TA Luft – Eine weitere Hürde für die deutsche Schweinehaltung
(ISN) – Mit der neuen TA-Luft (Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, allgemeine Verwaltungsvorschrift) sollen unter anderem für den Bereich der Landwirtschaft eine Reihe von inhaltlichen neuen Anforderungen für die Errichtung und den Betrieb von Schweineställen aufgestellt werden. Zusammen mit einer starken Ausweitung des Geltungsbereiches auf nichtgenehmigungspflichtige Anlagen entwickelt sich die TA-Luft als einfache Verwaltungsvorschrift zur zentralen Norm des Immissionsschutzes bei landwirtschaftlichen Tierhaltungen. Die Bedeutung für künftige Investitionsentscheidungen und die jeweilige Standortwahl ist kaum zu überschätzen. Die deutsche Schweineproduktion muß mit gravierenden Erschwernisssen rechnen, die ihre Position auf dem europäischen Veredlungsmarkt deutlich schwächt.
Für den 8. August 2001 ist eine Anhörung im Bundesumweltministerium geplant.
Die Interessengemeinschaft der Schweinhalter Nord-Westdeutschland (ISN) – veröffentlicht nachfolgend ihre Position zu den geplanten Änderungen, die sie auch politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt hat:
1. Stark ausgeweiteter Geltungsbereich -Vorsorge/Gefahrenabwehr
Mit der im Rahmen des Artikelgesetzes zur Umsetzung der UVP/IVU-Richtlinie erfolgten Änderung der vierten Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz wird der Geltungsbereich der TA-Luft erheblich erweitert. Bereits relativ kleine Schweinehaltungsanlagen (ab 417 Mastschweineplätzen, bzw. ab 58 Sauen mit Ferkelaufzucht) unterfallen nunmehr dem Vorsorgegebot, was für die Ausgestaltung des technischen Regelwerks nicht ohne Folgen bleiben kann. Da die TA-Luft nunmehr auch Anlagen erfassen soll, die nicht dem besonderen Genehmigungverfahren nach dem Bundesimmissionsschutz sondern dem Genehmigungsverfahren nach dem Baurecht unterliegen, kommt es zu einer Verwischung der bislang klaren Abgrenzung zwischen Baurecht und Bundesimmissionsschutzgesetz.
2. Unangemessene Methodik
Die Erfassung und Bewertung der Immissionen erfolgt mit den gleichen Instrumenten die bei industriellen/gewerblichen Anlagen mit definierten Abluftquellen erprobt sind. Die Übertragung dieser Methodik ignoriert die besonderen Anlagen- und Ausbreitungsverhältnisse in der landwirtschaftlichen Tierhaltung. Die Erfassung der relativ geringfügigen diffusen Einträge ist mit unverhältnismäßigen Meßkosten verbunden. Es ist insofern angemessen, Immissionen aus der Tierhaltung durch einfache Instrumente abzuschätzen und nicht durch Messungen zu ermitteln. So ist es nur konsequent, wenn im zur Zeit vorliegenden Entwurf bezüglich der Ermittlung der Ammoniakkonzentration auf ein Abstandsdiagramm zurückgegriffen wird. Ein vergleichbares Instrumentarium ist für die Abschätzung der Staubimmission zu fordern.
3. GIRL/VDI-Richtlinien
Zur Erfassung und Bewertung der Geruchslasten war im Arbeitsentwurf vom 08.12.00 noch die Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) vorgesehen. Im zur Zeit vorliegenden Entwurf wird nicht mehr auf die GIRL zurückgegriffen. Dies ist unbedingt zu begrüßen, denn die GIRL basiert auf Bewertungsansätzen, die sich in der Tierhaltung mit ihren bodennahen Abluftquellen nicht anwenden lassen. Dagegen haben sich die VDI-Richtlinien Emissionsminderung Tierhaltung, die zur Abstandsbeurteilung bislang herangezogen wurden, bewährt. Es steht damit ein Instrument zur Verfügung, das zumindest für den Bereich der Landwirtschaft fachlich und rechtlich unumstritten ist. Zur Bewertung der Geruchslasten sollte daher die Weiterentwicklung der VDI-Richtlinien Emissionsminderung Tierhaltung, die im Entwurf vorliegende VDI-Richtlinie 3474 herangezogen und als Beurteilungsinstrument für Tierhaltungen in die TA-Luft integriert werden.
