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Bald kein Kraftfutter mehr für Bio-Kühe?

(LID) – Den Grundsatz „Wer etwas leistet, muss auch fressen“ stellt das Forschungsprojekt Feed-no-food zwar nicht in Frage. Nur sollen Bio-Kühe künftig nicht mehr das fressen, was auch für den Teller taugt.

Von Eveline Dudda

Martin Ott, Stiftungsratspräsident des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), Bauer und Viehzüchter nahm kein Blatt vor den Mund: „Ab heute können Sie die Fütterungslehre umschreiben!“ Er bezog sich dabei auf die Ergebnisse eines dreijährigen Versuchs des FiBL, der die Auswirkungen von reduzierten Kraftfuttergaben auf 69 Biomilchbetrieben untersucht hatte. „Pro Kilo Kraftfutter produziert die Kuh nicht zwei Kilo Milch, sondern nur 0,6 Kilo“, sagte Ott, und schloss daraus: „Wenn Sie unbedingt Geld vernichten wollen, dann am besten so.“ Die Medien waren begeistert, einige der 140 Anwesenden hingegen skeptisch und manche wirkten sogar ratlos. Ganz so simpel ist es nämlich nicht.

700 Kilo Kraftfutter pro Kuh und Jahr

Schweizer Biomilchbauern verfüttern zwischen 300 und 400 Kilo Kraftfutter pro Kuh und Jahr, im Schweizer Durchschnitt werden etwa 700 Kilo Kraftfutter eingesetzt. In Europa sind es dagegen mehr als zwei Tonnen. Während die Bio Suisse- Produzenten nur 10% Kraftfutter verwenden dürfen, sind den EU-Biomilchbauern bis zu 40% erlaubt. Auch die österreichische Heumilch kann bis zu 40% aus Kraftfutter stammen. In Spanien erhalten die Kühe im Schnitt 80% Kraftfutter und in Amerika gibt es Betriebe, in denen die Kühe alles Mögliche zu fressen bekommen, nur kein Gras. Ganz anders in Neuseeland, wo die Kühe ausschliesslich Gras fressen und damit etwa gleich viel Milch pro Hektar produzieren wie in der Schweiz. Allerdings sind die klimatischen Bedingungen in Neuseeland ganz anders als in der Schweiz. Genau das ist denn auch die grösste Herausforderung: Mit Schweizer Klima viel Milch mit wenig Kraftfutter auf kleiner Fläche zu erzeugen. Das FiBL-Projekt lässt hoffen, dass es gelingen könnte.

Fressen ja, aber was?

Bauern füttern Kühen Kraftfutter damit sie auch bei hohen Milchleistungen noch gesund und fruchtbar bleiben. Den Grundsatz: „Wer etwas leistet, muss auch fressen“ stellt das FiBL-Projekt auch nicht in Frage. Nur wird fressen anders definiert. Martin Ott: „Die Kuh muss mindestens acht Stunden am Tag fressen können, und zwar richtig.“ Er hat seinen Betrieb entsprechend optimiert: Bei ihm können die leistungsstärksten Kühe das beste Futter wählen, die anderen werden erst danach an den Trog gelassen und die Tiere mit der geringsten Leistung müssen schauen, was übrig bleibt. Während Kraftfutter einen konstanten Nährstoffgehalt hat, schwanken die Nährwerte von Gras und Heu je nach Jahreszeit, Witterung und Konservierung gewaltig. FiBL-Tierarzt und Projektleiter Christophe Notz hat beobachtet, dass die Kühe mit diesen Schwankungen klarkommen: „Zwar trat zu Beginn der Laktation ein Energiemangel auf, dafür sank das Risiko, dass der Pansen übersäuert wird.“ Und Tierarzt Michael Walkenhorst stellte fest: „Kühe mit einer hohen Milchleistung kompensieren das mit einer langen Zwischenkalbezeit.“ Das heisst im Klartext: Die Kühe leisten sich einfach eine längere Auszeit, bis sie wieder Milch geben.

