animal-health-online®
Redaktion Grosstiere

Zwischenablage01 powered by ...
T O P N E W S ►

Der Märchenbauernhof auf dem Schmandbecher: Zur Sendung „Plusminus“, Mittwoch, 16. Mai 2012, 22:05 Uhr in der ARD.

von G. Keckl, Hannover
[Jungvieh des von Plusminus in Thüringen gefundenen Betriebes auf der Weide. Bild: Keckl, 23.5.2012] (gk) – Das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ (1) wollte der Frage nachgehen, ob Bilder mit weidenden Kühen auf Milchverpackungen der Kuh-Realität entsprechen. Redakteure und interviewte Kunden vor einem Supermarkt bezweifeln dies.

Richtig ist:
Von den 4,2 Mio. Milchkühen in Deutschland haben 1,8 Mio. eine Weide. Da nicht das ganze Jahr Gras wächst, weiden sie 24 Wochen im Jahr, im Schnitt 13 Stunden am Tag. In Schleswig-Holstein gehen 77% der Milchkühe im Sommer auf die Weide, in Hessen 48%, in Thüringen nur 13% (Ergebnis der Landwirtschaftszählung 2010 (2)). Die meisten der Kühe verbrachten Teile ihrer Jugend auf einer Weide. Die Färsen (der Kuhnachwuchs, das „Jungvieh“, bayrisch: „Kalbinnen“) müssen nicht zweimal am Tag zum Melken nach Hause und auf der Weide machen sie weniger Arbeit. Bauernhöfe in den Dörfern, die mit der Kuhherde über mehrere Straßen zu den Weiden müssten, treiben die Tiere in der Regel nicht mehr aus. Höfe in Einzellagen öfter. Sehr große Kuhherden werden seltener auf eine Weide getrieben, aber die haben in der Regel sogenannte Laufställe, wo die Kühe zwischen den Fress-, Tränke-, Putz-, Milch- und Ruhebereichen wandern können. Moderne Ställe haben im Sommer statt Außenwänden Jalousien, sind sehr luftig gebaut. Früher gab es mehr Weide, aber viel tierunfreundlichere Ställe. Aber, der Märchenbauernhof hat eine Kuhweide zu haben, da wird die Kuh nicht zu gefragt.

Plusminus:
Die Reporter aus Frankfurt kauften beim Discounter NETTO einen Becher Schmand, der weidende Kühe vor Alpengipfeln zeigt. Die Betriebsnummer (TH 601) auf dem Etikett führte sie von Frankfurt nach Thüringen, zufällig das Bundesland, wo die wenigsten Kühe im Sommer auf einer Weide stehen. Vor der Molkerei in Erfurt klemmten sie sich hinter einen Milchlaster. Der Milchlaster bog in den Hof eines großen Milchviehbetriebes mit mehreren Ställen ein. „Nichts ist mit Idylle! Baracke statt Berge! Frisches Weidegras für die Kühe: Fehlanzeige!“, so der Kommentar an der Stelle des Films.

Richtig ist:
Der gefundene Milchviehbetrieb liegt in der Nähe des Nationalparkes Hainich. 500m über dem Meeresspiegel ziehen sich zwischen Werra und Unstrut grüne Höhen hin. Das Jungvieh ist im Sommer auf den Weiden, die Kühe im Laufstall. Die Weidesaison beginnt dort erst Anfang Mai mit einem Teil der Jungviehherde und wenigen Stunden Weidezeit. Zu schnell zu viel junges Gras nach dem Winterfutter würde Durchfall verursachen. Die Ställe mögen nicht neu und schön sein, aber die DDR hatte schon früh viele tiergerechte Laufställe. Die Kühe erhalten das Grünland dieser schönen Landschaft. Der Betriebsleiter ist über die Darstellung des Betriebes in der Sendung sehr aufgebracht, insbesondere über die Bezeichnung „Baracken“ für die Ställe. Zu DDR-Zeiten gab es keine Zuschüsse für landschaftstypisches Bauen.

Plusminus:
Im Filmbeitrag wird nun der Blick des Zuschauers auf mehrere Papiersäcke vor dem Hoftor gelenkt. Die warten auf den Wertstofflaster. „Frisches Weidegras für die Kühe? Fehlanzeige! Stattdessen finden wir leere Futterpackungen vor den Stalltoren. Nur was steckt drin? Das wollen wir genau wissen und fahren damit zum Verbrauchermagazin Ökotest.“, lautet der Text zu den Bildern.

