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Vortrag: Ernährung und Gesundheit – BSE und die Folgen

Prof. Dr. Helmut Heseker, Universität Paderborn

Ernährung und Verbraucherschutz sind in jüngster Zeit in Öffentlichkeit und Politik zu zentralen Themen geworden. Auch wenn bezüglich BSE und MKS von verschiedenen Seiten inzwischen vorsichtig Entwarnung gegeben wird, sind viele wichtige Fragen bisher nicht ausreichend beantwortet. Die Medien haben diese und andere lebensmittelbezogene Themen zwar ausdauernd bearbeitet, aber m.E. mehr zur Verunsicherung als zur Aufklärung der Verbraucher beigetragen. Daher soll hier für BSE kurz der State-of-the-Art aufgezeigt werden.

Was ist BSE?

Bei der Bovinen Spongiformen Encephalopathie (BSE) handelt es sich um eine Gehirn- und Rückenmarkserkrankung des Rindes. Hierbei zersetzt der BSE-Erreger das Gehirn, macht es löchrig, so dass es zu schwammförmigen Gehirnveränderungen kommt. Erkrankte Tiere magern ab, werden ängstlich, verlieren die Kontrolle über ihre Muskeln. Weiter werden Muskelzittern, unkontrollierter Speichelfluß, Taumeln, Stürze, Hilflosigkeit beobachtet. BSE zählt zu den übertragbaren Prionenerkrankungen, den so genannten Transmissible Spongiformen Encephalopathien (TSE), die auch bei vielen anderen Säugetieren vorkommen. Beim Schaf kennen wir Scrapie (Traberkrankheit); beim Menschen die alte und die neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJK), das Gerstmann-Sträussler-Schenker-Syndrom (GSS) und Kuru; bei Elch und Hirsch eine Chronisch-zehrende Erkrankung (CWD); beim Nerz die Transmissible Mink Encephalopathy (TME) und bei Haus- und Wildkatzen die Feline Spongiforme Encephalopathie (FSE). In englischen Zoos wurde z.B. eine Vielzahl weiterer unterschiedlicher Spezies durch Verfütterung BSE-erkrankter Tiere infiziert.

Gemeinsame Merkmale der TSE sind: eine Jahre bis Jahrzehnte dauernde Inkubationszeit, progressiv-chronische Erkrankungen, zunehmende Hirnzerstörung, Demenz und Verhaltensveränderungen, Bewegungsstörungen sowie eine Degeneration und Vaskuolisierung im Gehirn. Es gibt bisher keine Schutzimpfungen und keine Therapiemöglichkeit. TSE-Erkrankungen führen immer zum Tode. Eine definitive Diagnose kann erst nach dem Tode gestellt werden.

Was sind Prionen?

Prionenproteine (PrPc) sind Sialoglykoproteine, die als wichtige Zellbestandteile in der Plasmamembran von gesunden Nervenzellen bei Mensch und Tier verankert sind. Diese haben bei allen Säugetieren eine sehr ähnliche Form. Normale menschliche Prionenproteine bestehen aus 253 Aminosäuren. Der genetische Code hierfür ist auf Chromosom 20 lokalisiert. Während die Bildung der Aminosäurenkette und die Faltung durch zelluläre Mechanismen streng kontrolliert werden, erfolgt die verhängnisvolle Veränderung dieser Prionenproteine unkontrolliert. Allein durch die Änderung der räumlichen Struktur verändern sich die Prionenproteine (PrPc) zu krankmachende Prionen (PrPSc ; scrapie oder schädlich). Bei den PrPSc handelt es sich um ein proteinartiges infektiöses Agens ohne Nukleinsäure, das extrem resistent gegenüber Hitze, Proteasen, Chemikalien, Desinfektionsmitteln und niedrigem pH ist. Dies sind wichtige Voraussetzungen für eine Ansteckung über die Nahrung. Stanley Prusiner stellte als erster die Hypothese auf, dass diese neue Substanzklasse für die Übertragung der Erkrankung vom Tier auf den Menschen verantwortlich ist. Prusiner erhielt hierfür 1997 den Nobelpreis für Medizin.

Wie entsteht eine Prionenerkrankung?

Im Vergleich zu anderen Krankheitserregern ist an der Übertragung einer TSE offenbar keine Erbsubstanz (DNS/RNS) beteiligt. Die Vermehrung von PrPSc erfordert die Gegenwart von körpereigenen PrPc. Bei einer Infektion bewirkt das eindringende PrPSc im Gehirn eine Umwandlung des normalen körpereigenen PrPc in PrPSc Neu entstandenes PrPSc kann seinerseits die Umwandlung von normalem PrPc in PrPSc bewirken. Es kommt zu einer verhängnisvollen Kettenreaktion. Hierbei scheint es sich um ein neues, bisher unbekanntes biologisches Prinzip zu handeln. Der Transport des infektiösen Prions aus der Nahrung über den Darm ins Gehirn ist noch weitgehend ungeklärt.

