exakte Daten für die in der Humanmedizin verordneten Antibiotikamengen liegen nicht vor. Im GERMAP-Bericht für 2012 wird von „rund 700 bis 800 Tonnen jährlich“ berichtet. Diese Hochrechnung basiert auf Daten für Baden-Württemberg aus dem Jahr 2002, in der nur die Verordnungen der Kassenärzte (GKV) erfasst wurden. Es fehlen die Verordnungen für privat versicherte Patienten.
Das Helmholtz Zentrum München spricht in seinem Informationsdienst von 1.600 Tonnen verbrauchten Antibiotika (Monopräparate) in 2007 in der Humanmedizin. Wenn man die jährlich von den Krankenkassen gemeldeten prozentualen Mehrverbräuche hinzurechnet, unterscheiden sich die Verbrauchsmengen in Human- und Veterinärmedizin nicht sonderlich.
Da Antibiotika von jeher in Abhängigkeit vom Körpergewicht dosiert werden, hat die aho-Redaktion einmal den Versuch unternommen, eine grobe (!) Abschätzung der Zahlen der möglichen Patientenzahlen und des zu behandelnden Körpergewichts zu berechnen.. Im Bereich Humanmedizin ist das recht einfach, da die Bevölkerungszahl Deutschlands mit rund 81,2 Mio. Menschen hinreichend genau bekannt ist. In der Auswertung wurde ein durchschnittliches Körpergewicht von 50 kg angesetzt, um Kleinkindern, schlanken Damen und stattlichen Herren gerecht zu werden.
Bei Tieren, deren Mastdauer bis zur Schlachtung nur Wochen bis Monate beträgt, wurde die jährliche Produktion angesetzt, da jedes neue Tier ein potentieller Patient ist. Hier wurden mittlere Körpergewichte angesetzt.
Wie Übersicht 1 zeigt, kann man mit aller Vorsicht von 4.060 Mio. Kilogramm menschlichem Körpergewichts ausgehen. Hierfür werden laut dem Helmholtz Zentrums rund 1.600 Tonnen Antibiotika angesetzt.
Übersicht 1: Menschen in Deutschland, Patienten und durchschittliches Gewicht
Menschen in Mio./ mögliche Patienten |
Ø Körpergewicht in kg |
Gesamt in Mio. kg |
||
Einwohner |
81,2 |
50,0 |
4.060,0 |
Bei Tieren sind dies 9.858 Mio. Kilogramm Körpergewicht, für die zwischen 1.600 und 1.700 Tonnen Antibiotika von Tierärzten verordnet werden.
Übersicht 2: Tiere in Deutschland, Nutzungsformen, Jahresproduktion und Körpergewichte
Tierart / Nutzungsform |
Bestand / Produktion in Mio. Tiere / mögliche Patienten |
Ø Körpergewicht in kg |
Gesamt in Mio. kg |
|
Rinder |
8,4 |
300,0 |
2.520,0 |
|
Milchkühe |
4,3 |
500,0 |
2.150,0 |
|
Mastschweine |
55,1 |
60,0 |
3.306,0 |
|
Sauen |
2,1 |
150,0 |
315,0 |
|
Schafe |
1,6 |
40,0 |
64,0 |
|
Broiler |
754,9 |
0,7 |
528,4 |
|
Puten |
30,2 |
10,0 |
302,0 |
|
Legehennen |
38,4 |
1,8 |
69,1 |
|
Hunde |
6,9 |
10,0 |
69,0 |
|
Katzen |
1,5 |
3,0 |
4,5 |
|
Pferde |
1,0 |
500,0 |
500,0 |
|
Summe
|
9.828,0 |
|||
Diese grobe (!) Annäherung zeigt, dass der Antibiotikaverbrauch je Kilogramm Körpergewicht in der Humanmedizin um den Faktor 2,5 höher ist als in der Veterinärmedizin.
Unberücksichtigt in dieser groben Abschätzung bleibt die Tatsache, dass in der Veterinärmedizin immer noch mit gutem Erfolg alte Antibiotika eingesetzt werden, die, wie z.B. die Tetracycline, in hoher Dosierung über viele Tage eingesetzt werden müssen. In der Humanmedizin hingegen geht der Trend zu den Reserveantibiotika, die in geringer Dosierung oft nur wenige Tage verordnet werden.
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