Richtig ist:
Die zwei auffälligsten Säcke trugen die Aufschrift „Top Quh“. Das sind keine Futtersäcke. Sie enthielten eine Saatgrasmischung für Mähweiden (20% Deutsches Weidelgras, 30% Knaulgras, 30% Futter- Rohrschwingel, 20% Wiesenschwingel). Wer Säcke mit Saatgut für Weidegras hat, hat auch Weiden. Von wenigen Papiersäcken vor dem Hoftor kann man nicht auf die Ernährung der Kühe schließen. Man hätte den Betriebsleiter fragen können. Wie kann man auf die Idee kommen, den Chefredakteur von Ökotest in Frankfurt danach zu fragen? Großbetriebe bekommen das Kraftfutter oder Kraftfutterkomponenten zum Selbermischen nicht in Papiersäcken, sondern in Silozügen. Die Kühe haben bei den Betriebsgrößen meist ein Band mit einem Chip um den Hals. Mit dem Chip wird das Kraftfutter aus einem Automaten individuell, je nach aktueller Milchleistung, zugeteilt. Das Kraftfutter der Kühe ist ein „Ergänzungsfutter“. Alle Kühe bekommen es ergänzend zum Grundfutter, also zu Gras, Grassilage, Mais, Heu, Stroh. Wechselt das Grundfutter, ist die Zusammensetzung des Kraftfutters dem Grundfutter anzupassen.

Plusminus:
Die Redakteure des Hessischen Rundfunks brachten die Säcke, inklusive dem Saatgutsack, zurück nach Frankfurt, zum Chefredakteur der Zeitschrift Ökotest. „Chefredakteur Jürgen Stellpflug testet monatlich bis zu 1000 verschiedene Produkte auf Schad- und Inhaltsstoffe. Er sieht sich das Kraftfutter ganz genau an.“ Die Expertise: „Das ist ein typisches Kraftfuttermittel für Hochleistungskühe. Die Grundlage hier sind gentechnisch veränderte Sojabohnen. Das ist ein Eiweiß, das die Kühe brauchen, damit sie diese Milch geben können. Diese Kühe, die kommen auf der Weide nicht zurecht, die stehen mit Sicherheit nicht so lange auf der Weide, wenn überhaupt mal, wie der Verbraucher denkt, wenn er die Bildchen auf der Verpackung sieht.“ Die Hintergrundstimme meinte dann noch: „Genmanipuliertes Kraftfutter, das dafür sorgt, dass Kühe auf der Weide nicht mehr zurechtkommen. Sie wären schlicht unterversorgt. Davon steht nichts auf der „Gutes-Land“- Packung von NETTO.“

Richtig ist:
Statt dem Kraftfutter („Er sieht sich das Kraftfutter ganz genau an.“) konnte Herr Stellpflug nur die leeren Papiersäcke anschauen. Ein Kraftfutter, ob nun mit genmanipulierten Bestandteilen oder nicht, das bewirken würde, dass Kühe auf der Weide nicht mehr zurechtkommen, verfüttert niemand. So gut wie alle deutschen Milchkühe, ob auf der Weide oder nicht, ob bio oder konventionell, bekommen Kraftfutter. Die Kühe kommen mit dem Gras, sei es nun als Weide, als Grünfütterung im Stall, als Grassilage oder als Heu und den Kraftfuttergaben „obenauf“ gut zurecht. Wird viel eiweißreiches Gras verfüttert, gleicht ein energiereiches Kraftfutter das aus. Wird ein Mix aus Silomais und Gras verfüttert, enthält das Kraftfutter mehr Eiweiß, meist aus Raps und Soja. Das in Großaufnahmen gezeigte Futteretikett wies als Grundlage teure Getreideflocken aus, nicht Sojaschrot (35% Maisflocken, 10% andere Getreideflocken, 24,8% Sojaextraktionsschrot, 6,8% Leinsaat, 7,6% Zuckerschnitzel, Melasse, Kalk u.a.). Das ist kein typisches Kraftfutter für Kühe aus dem Silozug. Mit teurem Sack-Spezialfutter und hochwertigen Zutaten wollen manche Kuhhalter ihren Färsern oder schwächelnden Kühen um die schwierige Geburtszeit etwas Gutes tun. Hinter der Mengenangabe für den Sojaextraktionsschrot stand auf dem Etikett: „aus gentechnisch veränderten Sojabohnen“. Das „gentechnisch“ sollte wohl ins Bild, weil es Vorurteile passend bedient. Fast alle Sojabohnen oder Produkte daraus, die nach Deutschland kommen, stammen von gentechnisch veränderten Sojasorten. Die Schlacht um die Gentechnik ist in der Pharmazie, der Biotechnologie und der Pflanzenzüchtung im Rest der Welt weitgehend geschlagen. Bei uns ist der Widerstand gegen gentechnisch veränderte Medizin und Produkte der Biotechnologie (z.B. Vitamine) auch schon aufgegeben worden, nur bei der Pflanzenzüchtung wird das Dogma noch gebraucht. Die pharmazeutische Industrie ist am Boden, wertvolle Arbeitsplätze, z.B. in Frankfurt, wurden Ängsten geopfert §). Wir importieren nun für Milliarden Euro gentechnisch veränderte Medikamente für Mensch und Vieh, retten damit auch das Leben früherer Gentechnikgegner. Die Wissenschaft dazu wandert seit Jahren aus Deutschland ab. „Der letzte macht das Licht aus“, meinte ein Vorstandsvorsitzender zur langjährigen Emigration der klugen Köpfei (4). Dabei profitiert die Gen-Sojabohne kurioserweise von der grünen Energiewende, mit ihr die Weltlandwirtschaft. Soja ist, wie Raps, eine Ölfrucht. Das Öl kann man für Speisezwecke verwenden oder für Biodiesel. Presst man den Energieträger Öl aus den Körnern, hat man als Rest einen eiweißreichen Presskuchen. Den Presskuchen des Rapses kann man als Kraftfutterbestandteil gleich an die Kühe verfüttern. Beim Presskuchen der Sojabohne lohnt eine Erhitzung, die das Eiweiß verdaulicher macht („Toasten“). Diese Presskuchen fallen weltweit mit dem Boom bei Biodiesel verstärkt an, sind ein gefragtes Tierfutter. Bauern, die es besonders gut mit ihren Tieren meinen, nehmen das Kraftfutter, das ihren Tieren am besten schmeckt und das ihnen am besten bekommt. Da ist Soja besser als Raps, gentechnisch hin oder her, die Kuh zeigt schon, was sie lieber mag.

