Ferkelkastration unter Narkose: Blutungen, kritischer Temperaturabfall, Todesfälle, Grenzwerte überschritten; Landwirte klagen über Kopfschmerzen, Schwindel.
Bern/Zürich/Sempach (aho) – Ab 1.1.2010 dürfen männliche Ferkel in der Schweiz nur noch unter Schmerzausschaltung kastriert werden. Zurzeit werden in der Praxis sowohl auf ökologisch (3) als auch konventionell wirtschaftenden Betrieben vor allem die Inhalationsnarkose mit dem Narkosegas Isofluran oder die Injektionsnarkose mit Ketamin, Azaperon und Butorphanol verwendet. Zusätzlich sollen die Ferkel wenigsten 10 Minuten vor der Kastration ein Schmerzmittel enthalten.
Wissenschaftler der Universitäten Zürich und Bern haben zusammen mit Mitarbeitern der SUISAG, Geschäftsbereich SGD, in Sempach untersucht, wie die Narkosen in der Praxis durchgeführt werden. Es wurden Fragebögen versandt und auch Betriebe besucht. Hierbei wurden – wie sie in der Fachzeitschrift „Schweizer Archiv für Tierheilkunde“ berichten – durchaus bedenkliche Feststellungen gemacht (1, 2).
Isofluran-Gasnarkose
Auf 44 % der besuchten Betriebe wurde das notwendige Schmerzmittel entweder während der Anästhesie oder weniger als 10 Minuten vor der Kastration verabreicht. 14 % der Ferkel wiesen durch die Kastration verursachte Abwehrbewegungen oder Lautäußerungen auf, was auf eine unzureichende Schmerzausschaltung hinweist. 18 % der Ferkel zeigten nach der Kastration eine verstärkte Blutungsneigung (1).
Arbeitsplatzsicherheit nicht gewährleistet
Im Fragebogen beklagten sich 22 % der Ferkelproduzenten über Kopfschmerzen und Schwindelgefühle während oder nach der Kastration unter Gasnarkose. Bei den Betriebsbesuchen waren es 27 %, die über Unwohlsein klagten. 34 % der Landwirte hatten Bedenken bezüglich ihrer Gesundheit. Die Isofluranmessungen in der Umgebungsluft bei 19 zufällig ausgewählten Betrieben ergaben Werte von 0 – 64 ppm Isofluran. Zwei Messwerte lagen mit 12 ppm, respektive 64 ppm über dem in der Schweiz gültigen Grenzwert von 10 ppm (1).
Beurteilung des Zustandes und der Hygiene der Narkosegeräte
72 % der Geräte waren in einem guten Zustand, 22 % waren nur mäßig gepflegt und 6 % wurden als schlecht gewartet, verschmutzt oder unhygienisch beurteilt. Von 42 Gasschläuchen waren 14 steril und bei 28 Gasschläuchen konnten gering bis mittelgradige Keimgehalte nachgewiesen werden (1).
Injektionsnarkose lässt Körpertemperatur der Ferkel deutlich abfallen
Nach Schätzungen aus dem Jahre 2010 wird die Injektionsanästhesie in rund 25 % vor allem kleineren Betrieben, die etwa 10 % der Ferkel in der Schweiz produzieren, angewendet.
Zur genaueren Dosierung des Injektionsnarkosepräparates wurden in 47 % der Betriebe einige Ferkel gewogen. Die Ferkelkastration mittels Injektionsanästhesie erfüllte in 34 % die Bedingung einer guten Schmerzausschaltung nicht. Die Ferkel zeigten im Zusammenhang mit der Kastration starke Abwehrbewegungen.
Es dauerte durchschnittlich 48 Minuten bis die Hälfte der Tiere in Brustlage war und 112 Minuten bis die Hälfte wieder koordiniert gehen konnte. Die Körpertemperatur sank 60 Minuten nach der Kastration im Durchschnitt um 3.1 °C ab, wobei sie vor allem bei kleineren Ferkeln kritische Werte erreichte. Untersuchungen belegen, dass Ferkel durch die Injektionsnarkose bis zu sechs Säugephasen versämen und so weniger Energie und Antikörper aufnehmen. 54 % der Betriebsleiter gaben verstärktes Nachbluten an.
Die Wundheilung war in 82 % der befragten Betriebe gut. 83 % der Betriebsleiter beklagten kastrationsbedingte Verluste, welche vor allem in der Anfangsphase vorkamen. Die Anästhesie mit Ketamin und Azaperon kann durch Zugabe von Butorphanol (Opiat) verbessert werden. Die Aufwachphase sollten die Ferkel in einer warmen Umgebung und abgetrennt von der Muttersau verbringen. Nachblutungen können mit der Verwendung eines Emaskulators zum Absetzen des Samenstranges verringert werden, so die Wissenschaftler (2).
Nur Übergangslösung
Abschließend weisen die Autoren darauf hin, dass die chirurgische Ferkelkastration europaweit als Übergangslösung angesehen wird. Als mögliche Alternativen stehen demnach zurzeit die Impfung gegen den Ebergeruch und vor allem die Ebermast im Zentrum. Beide Methoden sind aus Sicht des Tierwohls der chirurgischen Kastration vorzuziehen. Bis zur Etablierung einer Alternativmethode in der Schweiz müssen aber Verbesserungsmaßnahmen zwingend umgesetzt werden, so die Wissenschaftler.
(1) Enz, A.; Schüpbach-Regula, G.; Bettschart, R.; Fuschini, E.; Sidler, X.;
Erfahrungen zur Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration in der Schweiz – Teil 1: Inhalationsanästhesie.
Schweiz. Arch. Tierheilk. Band 155, Heft 12, Dezember 2013, S. 651 – 659
(2) Enz, A.; Schüpbach-Regula, G.; Bettschart, R.; Fuschini, E.; Sidler, X.;
Erfahrungen zur Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration in der Schweiz – Teil 2: Injektionsanästhesie.
Schweiz. Arch. Tierheilk. Band 155, Heft 12, Dezember 2013, S. 661 – 668
(3) Schwinghammer, P.
Richtiges Timing ist bei der Ferkelkastration entscheidend
bioaktuell 8/13 S. 9
Weitere Details hier:
Enz, A.
Projekt «Überwachung der Ferkelkastration»
Suisseporcs Information 8/2012, S. 16 – 17
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