Wie gefährlich sind veränderte Prionen für den Menschen?

Es gilt heute als erwiesen, dass BSE Artengrenzen überspringt. Das Auftreten und der Anstieg der BSE-Fälle verläuft parallel mit dem Auftreten der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJK) in Großbritannien. Inzwischen traten erste vCJK-Fälle auch in Frankreich und Irland auf. Eine Übertragung während der Schwangerschaft und über das Blut kann nicht ausgeschlossen werden. Seit den 50er Jahren ist bekannt, dass die Creutzfeld-Jakob-Krankheit z.B. durch unzureichend sterilisiertes OP-Besteck übertragen werden kann. Es bestehen große Ähnlichkeiten mit der aus Papua-Neuguinea bekannten Kuru-Erkrankung.

Welche Gewebe sind besonders gefährlich?

Bei veränderten Prionen handelt es sich um sehr infektiöse Erreger. In 1 g Gehirn- oder Nervengewebe eines an BSE erkrankten Tieres befinden sich bis zu 1 Mrd. Erreger, in 1 g Lymphknoten bis zu 1 Mio und 1 g Leber bis zu 10.000 Erreger. Fleisch und Milch enthalten – wenn überhaupt – weniger als 10 Erreger pro Gramm. Ein Gramm erkranktes Rinderhirn ergibt 100 Mio. infektiöse Dosen, wenn diese direkt ins Gehirn von Mäusen injiziert werden. Neben Gehirn, Rückenmark und Nerven gelten Milz, Bries, Augen (Netzhaut), Teile des Darms, Lymphgewebe und Lunge als besonders erregerhaltig.

Wie es zur BSE-Krise in Deutschland kam

Für Irritation sorgte im Sommer 2000 der wissenschaftliche Lenkungsausschuss der EU, als dieser bei einer Bewertung des länderbezogenen BSE-Risikos Deutschland in die Gruppe III einstufte, zusammen mit Frankreich und der Schweiz. Dem Ausschuss war nicht entgangen, dass Tiermehlhändler über 30.000 t ungenügend erhitztes Tiermehl nach Deutschland importiert hatten. Die Händler wiederum hatten gleichzeitig hygienisch unbedenkliches, deutsches Tiermehl nach Osteuropa verkauft. Aus anderen Ländern, die ebenfalls westeuropäisches Tiermehl bezogen hatten, war bereits ein BSE-Problem bekannt. Kurze Zeit später wurden im Herbst in Deutschland ebenfalls BSE-Fälle festgestellt. Die Zahl nachgewiesener BSE-Fälle hat sich in Deutschland inzwischen (31.5.2001) auf 74 erhöht. In Großbritannien traten bisher auf über 25.000 Farmen über 180.000 BSE-Fälle auf. Auf Grund der zunächst fehlenden Kontrollen und Versäumnissen der Politik gelangte in Großbritannien eine große Anzahl BSE erkrankter Rinder in die Nahrungskette. Experten schätzen, dass in der Vergangenheit in Großbritannien pro Person zwischen 50 und 100 Portionen BSE-Fleisch verzehrt worden sind.

Die neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vCJK)

Die neue Variante der Creutzfeld-Jacob-Krankheit wurde erstmals 1995 in Großbritannien festgestellt. Inzwischen sind über 90 Patienten an vCJK erkrankt bzw. gestorben. Die Tendenz ist steigend, wobei im Moment das zukünftige Ausmaß der Erkrankungen und Todesfälle nicht sicher abzuschätzen ist. Eine Übertragung auf den Menschen ist wahrscheinlich, eine Therapie ist nicht möglich und vCJK verläuft immer tödlich. Da Dosis-Wirkungs-Untersuchungen aus moralisch-ethischen Gründen am Menschen nicht durchgeführt werden können, ist die Mindestmenge infektiösen Materials, die eine Erkrankung auslöst, unbekannt. Aus Gründen des gesundheitlichen Verbraucherschutzes sind weitreichende Vorsorgemaßnahmen zu treffen, auch wenn z.Zt. noch nicht alle Details über die Entstehung und Ausbreitung der Erkrankung bekannt sind.

Was wurde bisher getan?

