„Standards bei Tierkörperbeseitigung nicht ändern“
Eine Entscheidung der Kommission der Europäischen Union (EU) vom 29. Juni 2000 verpflichtet sämtliche Mitgliedstaaten, ab dem 1. Oktober 2000 spezifisches Risikomaterial durch Verbrennung zu beseitigen. Beim spezifischen Risikomaterial handelt es sich um verschiedene Gewebe von Rindern, Schafen und Ziegen, die nicht mehr der menschlichen Ernährung zugeführt und auch nicht mehr zu Tiermehl als Futtermittel verarbeitet werden dürfen. Dabei läßt die Kommission die Entscheidung des EU-Rates vom 19. Juli 1999 über Maßnahmen zum Schutz gegen die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien bei der Bearbeitung bestimmter tierischer Abfälle und zur Änderung der Entscheidung 97/735/EG völlig außer Acht, wo im sechsten Erwägungsgrund festgehalten wird: „Auf seiner Tagung vom 1. bis 3. April 1996 ist der Rat zu der Schlußfolgerung gelangt, daß die Kommission gemäß dem Verfahren des Ständigen Veterinärausschusses eine Entscheidung erlassen soll, wonach alle Säugetierabfälle in der Gemeinschaft nach einer Methode zu behandeln sind, die sich de facto als wirksam für die Inaktivierung der Traberkrankheit und der BSE-Erreger erwiesen hat. Die einzige derzeit bestehende Methode, die diese Anforderung erfüllt, ist eine Hitzebehandlung im Rahmen eines Verfahrens zur Verarbeitung der Tierkörper, bei dem mindestens 20 Minuten lang bei drei bar mindestens 133 Grad Celsius erreicht werden.“
Wie die Ministerin für den Ländlichen Raum (Schleswig-Holstein), Gerdi Staiblin, in einem Schreiben an die Bundesgesundheitsministerin und an den Bundeslandwirtschaftminister feststellt, wendet Deutschland – wie auch Baden-Württemberg – dieses Verfahren seit langem an, ohne daß sich bislang Sicherheitsprobleme ergaben. Es müsse deshalb auch als Verfahren zur unschädlichen Beseitigung des spezifizierten Risikomaterials gemäß der Entscheidung der Kommission vom 29. Juni 2000 anerkannt werden. Nach fachlicher Einschätzung bestehe keine Notwendigkeit, das mit diesem Verfahren hergestellte Tiermehl aus der Futtermittelkette auszuschließen.
Nach Überzeugung von Gerdi Staiblin entsteht insbesondere im Bereich der Tierkörper- und Schlachtabfallbeseitigung durch diese Entscheidung ein erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden, der in einer Studie der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft zur „Folgenabschätzung alternativer Entsorgungsverfahren für Tierkörper und Schlachtabfälle bei einem Verwendungsverbot zur Futtermittelherstellung“ auf rund 50 Millionen Mark pro Jahr beziffert wurde. Es sei zudem den mit der Tierkörperbeseitigung beauftragten kommunalen Körperschaften in gleicher Weise wie der betroffenen Wirtschaft nicht vermittelbar, daß man unter hohem Aufwand ein Verfahren einführt, für das es nach allen vorliegenden fachlichen Erkenntnissen in Deutschland keine Rechtfertigung gibt. Dies gelte um so mehr, als bei einer Einstufung der Bundesrepublik als BSE-freies Gebiet, die Deutschland gegenüber der EU mit allem Nachdruck vertritt, die jetzt als Risikomaterial ausgewiesenen Tierkörperteile nicht mehr als solche zu behandeln sind.
Die Ministerin bittet daher ihre beiden Ministerkollegen, sich dafür einzusetzen, daß Brüssel diese Entscheidung revidiert und in Deutschland nicht zur Anwendung kommt. Erforderlichenfalls solle eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht werden. Ministerium für ländliche Räume, Landesplanung, Landwirtschaft und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein, Pressemitteilung, 145/2000, den 7. August 2000