LAVES-Experten zu Eberschlachtungen: Fleischhygienerecht wird missachtet; amtliche Genusstauglichkeitsbescheinigung nicht gerechtfertigt
Garmisch-Partenkirchen/Oldenburg/Hannover (aho) – Veterinärmediziner des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) kritisieren in einem Beitrag zur 55. Arbeitstagung des Arbeitsgebietes Lebensmittelhygiene der DVG die übliche Überprüfung von Eberschlachtkörpern auf Geschlechtsgeruch durch nichtamtliches Schlachthofpersonal als nicht rechtskonform. Sofern es sich nicht um Improvac®-geimpfte Tiere oder um spätreife Rassen handelt, besteht bei Ebern der Verdacht, dass das Fleisch einen ausgeprägten Geschlechtsgeruch entwickelt, der oft erst nach 24-stündigem Hängenlassen und nach einer amtlichen Untersuchung feststellbar ist. Wie die amtliche Überprüfung auf Geschlechtsgeruch zu erfolgen hat, ist in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift Lebensmittelhygiene (AVV Lmh) in Anlage 4 Nr. 6 beschrieben, erinnern die Veterinärmediziner.
Bei derzeit mehr als 75.000 geschlachteten Ebern wöchentlich wird jedoch auf dieses Verfahren großenteils verzichtet, so die Experten in ihrem Kongressbeitrag. Tatsächlich wird die Prüfung auf Geschlechtsgeruch durch Mitarbeiter der privatwirtschaftlichen Schlachtbetriebe vorgenommen. Die Prüfung erfolgt vielfach unmittelbar nach der Schlachtung unter Verwendung von Lötlampen zur Erhitzung von Fettgewebe; das in der AVV Lmh beschriebene Verfahren – welches frühestens 24 Stunden nach dem Schlachten erfolgen kann – findet dabei keine Anwendung. Dieses Vorgehen entspricht nicht dem geltenden Recht, stellen die LAVES-Mitarbeiter fest. Seitens der Fleischwirtschaft wird jedoch erwartet, dass die Tierkörper dennoch einen amtlichen Tauglichkeitsstempel (Genusstauglichkeitskennzeichnung) erhalten, merken die Experten kritisch an.
Die gesundheitliche Unbedenklichkeit dieser Tiere kann nach Meinung der Veterinärmediziner sicherlich bescheinigt werden. Eine amtliche Genusstauglichkeitskennzeichnung dieser Eber unter Verzicht auf eine nach geltendem Recht vorgeschriebene Prüfung auf Ebergeruch verbietet sich jedoch, so die Experten vom LAVES mit Sitz im niedersächsischen Oldenburg (1).
Im Gegensatz zu dieser nicht gesetzeskonformen Beurteilung von Ebern auch an niedersächsischen Schlachtbetrieben steht das mit allerlei medialem Getöse vorgetragene Verlangen des niedersächsischen Agrarminister Meyer (Grüne) nach strengeren Kontrollen von Schlachtschweinen. Konkret hatte das rot-grüne Kabinett kürzlich die Verbesserungen von Diagnostik und Testmethoden gefordert, um Krankheitserreger und Parasiten schnell erkennen zu können. Ebenso soll eine bessere Ausgestaltung der Informationen zur Lebensmittelkette gewährleistet werden, um durch diese Informationen relevante Rückschlüsse auf die Schlachttiere ziehen zu können. Nicht zuletzt soll durch die Festlegung von Tierschutzindikatoren sowie die Verbesserung des Informationsflusses für alle Beteiligten in Form einer einheitlichen Datenbank erreicht werden. Eine Rückmeldung an die betroffenen Betriebe und zuständigen Überwachungsbehörden soll eine Mängelabstellung gewährleisten.
Anm. d. Red.: Sollte es den aufsichtsführenden Länderministerien gelingen, bei der Eberschlachtung gesetzeskonforme Verhältnisse zu gewährleisten, so müssten die Schlachtbetriebe ausreichende Kühlkapazitäten vorhalten, sodass alle (!) Eber nach frühestens 24 Stunden auf Ebergeruch entsprechend der AVV LmH untersucht werden können.
(1) Dres. Uwe Jark und Werner Kunst,
Essbar oder genießbar: Ein Paradigmenwechsel in der amtlichen Fleischuntersuchung
55. Arbeitstagung des Arbeitsgebietes Lebensmittelhygiene der DVG vom
23. bis 26. September 2014 im Kongresshaus Garmisch-Partenkirchen
Reply to “LAVES-Experten zu Eberschlachtungen: Fleischhygienerecht wird missachtet; amtliche Genusstauglichkeitsbescheinigung nicht gerechtfertigt”