EU-Risikobewertung für den Fall, dass BSE bei Schafen auftritt
(aho) – Der Wissenschaftliche Lenkungsausschuss (WLA), der die Europäische Kommission unter anderem in BSE-Angelegenheiten berät, hat heute eine vorausschauende Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit veröffentlicht. Dabei wird der Fall gesetzt, dass BSE bei Schafen unter realen Bedingungen festgestellt wird. Die Wissenschaftler sind der Ansicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht genügend Informationen vorliegen, um endgültige Schlussfolgerungen über die potenzielle Gefährdung von Menschen zu ziehen. Sie entwickeln daher drei Szenarien zum potenziellen Risiko und dessen Bewältigung. Nach Aussage der Wissenschaftler liegen derzeit keine Nachweise dafür vor, dass BSE bei Schafen und Ziegen auftritt. Sie fügen jedoch hinzu, dass der Kenntnisstand sehr begrenzt ist und dass angemessene Testmethoden und Überwachungsverfahren zur Bestätigung einer Diagnose nicht zur Verfügung stehen. Daher muss man mit dem Sammeln von Informationen beginnen, die erforderlich sind, um die mögliche Prävalenz von TSE bei Schafen zu bewerten.
Bisher ist BSE bei Schafen unter Feldbedingungen nicht festgestellt worden. Allerdings hat man mit Laborexperimenten nachgewiesen, dass BSE auf bestimmte Schaf- und Ziegengenotypen übertragen werden kann. Darüber hinaus ist unter Umständen an spezifische Gruppen von Schafen und Ziegen Fleisch- und Knochenmehl verfüttert worden, das möglicher- weise BSE-kontaminiert war. Dazu ist es wahrscheinlich insbesondere gekommen, als das EU-weite Verbot der Verfütterung von Fleisch- und Knochenmehl an Wiederkäuer von 1994 von den nationalen Behörden noch nicht wirksam umgesetzt worden war.
Daher bekräftigt der Ausschuss seine Stellungnahme von 1998, dass unter den gegenwärtigen Umständen davon auszugehen ist, dass BSE auf Teile des Schaf- und Ziegenbestands der EU übertragen worden sein könnte. Der Ausschuss betont, dass man jetzt anfangen muss, die Informationen zu sammeln, die man braucht, um die mögliche Prävalenz von BSE bei Schafen in einem Land oder einer Region ordnungsgemäß zu bewerten. Insbesondere weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass eine verbesserte und intensivere Überwachung von Schafherden erforderlich ist. Außerdem müssen Schnelltests entwickelt werden, mit denen man bei Schafen BSE von Scrapie unterscheiden kann. Schließlich muss man ein System einführen, mit dem Schafe individuell identifiziert werden können und der TSE-Status von Herden kleiner Wiederkäuer bestimmt werden kann.
Die Verfahren der Schaffütterung unterscheiden sich erheblich nach Herde, Land oder Region, Wirtschaftsform (intensiv und extensiv) und Wirtschaftszweck (Fleisch-, Milch-, Wollgewinnung). Bei der einzigen derzeit zur Verfügung stehenden Testmethode zur Bestätigung von BSE bei Schafen, bei der Bio-Assays bei Mäusen verwendet werden, dauert es bis zu zwei Jahren, bis Resultate vorliegen. Von derartigen Tests sind nur sehr wenige abgeschlossen worden. Die klinischen BSE-Anzeichen sind möglicherweise nur schwer von den Symptomen von Scrapie zu unterscheiden, einer Krankheit, die für Menschen nicht gefährlich ist. Sie ist bei Schafen in den meisten EU-Ländern endemisch. Forschungen zur Entwicklung zuverlässiger Testverfahren sind im Gange.
Der Ausschuss hat auch die jüngsten Forschungsergebnisse zur Verteilung der (experimentell hervorgerufenen) BSE-Infektiosität in Schafs- und Ziegenkörpern untersucht. Im Gegensatz zu Rindern, bei denen die Infektiosität im Wesentlichen in spezifischen Körpergeweben konzentriert bleibt, wie z. B. im Hirn und im Rückenmark, lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass die BSE-Infektiosität in Schafsgeweben unspezifischer verteilt ist, unter Umständen in ähnlicher Weise wie bei Scrapie. Dies würde bedeuten, dass bei Schafen eine größere Zahl von Geweben aus der Nahrungskette beseitigt werden müssten als bei Rindern, sollte man zu der Auffassung kommen, dass das Auftreten von BSE bei Schafen wahrscheinlich ist.
Als Vorsichtsmaßnahme wird durch Gemeinschaftsrechtsvorschriften bereits vorgeschrieben, dass spezifiziertes Risikomaterial 1) von Schafen und Ziegen seit Oktober 2000 in der ganzen EU aus der Nahrungs- und Futterkette entfernt werden muss. In dem Falle, dass BSE bei Schafen oder Ziegen bestätigt wird, müssen strikte Vernichtungsmaßnahmen angewendet werden, die in der neuen Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Tilgung, Verhütung und Bekämpfung Transmissibler Spongiformer Enzephalopathien vorgesehen sind, die am 1. Juli in Kraft treten soll.
1) Schädel einschließlich Hirn und Augen, Tonsillen und Rückenmark von über zwölf Monate alten Schafen und Ziegen, Milz von Schafen und Ziegen aller Altersklassen.
Veröffentlicht am 14/02/2001