Leistungsförderer: Schwedische Märchen
(aho) – Der Einsatz von Leistungsförderern gilt landläufig als Hauptursache für die Selektion resistenter Keime in der Human und Veterinärmedizin. Fachleute und Laien überschlagen sich in der Forderung, Leistungsförderer pauschal zu verbieten. Von den Kritikern wird insbesondere Schweden, das seit 1986 den Einsatz von Leistungsförderern im Futter verboten hat, als leuchtendes Vorbild dargestellt. Ist dies wirklich gerechtfertigt?
Wundersame Reduktion
Und tatsächlich, seit dem Verbot der Leistungsförderer, besser gesagt dem Überführen der Substanzen in die Hand des Tierarztes, scheint der Einsatz von Antibiotika deutlich zu sinken (Tabelle 1). Während 1986 noch 25774 kg Antibiotika eingesetzt wurden, fiel der Wert auf wundersame Weise auf 20307 kg.
Tabelle 1: Antibiotikaverbrauch in Schweden in Volumen (kg Antibiotikum) (1)
Antibiotika – Gruppe | 1986 | 1990 | 1994 | 1995 | 1996 |
Tetracycline |
6585 | 4572 | 7730 | 4968 | 2733 |
Macrolide | 1144 | 1399 | 1701 | 1803 | 1468 |
Fluochinolone |
0 | 84 | 246 | 200 | 173 |
Pleuromutiline | 0 | 229 | 465 | 889 | 1142 |
Gesamtverbrauch an Antibiotika | 25774 | 30274 | 3024 | 24569 | 20307 |
Dem kritischen Beobachter fällt aber auf, daß in Tabelle 1 reine Kilogrammangaben verglichen werden. Es wird völlig die unterschiedliche Aktivität der Antibiotika ignoriert. Während Tetracycline im Bereich von 40 mg / kg Körpergewicht dosiert werden, sind es bei Tiamulin 10 mg und bei Enrofloxacin (Fluochinolone) 2,5 5 mg. Berücksichtigt man aber diesen Gesichtspunkt und rechnet alle Antibiotikaverbäuche auf Oxytetracyclin als Standard um, so zeigt sich, daß der Antibiotikaverbrauch in Schweden seit 1986 dramatisch zugenommen hat. Er hat sich tatsächlich mehr als verdoppelt, obwohl die schwedische Schweineproduktion nur um etwa 12 % zugenommen hat.
Offensichtlich hat sich der Gesundheitszustand der schwedischen Tierbestände nach dem "Verbot der Leistungsförderer" deutlich verschlechtert.
Tabelle 2: Schwedischer Antibiotikaverbrauch bezogen auf die Wirksamkeit (biologische Aktivität) der einzelnen Antibiotikagruppen (durch einen Faktor in Relation zur Oxytetracyclindosierung als Standard gesetzt) (1)
Antibiotika – Gruppe | 1986 | 1990 | 1994 | 1995 | 1996 |
Tetracycline | 6585 | 4572 | 7730 | 4968 | 2733 |
Macrolide | 6664 | 8394 | 10206 | 10816 | 8808 |
Fluochinolone | 0 | 2016 | 5904 | 4300 | 4152 |
Pleuromutiline | 0 | 2748 | 5580 | 10668 | 13704 |
Gesamtverbrauch an Antibiotika | 13499 | 17730 | 29420 | 31254 | 29397 |
Per Rezeptblock
Andere Autoren (2) stellen die Frage, ob es tatsächlich ein Fortschritt im Sinne einer Minimierung von der Gefahr der Resistenzentwicklungen ist, wenn die gleichen Substanzen weiterhin gebraucht werden, nur mit dem Unterschied, daß sie heute per Rezept in die Tierbestände kommen oder wenn Olaquindox in Schweden zum Standardtherapeutikum in der Durchfallprophylaxe beim Schwein wurde? Olaquindox wird in Schweden in einer Dosierung 100 – 160 mg / kg Futter anstelle von maximal 50 mg vor 1986 eingesetzt. In diesen hohen Dosierungen sind nachteilige Effekte auf die Tiergesundheit wie die Schädigung der Nebennierenrinde und Verhaltensstörungen (Kannibalismus) zu erwarten (4, 5). Die Gesamtmenge an Olaquindox betrug 1993 immer noch ca. 50 % der Menge die vor 1986 verwendet (3).
Zinkoxid
Oder ist es schließlich ein Fortschritt wenn gerade wegen der Desavouierung der antibiotischen Substanzen der Boom in der Durchfallprophylaxe beim Zinkoxid liegt (2)? Der schwedische Verbrauch von Zinkoxid stieg von wenigen Kilogramm in 1986 auf mehr als 42 Tonnen in 1996. Schwedische Untersuchungen (6) zeigen, daß Zinkoxid oft in seiner antibakteriellen Wirkung dem Olaquindox überlegen ist (7). Es muß in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, daß verschiedene Schwermetalle zu einer Resistenzentwicklung bei Bakterien beitragen können und umweltbelastend sind. Schon jetzt sind die Ackerböden an vielen Standorten erheblich mit Zink, Kupfer, Cadmium und Blei belastet (8).
Fazit
Es ist dringend geboten, die Diskussion um Leistungsförderer zu versachlichen. Insbesondere müssen die möglichen Folgen eines pauschalen Verbotes auf den Gesundheitszustand der Bestände und hieraus resultierenden erhöhten Arzneimitteleinsatz bedacht werden.
Literatur: < 1. Animal pharm No. 401 17. Juli 1998, S. 3
2. Kamphues, J. (1998) Erfahrungen in Schweden seit dem Verbot
antimikrobiell wirksamer Leistungsförderer, Der Praktische Tierarzt 79, 2 S:174 – 175
3. Göransson et al. (1995), zit. n. Kamphues 1998
4. Plonait, H. u. K. Bickhardt (1988) Lehrbuch der
Schweinekrankheiten, Verlag Paul Parey Berlin u. Hamburg
5. Frey, H. H. u. W. Löscher (1996) Lehrbuch der
Pharmakologie und Toxikologie für dir Veterinärmedizin, Ferdinand Enke Verlag Stuttgart
6. Holmgren, N. (1994) [ Prophylactic effects of zinc oxide or
olaquindox against weaning diarrhoea in pigs.] Profylaktiska effekter av zinkoxid eller
olaquindox mot avvanjningsdiarre hos svin. Svensk-Veterinartidning. 46 S. 217 – 222.
7. Hunter, J. (1993) Some studies on multi-resistant E. coli and the
use of antibiotics in the treatment of diarrhoea in pigs. Pig-Veterinary-Journal. 31S. 143
151
8. Leinweber, P. (1996) Schwermetallgehalte und
Schwermetallbindungsvermögen der Böden im agrarischen Intensivgebiet Südoldenburg [ISPA ]. Vechta Druckerei. u. Verlag.
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