Plusminus:
Die Filmmacher bringen zum Schluss eine Sammlung von Milchtüten in ein Kemptener Milchlabor. Dort soll geprüft werden, ob die Milch von Kühen stammt, die auf der Weide standen, bzw. frisches Gras in den Stall gefahren bekommen haben. Das Ergebnis bestätigte, keine „Weidekuhmilch“ war bei.

Richtig ist:
Die Milchproben wurden im Frühjahr gesammelt. Die Weidezeit im kühlen Voralpenraum beginnt erst im Mai. Die Milch stammt noch aus dem Winterfutter, sie kann nicht das Fettmuster einer Weide-Kuhmilch haben, nicht mal bei den Einzelbauernhöfen in Schleswig-Holstein. Mit der „Weidemilch“ wird ein Sommer-Qualitätskriterium konstruiert, das keine milch-fachliche oder sensorische Begründung hat, für andere Zwecke benutzt wird.

Gut gemeinte Ideale und der Tod
Ob die Kühe auf der Weide glücklicher als in einem großzügigen Laufstall sind, müsste man die Kühe fragen. Kühe bleiben da, wo das Futter ist. Wer einen so gut konstruierten und klimatisierten Stall hat, dass die Kühe lieber da als im Laufhof oder auf der Weide sind, der hat als Stallbauer und Tierhalter alles richtig gemacht. Die Kuh zeigt schon, ob sie sich wohl fühlt. Das Auge des Halter kann vieles ausgleichen, leider auch verschlimmern. Eine schlechte Weide, wie sie z.B. von der Naturschutzorganisation NABU nach der Idee des Märchenbauernhofes Rindern in Ostfriesland aufgezwungen wurde, kann auch eine Tierquälerei (5) sein.

Die aktuelle „Ökotest“ trägt als Titelblatt, sozusagen als „Etikett“, ein Bild mit einem Totenkopf, um den Gemüse und Obst garniert ist. Leicht abgewandelt aus dem „Vater unser“ steht da: „Unser täglich Gift“. Das Titelblatt hat mit dem Inhalt fast nichts zu tun. Keine der alltäglichen Titelfrüchte war giftig (Totenkopf), bekanntlich immer eine Sache der Dosis. Auf diesen Etikettenschwindel von ARD-Magazin Panorama angesprochen, meinte Chefrdakteur Stellpflug: „Ein Titelbild symbolisiert immer. Natürlich fasst das zusammen“ (6). So hätten das die Hersteller des kritisierten Schmad-Etikettes auch gesagt. Wenn Herr Stellpflug ein Verbot „irreführender“ Etiketten verlangt, könnte er auch nach dem Zensor für Titelbilder rufen. Der eine lebt von der Angst vor dem Gift, der andere von seinen Kühen. Beide werben für ihr Produkt im Verkaufsregal, für beide sollte die gleiche Moral gelten.

