Mehr als 13 Tonnen Hormone jährlich: Arzneimittel in der Umwelt werden zum Problem
[Kläranlagen bei Humanarzneimitteln oft wirkungslos] Dessau-Roßlau (aho) – Hunderte Arzneiwirkstoffe und deren Abbauprodukte belasten Gewässer und Böden nahezu weltweit. Welches Ausmaß die Umweltbelastung mit Arzneimitteln erreicht, zeigt ein Forschungsprojektes im Auftrag des Umweltbundesamtes: Spuren von mehr als 630 verschiedenen Arzneimittelwirkstoffen sowie deren Abbauprodukte lassen sich in vielen Teile der Erde nachweisen. Sie sind in Gewässern, Böden, Klärschlamm und Lebewesen zu finden, informiert jetzt das Umweltbundesamt (UBA).
Humanarzneimittel gelangen hauptsächlich über das häusliche Abwasser in die Umwelt, erläutert das Umweltbundesamt (UBA) in einer Medieninformation. Die Humanarzneimittel werden nach der Einnahme durch den Patienten vom Körper meist nicht vollständig abgebaut und wieder ausgeschieden. Kläranlagen können oft nicht alle Arzneimittelrückstände zurückhalten. Sind keine Kläranlagen vorhanden, gelangen die Wirkstoffe direkt ins Gewässer, so das UBA. Dort können sie Pflanzen und Tiere schädigen. Tierarzneimittel gelangen zum größten Teil über Gülle und Dung von behandelten Tieren in Böden und Gewässer. Über die langfristige Wirkung dieser Substanzen auf die Ökosysteme liegen bisher wenige Informationen vor. Laborexperimente und Freilandversuche zeigen aber negative Effekte wie reduziertes Wachstum, Verhaltensänderungen oder verminderte Vermehrungsfähigkeit bei Lebewesen in der Umwelt.
Langlebige Hormone
Als besonders umweltrelevant, weil schon in geringen Konzentrationen toxisch für die Umwelt und oft auch sehr langlebig, haben sich Hormone, Antiparasitika und bestimmte Schmerzmittel herausgestellt. So wurden nach Informationen des Umweltbundesamtes im Jahr 2009 mehr als 13 Tonnen (13.697,9 kg) Hormone in der Humanmedizin verabreicht (1). Dagegen nehmen sich die vom BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.) kürzlich kritisierten 90 kg des Hormons Altrenogest zur Zyklussynchronisation bei Jungsauen eher bescheiden aus.
„Blockbuster“ Diclofenac
Sehr häufig kommt das Schmerzmittel und der Entzündungshemmer Diclofenac vor, so das UBA. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2009 mehr als 91 Tonnen (91.583 kg) von schmerzgeplagten Menschen geschluckt (1)
Der Wirkstoff wurde bisher in Gewässern von insgesamt 50 verschiedenen Ländern gemessen.; darunter auch in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern. Für Diclofenac liegen bisher die meisten Daten vor. Der Wirkstoff wurde bisher in Gewässern von insgesamt 50 verschiedenen Ländern gemessen. In 35 dieser Länder überstiegen Messwerte die Gewässerkonzentration von 0,1 Mikrogramm pro Liter – ein Wert, der nahe der im Laborversuch ermittelten Konzentration liegt, bei der erste Schädigungen an Fischen beobachtet wurden. Dieser Wert war auch in der Diskussion als europäische „Umweltqualitätsnorm für Oberflächengewässer“. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich nunmehr darauf geeinigt, die Konzentration dieses Stoffes in europäischen Gewässern regelmäßig zu messen und mögliche Gegenmaßnahmen bei Überschreitung zu entwickeln.
Neben dem „Blockbuster“ Diclofenac zählen zu den weltweit meist verbreiteten Wirkstoffen auch das Antiepileptikum Carbamazepin, das Schmerzmittel Ibuprofen, das Pillen-Hormon Ethinylestradiol (Verbrauch in Deutschland 2009: 632,7 kg) sowie das Antibiotikum Sulfamethoxazol.
(1) Dr. Axel Bergmann, Dr. Reinhard Fohrmann, Dr. Frank-Andreas Weber
Zusammenstellung von Monitoringdaten zu Umweltkonzentrationen von Arzneimitteln, TEXTE 66/2011 (Abschlussdatum: Februar 2011)
Im Auftrag des Umweltbundesamtes; Forschungskennzahl 360 14 013, UBA-FB 001525,
ISSN 1862-4804
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