Hohe Dunkelziffer: Gesunde Schlachtrinder häufig mit Paratuberkuloseerreger „MAP“ infiziert
Hannover (aho/lme) – Auch gesund erscheinende Rinder sind zum Schlachttermin häufig mit dem Erreger der Paratuberkulose „Mycobacterium avium paratuberculosis“ (MAP) infiziert. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die im Rahmen einer Dissertation an der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführt wurde. Wie der Veröffentlichung zu entnehmen ist, wurden bei 28,7% von 150 beprobten weibliche Schlachtrinder mit einem Alter von ≥ 24 Monate ohne sichtbare Darmveränderungen der Erreger MAP nachgewiesen. Zur Untersuchung kamen Gewebeproben von Darm (Ileum, Jejunum) und Darmlymphknoten (Nll. mesenteriales und Nll. caecales). Diese wurden bakterioskopisch, kulturell, histologisch und mit histologischer und immunhistologischer Erregeranfärbung auf eine MAP-Infektion untersucht.
In einem weiteren Teil der Untersuchung konnte MAP bei 49 von 50 Rinder mit sichtbaren Darmveränderungen nachgewiesen werden. Eine Verdickung der Darmschleimhaut und schlecht verstreichbare Schleimhautfalten waren die am häufigsten dokumentierten makroskopischen Befunde am Darm dieser Rinder. Diese konnten vor allem im Ileum beobachtet werden. Die Prävalenz makroskopisch veränderter, MAP-infizierter Tiere betrug 1,35% in Bezug auf die Gesamtzahl aller visuell und palpatorisch untersuchten Schlachtrinder.
Die Autorin folgert aus der hohen Prävalenz MAP-infizierter Schlachtrinder, dass die Paratuberkulose eine bedeutende Infektionskrankheit der Rinderbestände in Deutschland darstellt. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Verbraucherschutz ist nach ihrer Meinung eine stärkere Bekämpfung der Paratuberkulose auch auf Bundesebene erforderlich (1).
Die Entwickling rund um Mycobacterium avium paratuberculosis erinnert an den Erkenntnissprozess um Magengeschwüre (Ulcus) und das Bakterium Helicobacter pylori. Die Humanmediziner Barry Marshall und John Robin Warren aus Perth, Western Australia, entdeckten H. pylori im Jahre 1983. Ihre Entdeckung wurde von der medizinischen Forschung lange Zeit nicht ernstgenommen. Erst 1989 kam es zum Durchbruch, und das Bakterium wurde weltweit als Ursache des Ulcus angenommen. Im Dezember 2005 wurden Warren und Marshall für ihre Arbeiten zu H. pylori je zur Hälfte mit dem Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ausgezeichnet.
Zögerliche Politik
Bereits im Jahr 2005 hatten sich Politiker für eine Bekämpfung der Paratuberkulose stark gemacht und auf gesundheitliche Risiken für Verbraucher hingewiesen. Wilhelm Priesmeier, Veterinärexperte der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag in der Bild am Sonntag (BamS): “Wir dürfen den Kopf nicht länger in den Sand stecken, wir müssen bei möglichen Gefahren unverzüglich handeln. Frau Künast sollte umgehend die Forschung verstärken, damit wir Klarheit über die Gefährdung der Bevölkerung bekommen.” Tierarzt Priesmeier verlangte Sofortmaßnahmen: “Wir müssen flächendeckend alle Rinder, Schafe und Ziegen auf Paratuberkulose untersuchen. Kranke Tiere müssen wie bei BSE getötet werden.” Priesmeier geht davon aus, dass mindestens 30 Prozent der Wiederkäuer infiziert sind. Bei insgesamt 13 Millionen Rindern in Deutschland müssten damit mehrere Millionen gekeult werden. Priesmeier warnte in der BamS: “Die Seuche verbreitet sich rasch!”
Die damalige Opposition im Bundestag machte der damals amtierende Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminiserin Renate Künast laut BamS schwere Vorwürfe. Ursula Heinen (CDU): “Frau Künast hat seit 2001 die Hände in den Schoß gelegt und nichts getan.” Hans-Michael Goldmann (FDP): “Künast hat mögliche gesundheitliche Gefahren sowie wirtschaftliche Risiken für die Landwirtschaft ignoriert.” CDU/CSU und FDP sind 2010 verantwortliche Regierungspartner.
(1) Julia Elze
Nachweis von Mycobacterium avium ssp. paratuberculosis bei Schlachtrindern
Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover, 2009
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