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Chemikalien und Arzneimittel gelangen ungehindert in die Gewässer

Düsseldorf (aho) – Industriechemikalien, Flammschutzmittel, Pestizide, Arzneimittelrückstände und Hormone – auch in Kläranlagen in Nordrhein-Westfalen findet sich ein wahrer Chemiecocktail. Viele dieser Stoffe können aber nicht aus dem Wasser gefiltert werden, obwohl die Kläranlagen in NRW zu den modernsten in Europa gehören. Das ist das Ergebnis einer Studie unter dem Titel „Untersuchung zum Eintrag und zur Elimination von gefährlichen Stoffen in kommunale Kläranlagen“, für die im Auftrag des Umweltministeriums von der Universität Dortmund erstmals mehr als 70 Einzelstoffe auf ihr Abbauverhalten untersucht wurden.

Umweltministerin Bärbel Höhn: „Dank modernster Analysemethoden konnten wir auch kleinste Mengen der Stoffe im Wasser nachweisen. Da diese zum Teil giftigen Substanzen aufgrund ihrer Molekülstruktur mit den bestehenden technischen Möglichkeiten nicht aus dem Wasser gefiltert werden können, passieren sie die Kläranlage ungehindert und gelangen so in die Gewässer und damit unter Umständen sogar in unser Trinkwasser. Mit der Studie haben wir nun zum ersten Mal einen sehr ausführlichen Überblick darüber, bei welchen problematischen Stoffen wir von welcher Konzentration ausgehen müssen. Viele Stoffe haben wir durch verbesserte analytische Methoden nun zum ersten Mal überhaupt nachweisen können. Diese umfangreiche ökologisch-toxikologische Untersuchung ist bisher einzigartig in Europa. Sie bietet die Basis für weitere Studien, die nach Möglichkeiten suchen werden, wie diese Stoffe in Zukunft minimiert oder eliminiert werden können. Ich setze dabei auch auf die Membrantechnologie.“

Nordrhein-Westfalen ist in diesem Technologiefeld weltweit führend. So ist die größte kommunale Membrankläranlage der Welt in diesem Sommer in Kaarst in Betrieb gegangen, und in Bergkamen wird das Abwasser des Chemieunternehmens Schering seit diesem Sommer durch die bisher größte industrielle Membrankläranlage gereinigt. Rein technisch ermöglicht es die Membrantechnologie, durch feinporige Filter einen großen Teil der problematischen Giftstoffe aufzufangen. Die praktische und großflächige Umsetzung dieser Möglichkeit wurde bisher aber noch nicht getestet. Die Membrantechnik ist heute bereits für viele Bereiche eine erprobte Alternative zu klassischen Verfahren in der kommunalen und industriellen Abwasserreinigung und kann zur Reduzierung der Kosten und Minderung von Umweltbelastungen beitragen.

Umweltministerin Bärbel Höhn: „Als Konsequenz aus unserer Studie werden wir nun im Anschluss zwei weitere Untersuchungsvorgaben starten. So soll zum einen nach Möglichkeiten gesucht werden, wie die giftigen Stoffe in den Kläranlagen herausgefiltert werden können, und mit welchem finanziellen Aufwand dabei zu rechnen ist. Eine Möglichkeit ist die Membrantechnologie, wir untersuchen aber auch weiterer Verfahren. In einer weitere Studie wollen wir prüfen, in welchen Konzentrationen die gefundenen Stoffe in der Umwelt vorkommen und welche Auswirkungen sie auf Mensch und Umwelt haben. Auf Initiative von NRW wird sich noch in diesem Jahr eine Bund-Länder Arbeitsgruppe mit dieser Thematik auseinandersetzen.“

Viele der gefundenen toxischen Stoffe wie Industriechemikalien und Schwermetalle werden von Industrie- und Gewerbebetrieben in die Kanalisation eingeleitet. Kommunale Kläranlagen sind aber für die Behandlung von häuslichem Abwasser ausgerichtet. Auf biologischem Wege entfernen sie Eiweiß, Fett und Kohlehydrate sowie die wichtigen Pflanzennährstoffe Kohlenstoff, Phosphor und Stickstoff aus dem Wasser. Doch auch die Haushalte selber belasten die Gewässer durch Haushaltschemikalien und Medikamente, immer öfter aber auch durch große Mengen von Rückstände so genannter Personal Care-Produkte wie Shampoos und Cremes. Ein weiteres Problem sind Flammschutzmittel, deren Gehalte im eingeleiteten Abwasser bis zum zehnfachen die Qualitätsanforderungen für Gewässer überschreiten. Solche Mittel kommen unter anderem in der Textilproduktion zum Einsatz, und gelangen mit der Wäsche aus der Kleidung in das Abwasser. Für die Gewässer sind selbst geringe Konzentrationen von solchen giftigen Stoffen ein Problem, weil sie von Pflanzen und Mikroorganismen aufgenommen werden, sich teilweise anreichern und unter Umständen auch in das Grundwasser gelangen.

Eine Verbesserung dieser Gewässersituation ist dringend geboten, weil die EU-Wasserrahmenrichtlinie erstmals europaweit verbindliche Qualitätskriterien definiert und bis zum Jahr 2015 einen guten ökologischen Zustand aller Gewässer erreichen will. Das vielleicht ehrgeizigste Ziel auf diesem Weg stellt das sogenannte „phasing out“ von gefährlichen Stoffen dar. Dabei geht es darum, jegliche Einleitung von gefährlichen Stoffen, die aufgrund ihrer Anreicherungsfähigkeit häufig auch den Lebensraum Meer schädigen, zu unterbinden.

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