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Mehr Lebensmittelsicherheit – Maßnahmen in der Nutztierhaltung

(DLG) – Der Verlust des Vertrauens der Verbraucher in die Sicherheit der Lebensmittel tierischer Herkunft und die Tatsache, dass viele Entwicklungen in der Landwirtschaft von großen Teilen der Bevölkerung in Frage gestellt werden, sind kein spezifisch deutsches Problem, sondern ein Phänomen, das in nahezu allen entwickelten Industrieländern in Erscheinung tritt. Dabei geht es weniger um schuldhaftes Handeln oder Unterlassen von einzelnen Personen oder Berufsgruppen, sondern viel mehr um eine gewachsene Diskre- panz zwischen der hochgradig konsolidierten, aber dennoch differenzierten Lebensmittelproduktion einerseits und der hochgradig zersplitterten, aber undifferenzierten landwirtschaftlichen Rohwarenproduktion andererseits.

Der zu korrigierende Ist-Zustand:

1. Das Lebensmittelsicherheitssystem

Die Majorität der heutigen Lebensmittelrisiken (Salmonellen, Escherichia coli O157:H7, BSE, Dioxine usw.) hat ihren Ursprung in der der Verar- beitung vorgelagerten Primärproduktion (Futtermittel, Tierhaltung, Tier- körperbeseitigung usw.). Die ca. 100 Jahre alte Hauptmaßnahme zur Lebens- mittelsicherheit bei Fleisch, die amtliche Fleischuntersuchung („Fleisch- beschau“), und das erst vor kurzem eingeführte HACCP-Konzept (Hazard Analysis and Critical Point) beginnen aber beide erst ab der Verarbei- tungsstufe. Darüber hinaus kann die amtliche Fleischuntersuchung in ihrer traditionellen Form die angeführten Risiken selbst bei akribischster Durchführung nicht erkennen.

Die bisher vollständige Übernahme der Verantwortung für die Lebensmittel- sicherheit durch den Staat (die amtliche Fleischuntersuchung) hat den Gedanken der Produkthaftung in der Landwirtschaft nicht gefördert und ein Gefühl der Entlastung von der Verantwortung für Produktmängel bei landwirtschaftlichen Primärprodukten entwickelt.

Lösungsansatz:

Die Verantwortung zur Vermeidung von Risiken für die menschliche Gesundheit durch den Verzehr von Lebensmitteln ist unteilbar und muss von allen an der Produktion der Lebensmittel Beteiligten gleichermaßen getragen werden, also auch von denen, die Nutztiere für die Produktion von Lebensmitteln auf- ziehen und halten. Diese Forderung kann nur erfüllt werden, wenn auch in der landwirtschaftlichen Primärproduktion das HACCP-Konzept und die Regeln des dokumentierten und zertifizierten Qualitätsmanagements angewendet werden, wie es schon seit längerem in den Bereichen der Schlachtung, der Fleischverarbeitung und des Handels üblich ist. Das Ziel dieser Maßnahme ist es, den Lebensmittelproduktionsprozess mit absolut gesunden Tieren zu beginnen, die das geringstmögliche Risiko der Einschleppung von lebens- mittelhygienisch relevanten Erregern und Rückständen in die Produktions- kette garantieren. Es gilt dann, diesen höchstmöglichen Lebensmittel- sicherheitsstandard über alle Produktionsstufen aufrecht zu erhalten. Dafür müssen im Tierbestand und in den ihn beliefernden Unternehmen HACCP und Qualitätsmanagement-Maßnahmen angewendet werden, die mit denen in den nachfolgenden Produktionsstufen abgestimmt sind.

Die Übernahme der Verantwortung für die auf Bestandsebene zu erbringenden Lebensmittelsicherheitsmaßnahmen durch den Nutztierhalter erfordert den Aufbau von nachvollziehbaren Eigenkontrollen. Diese Eigenkontrollen bestehen aus internen Audits und Zertifizierung durch Dritte. Der Staat beschränkt sich auf die Kontrolle der Eigenkontrolle. Es müssen darüber hinaus im Rahmen von festen Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen Qualitäts- sicherung und Produkthaftung auch für zugelieferte Rohwaren implementiert werden.

