Alles nur Lotto? Erkennung von Ebergeruch am Schlachtband höchst unsicher
Hannover/Göttingen (aho) – Der vom Konsumenten als harnartig, fäkal oder schweißig empfundene Ebergeruch ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr und eine Hürde für die Akzeptanz von Eberfleisch im Markt. Von solchen Geruchserlebnissen betroffene Verbraucher beschweren sich günstigstenfalls im Lebensmitteleinzelhandel. Oft werden sie wohl zukünftig auf den Verzehr von Schweinefleisch völlig verzichten. Es ist deshalb essentiell, den Ebergeruch zu vermeiden oder wenigsten sicher zu erkennen.
Umfangreiche Untersuchungen am Department für Nutztierwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen offenbaren, dass zwischen exakten Messungen der Ebergeruchskomponenten Androstenon- und Skatol und der Beurteilung des Ebergeruchs durch ausgebildete Prüfer am Schlachtband oft keinerlei Übereinstimmungen bestehen. Hierzu berichtete der Agrarwissenschaftler Dr. Daniel Mörlein in einem Referat anlässlich der KTBL-Tagung „Ebermast – Stand und Perspektiven“ am 2. und 3. Juli 2014 im Hannover Congress Centrum.
Laut Mörlein bestehen bei der sensorischen Bewertung zwischen Prüfen deutliche Unterschiede. Und selbst ein und der selbe Prüfer kann zu verschiedenen Bewertungen kommen. In der Folge bedeutet dies eine teilweise sehr unterschiedliche Einschätzung zur Häufigkeit von Geruchsabweichungen in der Praxis.
Darüber hinaus ist laut Dr. Mörlein zu berücksichtigen, dass zwischen verschiedenen Labormethoden zur Quantifizierung von Androstenon erhebliche Unterschiede bestehen, sodass Ergebnisse zur Häufigkeit von Geruchsabweichungen bei Eberschlachtkörpern zwischen verschiedenen Studien nicht oder nur schwer vergleichbar sind – ebenso wenig wie die zugrunde liegenden Grenzwerte. Diese Unterschiede und Unsicherheiten gestatten es auch oft nicht, die Ergebnisse verschiedener Studien zu vergleichen.
Dr. Mörlein fordert, dass die Prüfer am Schlachtband qualifiziert ausgewählt und ihre Leistungsfähigkeit dokumentiert werden sollte. (1)
Ähnlich mahnend äußerten sich dänische Wissenschaftler des Danish Meat Research Institut in Roskilde im Fachjournal „Fleischwirtschaft“.
Auch andere Experten wie Frau Dr. Ulrike Weiler von der Universität Hohenheim haben auf die hohe Unsicherheit bei der Erkennung von Ebergeruch am Schlachthof hingewiesen. Wie die Wissenschaftlerin unter Berufung auf eine Publikation in der Fachzeitschrift „Meat Science“ unlängst erläuterte, bleibt nah der Identifikation eines “Stinkers” der Geruch noch lang in der Nase, was die Beurteilung nachfolgender Schlachtkörper stark behindert. Folge: “25 Prozent der Stinker werden nicht erkannt“.
Die DLG ermittelt für ihre Prüfungen mit einem komplexen Auswahlverfahren Personen, die mit großer Sicherheit Ebergeruch identifizieren können. Die Fachzeitschrift Fleischwirtschaft berichtete kürzlich hierzu im Beitrag „ >>Super-Smeller“ erkennen den Geruch sicher<<“. Sie finden den Beitrag hier als pdf.
Der amtliche Tierarzt ist bei der Feststellung von Geruchsabweichungen an die AVV Lebensmittelhygiene (Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung von Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs und zum Verfahren zur Prüfung von Leitlinien für eine gute Verfahrenspraxis) gebunden, die das Vorgehen bis ins Detail festlegt. Den Text finden Sie hier als pdf.
(1) Daniel Mörlein
Ebergeruch: (k)ein Problem? – sensorische Bewertung durch trainierte Prüfer bzw. Konsumenten
KTBL-Tagung am 2. und 3. Juli 2014 im Hannover Congress Centrum
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Jan
Solange dem Verbraucher gar nicht ermöglicht wird, Eberfleisch zu kaufen, sind das ohnehin alles nur Vermutungen. Die Fleischwirtschaft macht es sich zu einfach.
Juli 9th, 2014
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