Wille weist Vorwürfe von EU-Kommissar Fischler zurück
(bml)- Zu den Vorwürfen von EU-Agrarkommissar Franz Fischler in einem Welt-Interview vom 23. Dezember, wonach die EU-Kommission schon am 29. September 2000 beim Abschlussgespräch in Bonn Veterinäre aus dem Bundesernährungsministerium gründlich auf Missstände bei der Futtermittelüberwachung hingewiesen habe, nimmt der Staatssekretär im Bundesernährungsministerium, Dr. Martin Wille, wie folgt Stellung:
1. In der Zeit vom 25. bis 29. September 2000 fand ein Inspektionsbesuch des Lebensmittel- und Veterinäramtes (LVA) der Europäischen Kommission in den Ländern Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern statt. Die EU-Inspektoren wurden jeweils von einem BML-Mitarbeiter und Fachleuten der jeweiligen Bundesländer begleitet.
2. Am 29. September fand ein Abschluss-Gespräch im Bundesernährungs- ministerium statt. Hierüber wurde ich mit Datum vom 9. Oktober zur Problematik Verfütterung von Tiermehl an Wiederkäuer wie folgt unterrichtet:
„Die Mitarbeiter des LVA bezeichneten die Besuche der Futtermittelbetriebe als zufriedenstellend. Hinsichtlich der Überwachung wurde angemerkt, dass in Nordrhein-Westfalen eine höhere Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe kontrolliert werden sollte. Für Bayern konnten keine genauen Angaben im Hinblick auf die Überwachung vorgelegt werden.
Darüber hinaus wurde vorgeschlagen, eine gezielte Überwachung aufgrund einer Risikoanalyse vorzunehmen und insbesondere Einfuhren aus Drittländern und bestimmte Futtermittel aus Mitgliedstaaten in das Überwachungsprogramm einzubeziehen.
Die Zusammenarbeit der Behörden und die Verfolgungsmaßnahmen bei Nachweis von erheblichen Tiermehlbeimengungen zum Rinderfutter wurden für Bayern kritisiert.“
3. Am 13. Oktober wurden ergänzende Fragen der EU-Kommission zum Inspektionsbesuch an die Bundesländer weitergeleitet. Wegen zögerlichen Eingangs der Antworten aus den Ländern (insbeondere aus Bayern) hat das Bundesernährungsministerium die Antworten erst Mitte November an die EU-Kommission weiterleiten können.
4. Am 9. November 2000 unterrichtete Gesundheitskommissar Byrne Gesundheitsministerin Fischer bei einem Treffen in Paris über gravierende Mängel, die vom Dubliner Überwachungsamt (LVA) bei dem Inspektionsbesuch Ende September in deutschen Bundesländern festgestellt worden seien. Ob hierbei auch die Futtermittelproblematik angesprochen wurde, ist dem Bundesernährungsministerium nicht mitgeteilt worden.
5.Am 17. November habe ich in einem Gespräch mit dem in der EU-Kommission zuständigen Generaldirektor Coleman den ausstehenden Inspektionsbericht angesprochen und um schnellstmögliche Übermittlung der Ergebnisse gebeten.
6. Am 3. Dezember fand zur Vorbereitung der Sondersitzung des Agrarrates am 4. 12. ein Telefongespräch zwischen Kommissar Byrne und Bundes- ernährungsminister Karl-Heinz Funke in meinem Beisein statt. Auch hierbei sprach Kommissar Byrne Mängel und Versäumnisse, die bei dem Inspektions- besuch festgestellt worden seien, an, ohne dies jedoch zu konkretisieren.
7. Am 19. Dezember kündigte Kommissar Byrne in einem Gespräch in Brüssel die umgehende Übermittlung des vorläufigen Inspektionsberichts an. Nach wiederholten Anfragen der deutschen Vertretung in Brüssel im Kabinett von Kommissar Byrne wurde der Berichtsentwurf schließlich am 20. Dezember 20.00 Uhr per Fax an das Bundesernährungsministerium gesandt.
8. Ungewöhnlich an diesem Vorgang ist, dass die EU-Kommission trotz mehrfacher Nachfragen die Vorlage des Berichts wochenlang hinausgezögert und die deutschen Behörden im Ungewissen gelassen hat. Dieser Sachverhalt muss dringend aufgeklärt werden, weil in dieser schwierigen Lage gegenseitige Schuldzuweisungen nicht weiterhelfen. Wenn es Fehler und Versäumnisse gegeben haben sollte, werden diese vorbehaltlos aufgeklärt und Konsequenzen gezogen. Die Bundesregierung wird in der Sondersitzung der Bundestags-Ausschüsse Ernährung und Gesundheit am 5. Januar 2001 eine umfassende Aufklärung des Sachverhalts geben. Ich werde den Vorsitzenden der Ausschüsse vorschlagen, auch einen Vertreter der EU-Kommission zu dieser Sitzung einzuladen.
9. Ich werde die Staatssekretäre der Länder Anfang Januar einladen, um aus dem Kommissionsbericht umgehend die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.
BML, 23. Dezember 2000