2. Die Produktströme von der Primärproduktion zum Verbraucher

Obwohl sich der Lebensmittelmarkt bereits seit längerem in qualitäts- orientierte Marktsegmente für differenzierte Waren (oft Markenprodukte) aufgeteilt hat, produziert die Majorität der Landwirte ein immer noch austauschbares Rohprodukt mit der Orientierung auf Quantität bei geringst- möglichen Kosten. Die Landwirtschaft ist vorwiegend horizontal organisiert (Genossenschaften, Zuchtorganisationen, Erzeugergemeinschaften usw.), wodurch der vertikale Dialog mit den nachfolgenden Produktionsstufen sich meist auf die Ablieferung der schlachtreifen Tiere am Schlachthof be- schränkt. Die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln zum Ursprungsbestand ist in der Regel nicht möglich.

Lösungsansatz:

Erzeugergemeinschaften müssen ausnahmslos Qualitätsgemeinschaften werden, durch die Gruppen von Nutztierhaltern sich mit standardisierten Pro- duktionsverfahren (Qualitätshandbücher und Tagesaktivitätslisten) mit Eigenkontrolle und Zertifizierung in vertikal koordinierte Produktions- ketten einbringen, für die sie unaustauschbare Partner werden. Der permanente Dialog zwischen allen Partnern solcher vertikal koordinierten Ketten ermöglicht ein sofortiges Reagieren mit korrektiven Maßnahmen im Nutztierbestand, sobald eine Abweichung vom verbraucherwunschdiktierten, marktorientierten Produktionsstandard, der über dem gesetzlich vorge- gebenen Mindeststandard liegt, festgestellt wird. Eine solche Produktions- struktur ermöglicht ohne weiteren Aufwand die Produktidentität eines jeden Lebensmittels vom Nutztierbestand bis zur Ladentheke aufrecht zu erhalten, wodurch die zu fordernde lückenlose Rückverfolgbarkeit geschaffen wird.

3. Tierhandel und Tiertransporte

Der horizontale Wettbewerb in der Nutztierhaltung, die in Europa besonders stark ausgeprägte Spezialisierung in hier Zucht und da Mast und die ständig wechselnden Preise für Nutz- und Schlachttiere in den einzelnen Regionen haben zu einem ausufernden Umfang des Lebendviehtransportes innerhalb Deutschlands und über die innergemeinschaftlichen Grenzen hinweg geführt. Die nicht zu übersehenden Schwierigkeiten bei der Eindämmung der MKS sind ein beredter Beweis für diesen Zustand.

Lösungsansatz:

Der Transport von lebenden Tieren innerhalb Deutschlands und über Ländergrenzen hinweg muss auf ein unbedingt nötiges Maß reduziert werden. Der Transport von Produkten (Zwischenprodukte wie Schlachtkörper und Endprodukte wie spezialisierte Lebensmittel) ist, wo immer er Lebend- tiertransporte ersetzen kann, diesem vorzuziehen. Auch dafür ist die Herausbildung vertikal koordinierter Produktionsketten mit Qualitäts- gemeinschaften und festen Zulieferer-Abnehmer-Beziehungen mit Nachdruck zu fordern und fördern. Es muss daran gearbeitet werden, dass der Landwirt die Zugehörigkeit zu einer solchen Kette nicht als Verlust seiner Wettbewerbsfähigkeit versteht, sondern als Verlagerung des bisherigen Wettbewerbs um Schlachtkapazität auf einen Wettbewerb um anerkannte und nachprüfbare Qualität.

4. Die tierärztliche Betreuung der Nutztierbestände

Aus verschiedensten Gründen hat sich besonders in der kleinstrukturierten Landwirtschaft das Landwirt-Tierarzt-Verhältnis nicht aus dem veralteten „Reparaturprinzip“ (aufgetretene Erkrankungen werden behandelt) in das „Wartungsprinzip“ (präventive Bestandsbetreuung zur Vermeidung von Krankheiten ohne prophylaktische Antibiotika-Anwendung) entwickelt. Beim „Reparaturprinzip“, bei dem die Bezahlung des Tierarztes oft maßgeblich an die eingesetzten Medikamente gebunden ist, ist ein Medikamenteneinsatz, der oft über das heute akzeptable Maß hinausgeht, in der Regel kaum zu vermeiden.