Links:

(1) Plusminus-Beitrag in der ARD-Mediathek:

(2) Weideanteile, Landwirtschaftszählung 2010, Tabelle 1410 R, Spalten 5 und 6:

(3) Vgl. DIE ZEIT, Interview mit Stefan Marcinowski, Vorstand der BASF,
(4) Philip Freiherr von dem Bussche, Vorstandsvorsitzender der KWS Saat AG zur Gentechnikforschung in Deutschland, Agrarzeitung von 27. April 2012, Seite 4.

(5) Siehe hier
(6) Interview mit Herrn Stellpflug in der ARD-Sendung „Panorama“ zum Titelblatt der aktuellen „Ökotest“.

und detailliert.

2 Comments, Comment or Ping

  1. Judith Mudrak

    Haltung der Kühe: Warum machen andere Länder Amerika alles nach?
    Warum vertragen Millionen von Leuten in den USA die amerikanische Milch nicht mehr? Warum trinken heute 10-15 Millionen nur ECHT gras-gefütterte Rohmilch in den US? (Schätzung vom Center for Disease Control, USA). Warum bildete sich in den letzten Jahren ein grosser Untergrund Schwarzhandel vom Bauern zum Konsument – vom illegalen Staat zu Staat Milchverkauf, nur um dieses cremige Gold zu erlangen? Amerika, das Land aufgebaut vom frühen Reichtum durch unbehandelte gesunde Butter, Käse und MILCH, ist heute ein SEHR krankes Land!! Mit dieser Industrie Agrikultur, soll man sich da noch wundern?? Lerne mehr: Lese das neue Buch: Milch ist nicht gleich Milch! (Amazon, Barnes and Nobles, Xlibris)
    Judith Mudrak

  2. Gast

    Das ist doch jetzt nicht ihr ernst, dass sie hier die Kommentarfunktion mit Werbung zu ihrem eigenen Buch zuspammen. Dazu noch mit solchen hanebüchenen Thesen. Merkwürdig, dass viele Menschen zu glauben scheinen, dass sie durch die Dinge, die sie verzehren, langsam vergiftet werden, obwohl es noch zu keinem Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte so sichere Lebensmittel gab wie heutzutage.

Reply to “Der Märchenbauernhof auf dem Schmandbecher: Zur Sendung „Plusminus“, Mittwoch, 16. Mai 2012, 22:05 Uhr in der ARD.”

Suche



Datenschutzerklärung

TOPIC®-Klauen-Emulsion und Gel: Bei Mortellaro Präparate ohne Wartezeit einsetzen! DSC_0014

Die Folgen der kastrationslosen Ebermast: Ungenießbares Eberfleisch stört das Vertrauen der Verbraucher

Fragen und Antworten zur 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes.

Antibiotikaverbräuche in Human- und Veterinärmedizin: Was ist viel & Und wer verbraucht "viel"?



Topic-Logo

tierbestand12-13

Penisbeißen in der Ebermast: ... sofort rausnehmen, sonst ist da die Hölle los! Penis_Zeller_Beringer_02

Das arttypische Verhalten der Eber sorgt für Unruhe in der Ebermast.



Bis zu 1 % ungenießbare Stinker: 24.000.000 kg Schweinefleisch in die Tonne?

Antibiotikaverbräuche in der Tierhaltung: Genau hinschauen lohnt sich

Tunnelblick: Stinkefleisch ist nicht das einzige Problem der Ebermast

Eberfleisch mit Geschlechtsgeruch: "Ich befürchte, dass der Fleischkonsum schleichend zurückgeht"


gesundheit


Isofluran-Gasnarkose
Ferkelkastration, Ebermast, Eberimpfung
Verbraucherschutz: Paratuberkulose & Morbus crohn
Toxoplasmose bei Schweinen, Geflügel und Menschen
Botulismus
Morbus Crohn durch Mykobakterien: Ein Verdacht wird zur Gewissheit
Topic®-Emulsionspray und Gel decken ab, lösen Verkrustungen, trocknen aus und sind gegen Bakterien und Pilze konserviert. Die Topic®-Produkte neutralisieren den tierspezifischen Eigengeruch und Gerüche von Entzündungssekreten z.B. beim Zwischenschenkelekzem, Sommerekzem, Kannibalismus, Mauke, Huf- oder Klauenveränderungen. Der versorgte Bereich wird so für Insekten (Fliegen) wenig attraktiv. Die Emulsion und das Gel können auch unter Verbänden und im Zwischenschenkelbereich von Kühen eingesetzt werden.

Zoonosen



Beliebte Beiträge



Morbus Crohn & ParaTb



Prof. Borody im Interview bei YouTube.