1994 EU-Verbot der Fütterung von Tier- u. Knochenmehl an Wiederkäuer

1997 höhere Verarbeitungsstandards für Tiermehl (133° C und 3 bar Druck für 20 Minuten)

1998 aktive Überwachung der EU der Kontrollmaßnahmen zu BSE in den Mitgliedsländern

2000 Entfernen von Risikomaterial aus der gesamten Nahrungskette (> 95 % der Infektiosität)

2001 Einführung der BSE-Tests für alle Tiere >30 Monate; generelles Verbot der Verarbeitung von toten Tieren zu Tierfutter; Verbot von Separatorenfleisch in der Nahrungskette; Rinderwirbelsäule wird als Risikomaterial eingestuft; verbessertes Sterilisationsverfahren für Fette von Wiederkäuern; Schnelltests für alle Tier über 2 Jahre; keine tierischen Fette in Milchaustauschfutter und keine Wursthüllen aus Rinderdarm.

Es gibt keine Hinweise für eine Übertragbarkeit von BSE durch Milch und Milchprodukte oder Käse; weder in der Milch noch in Milchdrüsen wurden BSE-Erreger gefunden. Speisegelatine stammt zu 90 % aus Schweinegewebe, die restlichen 10 % aus Rinderhäuten, bei denen keine Infektiosität nachgewiesen wurde. Außerdem werden bei der Herstellung der Gelatine Verfahren angewendet, die mögliche Erreger inaktivieren.

Was ist noch zu tun?

Änderung der Tötungsmethode (keine Bolzenschußtötung).

Verzicht auf Durchtrennen der Wirbelsäule und des Schädels.

Verzicht auf Markknochen, Knochen, T-Bone-Steaks. Weltweite BSE-Tests, auch in Südamerika und USA. („BSE-frei ist nur, wo nicht getestet wird“)

Verbesserung der BSE-Schnelltests.

Entwicklung hochempfindlicher Tests für die Anwendung am lebenden Rind.

Einführung von BSE-Tests als Standardtest bei allen Rindern (wie z.B. die Trichinenschau bei Schweinen).

Einhalten der Sorgfaltspflicht und guter handwerklicher Praxis auf allen Ebenen der Produktion (Landwirtschaft, Schlachthof, Metzgerei, Handel).

Die Gründe für die Unsicherheiten und Ängste der Verbraucher:

Die genaue Natur des Erregers ist noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion.

Der genaue Übertragungsweg und das Ansteckungsrisiko sind unbekannt.

Die Mindestmenge infektiösen Materials ist unbekannt.

Empfindliche Tests, um BSE im Frühstadium zu erkennen, fehlen.

Negative Befunde bei jungen Tieren garantieren keine BSE-Freiheit.

CJK ist eine immer tödlich verlaufende Erkrankung.

Der Erreger ist viel heimtückischer als angenommen und durch herkömmliche Erhitzungs- und Desinfektionsmaßnahmen nicht zu vernichten. Bisher für einzelne Aspekte postulierte Worst-case-Szenarien sind immer auch eingetreten.

Empfehlungen für Verbraucher/innen

Muskelfleisch und Milch werden als weitgehend sicher bewertet. Eine Infektion von Versuchstieren konnte durch Verfütterung von Milch oder Fleisch BSE-erkrankter Tiere in keinem Fall erreicht werden. Ein Restrisiko beim Verzehr von Rindfleisch bleibt vorhanden, dessen Grösse unbekannt ist. Nach heutigem Wissen ist das Fleisch von Schweinen, Geflügel und Fischen als sicher einzustufen. Bei Schafen besteht ein Restrisiko, das wissenschaftlich im Moment nicht abgeschätzt werden kann. Es scheint bei Schafen neben Scrapie auch Fälle von BSE zu geben.

Verbraucher mit sehr hohem Sicherheitsbedürfnis:

Überhaupt kein Rindfleisch essen; keine Kochwürste, kein Schaf-/Lammfleisch aus GB.

Verbraucher mit hohem Sicherheitsbedürfnis:

Nur reines Muskelfleisch verzehren, keine verarbeiteten Lebensmittel, die möglicherweise Innereien vom Rind enthalten; nur Fleisch aus Ammenkuhherden (ohne Milchaustauschfutter).

Verbraucher mit normalem Sicherheitsbedürfnis:

Nur Rindfleisch mit bekannter Herkunft und nur Fleisch von jungen Tieren oder BSE-getesteten, älteren Tieren essen.

Prof. Dr. Helmut Heseker, Universität Paderborn, Tel.: 05251-60-3835/2195, Fax: -60- 3425, heseker@physik.uni-paderborn.de

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