Lösungsansatz:

Landwirtschaft und Tierärzteschaft müssen sich gemeinsam um die schnellst- mögliche Erarbeitung und Umsetzung von Beratungs- und präventiven Betreuungsbeziehungen bemühen, bei denen nicht die Menge der eingesetzten Medikamente den Verdienst des Tierarztes bestimmt, sondern die Qualität der Beratung. Diese Beratung wird sich in zunehmendem Maße auch auf die Tiergerechtheit und die Einhaltung der in der jeweiligen Qualitätsgemein- schaft geltenden Lebensmittelsicherheits- und Qualitätsstandards erweitern. Der bestandsbetreuende Tierarzt kann dann auch der Kette als interner Auditor dienen.

5. Haltungsformen, Tierschutz und Tiergerechtheit

Die in den letzten Jahrzehnten sich herausgebildeten Haltungsformen unserer landwirtschaftlichen Nutztiere für eine intensive und damit effiziente Nutztierproduktion ist in steigendem Maße in die gesellschaftliche Kritik geraten. Die daraus entstandenen Zweifel, ob die Bedürfnisse des Lebewesens Tier ausreichende Berücksichtigung finden, sind nur allzu verständlich. Die wachsende Entfernung des modernen Menschen von der Landwirtschaft und das Versäumnis der Landwirtschaft offen zu legen, was im Nutztierbestand vor sich geht, haben zu einem Konglomerat von völlig berechtigten Forderungen, ungeprüften Anschuldigungen und falschen Annahmen geführt. Dieser Tat- bestand ist dem Finden einer von der Gesellschaft akzeptierten „Versöhnung“ zwischen der Notwendigkeit einer effizienten Lebensmittelproduktion und der dringend erforderlichen Durchsetzung berechtigter Tierschutzforderungen ebenso hinderlich, wie die Tatsache, dass Tierschutz und Tiergerechtheit in hohem Maße emotional diskutiert werden.

Lösungsansatz:

Es gilt in der Landwirtschaft das Verständnis dafür zu entwickeln, dass wissenschaftlich begründeter Tierschutz und höchstmögliche Tiergerechtheit feste Bestandteile von gesellschaftlich akzeptierter Nutztierhaltung sind und vom Verbraucher als Qualitätskriterien gefordert werden. Tiergerecht- heit und Tierschutz müssen integrierte Bausteine der aufzubauenden Qualitäts- und Lebensmittelsicherheitssysteme sein und in die Eigen- kontrolle sowie die staatliche Kontrolle der Eigenkontrolle mit einbezogen werden.

6. Gesellschaftliche Akzeptanz und Erwartungen

Die Tierdichte in einigen Regionen, die immer höher werdende Tierleistung und einige Haltungsformen haben keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr. Die gesellschaftlich gewollte Preiswertigkeit von Lebensmitteln und die daraus über Jahrzehnte bewusst betriebene und für lange Zeit nicht in Frage gestellte Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft haben zu einem nun offensichtlichen Konflikt zwischen den heutigen Erwartungen der Bevölkerung („biologisch“, „heimisch“, „naturnah“ usw.) und den nach wie vor existierenden ökonomischen Zwängen in der Nutztierhaltung geführt.

Lösungsansatz:

Die wohl am langfristigsten anzulegenden Neuorientierungen betreffen die Wiederherstellung der gesellschaftlichen Akzeptanz von landwirtschaftlichen Produktionsmethoden. Aus der Sicht der Lebensmittelsicherheit ist dabei besonders daran zu arbeiten, dass der Verbraucher verstehen lernt, dass kleine, traditionell arbeitende Betriebe, Betriebe aus „deutschen Landen“ und Biobetriebe nicht automatisch „sicherere“ Rohstoffe in die Lebens- mittelkette liefern. Nicht Betriebsgröße, Produktionsrichtung und Produktionsregion, sondern die Konsequenz und Transparenz der jeweiligen Qualitätsmanagement- und Lebensmittelsicherungssysteme determinieren die Qualität und die Sicherheit der Lebensmittel.

Prof. Dr. med. vet. habil. Thomas Blaha, Tierärztliche Hochschule Hannover, Außenstelle für Epidemiologie, Bakum, Landkreis Vechta (vom 1. April 1996 bis 31. März 2001 Professor am College of Veterinary Medicine der University of Minnesota, St. Paul, USA)

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