4. Ammoniak
Bekanntlich haben die Ammoniakeinträge aus landwirtschaftlichen Quellen ihren Ursprung nicht primär in den baulichen Anlagen. Deshalb ist die TA-Luft kein geeignetes Instrumentarium, Reduktionen herbeizuführen.
5. Zielkonflikt tiergerechte Haltungsformen – Immissionsschutz
Die oben beschriebenen Mess- und Grenzwertanforderungen bedingen eine Abkapselung der Viehställe. Damit wird eine weitere Orientierung zu tiergerechten Haltungsformen (Kaltställe, Offenställe, Auslaufställe etc.) behindert, ohne dass Lösungskonzepte erkennbar wären.
6. Kosten/Standort
Die vorgenannten Anforderungen erschweren eine zukunftsorientierte Standortwahl ungemein. Die Entwicklung der vorhandenen Schweinhaltungsanlagen wird teilweise unmöglich. Es kommt zu einer weiteren Zersiedelung des Außenbereiches. Die zusätzlichen Anforderungen erhöhen die Produktionskosten um bis zu 30 %.
7. Unerwünschte agrarstrukturelle Wirkung
Erfahrungsgemäß beschleunigen erhöhte Anforderungen an Stallbaustandards sowie kompliziertere Genehmigungsverfahren den Strukturwandel in der Landwirtschaft. Unter heutigen Gesichtspunkten als größere Betriebe zu bezeichnende Schweinehaltungen bewältigen diese Anforderungen in der Regel besser und schneller. Andererseits unterbleiben die zur Anpassung an die neuen Marktsituationen erforderlichen Investitionen in heute noch entwicklungsfähigen Betrieben. Dies gilt insbesondere für Schweinehaltungen in Größenordnungen, die nach den jüngsten Vorstellungen der Bundesregierung für existenzfähig gehalten werden.
8. Wettbewerb/Harmonisierung
Die vorgesehenen Regelungen beruhen nicht auf Vorgaben der EU. Sie stellen einen Alleingang des Bundesumweltministeriums dar. Dies ist im Hinblick auf die starke europaweite Orientierung der deutschen Veredlungswirtschaft nicht akzeptabel. Die damit verbundenen Konsequenzen für die vor- und nachgelagerten Bereiche der Schweineproduktion führen zu einer Schwächung der Wirtschaftskraft des ländlichen Raumes und des Standortes Deutschland.
Insgesamt handelt es sich bei dem Entwurf für eine neue TA-Luft um ein weiteres Instrument in einer Reihe von Maßnahmen mit erheblichen kostenträchtigen Folgen für die Landwirtschaft. Ähnlich wie bei der Umsetzung der UVP-Richtlinie werden neue nationale Standards eingeführt. Dass diese nicht zwangsläufig dem besseren Schutz bestimmter Umweltgüter dienen, sondern eher fachfremden politischen Zielen, zeigt sich auch in der zunehmenden Verhärtung und Unbeweglichkeit der Fachdebatte. Wie schon oft in der Vergangenheit ist man wieder der Versuchung erlegen, mit den Instrumenten des Umweltschutzes Agrarstrukturpolitik zu betreiben. Das ist für die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Nord-Westdeutschland e.V. nicht akzeptabel, aber auch die Umweltpolitik sollte sich ohne die Folgen zu erkennen und absehen zu können, von solchen Ansinnen freihalten. Die Schweinehalter möchten sich keineswegs neueren Haltungsverfahren, Techniken und Bewertungsmethoden verschließen, setzen jedoch dafür eine sachgerechte Bewertung/Beurteilung und Kosten-Nutzenanalyse voraus.