Nicht alle Kühe sind gleich

Neben der Praxisstudie führte das FiBL auch eine experimentelle Studie durch. Sie teilte dabei eine 70-köpfige Hochleistungsherde in zwei Gruppen: Die eine Hälfte erhielt bis zu zehn Prozent Kraftfutter (wie auf Biobetrieben erlaubt), die andere Gruppe bekam eine Kraftfutter-Nulldiät. Die Milchleistung der zweiten Gruppe sank um rund sechs Prozent, wobei jüngere Tiere stärker reagierten und bis zu 15 Prozent weniger Milch lieferten. Allerdings ist das Ergebnis nur begrenzt repräsentativ: Die besten sieben Kühe mit der höchsten Milchleistung nahmen nämlich gar nicht erst an der Studie teil. Und fünf Kühe der kraftfutterfreien Gruppe wurden ausgeschlossen, weil sich ihr Gesundheitszustand zu sehr verschlechterte. Notz: „Das war allerdings auch bei ein paar Kühen in der anderen Gruppe der Fall, nur konnten wir die nicht ausschliessen.“ Es ist dennoch ein Zeichen dafür, dass nicht alle Tiere auf den Entzug von Kraftfutter gleich reagieren. Dass man auf Kraftfutterfreiheit züchten müsse, glaubt Notz trotzdem nicht: „In jeder Herde befinden sich ideale Kühe. Es sind jene, die nie auffallen.“ Also Kühe mit einer durchschnittlichen Milchleistung und einer durchschnittlichen Zwischenkalbezeit, die regelmässig und unauffällig ein Kalb gebären. Diese grauen Mäuse im Kuhfell gilt es noch zu identifizieren.

No Food or No Imports?

Feed no Food heisst übersetzt „Füttere keine Lebensmittel“. Doch wo hört ein Lebensmittel auf und fängt ein Futtermittel an? Zählt Weizenkleie bereits zum Kraftfutter, obwohl es ein Nebenprodukt der Lebensmittelproduktion ist? Falls nein, warum wird dann Sojapresskuchen dem Kraftfutter zugeschlagen, der als Abfallprodukt beim Pressen von Sojaöl anfällt? Und warum geht Mais als Raufutter durch, wo er doch als Polenta oder Ribelmais auf dem Teller landen könnte und den Anbau von Getreide zur menschlichen Ernährung ebenfalls konkurrenziert? Häufig wird der Kraftfuttereinsatz primär wegen der Importe kritisiert. Dabei gibt es viele Bauern, die nicht nur Grünland, sondern auch Ackerland bewirtschaften. Einige davon sind in Sachen Kraftfutter autonom, sie bauen ihr eigenes Futtergetreide an. Gegen diesen Anbau hat niemand etwas einzuwenden, im Gegenteil. Bio Suisse Präsident Urs Brändli: „Wir sind froh um inländisches Futtergetreide. Nur sollten das nicht die Kühe fressen, sondern die Schweine und Hühner.“ Dass diese beiden Tiergattungen fast ausschliesslich ‚Food‘ fressen, scheint die Konsumenten nicht zu stören, im Gegenteil: Geflügelfleisch erfreut sich steigender Beliebtheit.

Kraftfutterkosten = Einkaufspreis?

Im Projekt wurde untersucht ob Bio-Betriebe Kraftfutter ohne Nachteile für die Tiergesundheit senken oder ganz weglassen könnten. Das Thema Kraftfutter ist jedoch wesentlich komplexer: Wenn wenig Kraftfutter verwendet wird, frisst die Kuh mehr Gras und – während dem Winter – mehr konserviertes Futter wie Heu oder Silage. Für dessen Herstellung und Konservierung braucht es Maschinen und Lagerräume, all das kostet Geld. Kraftfutter kann per Computerfütterung einfach, exakt und leistungsgerecht verteilt werden. Das Füttern von Heu und Gras benötigt dagegen Zeit und Kraft, weil grosse Volumen bewegt werden müssen, es fallen höhere Arbeits- und Maschinenkosten an. Zwar lässt sich durch vermehrte Weidehaltung ein Teil der Futterkonservierung einsparen, doch dazu braucht es genügend Weideland in Hofnähe. Kraftfutter kostet nicht nur, sondern spart auch Arbeitszeit, Maschinen- und Gebäudekosten.

Weniger ausgeben, mehr verdienen?

Die Ergebnisse des FiBL haben denn auch gezeigt, dass sich das wirtschaftliche Ergebnis der Betriebe tendenziell verschlechtert, wenn sie einfach nur das Kraftfutter reduzieren. Nur wenn sie Anpassungsstrategien fahren, wie eine Erhöhung der Grundfutterleistung oder eine Vollweidestrategie, liessen sich gleich gute oder sogar bessere Betriebsergebnisse erzielen. Die Aussage: „Auf Kraftfutter verzichten und gleich viel Geld verdienen“, greift deshalb zu kurz. Dass die Schweiz mit dem Verzicht auf Kraftfutter die Milchüberproduktion in den Griff bekommen kann, ist vermutlich ebenfalls Wunschdenken. Wenn die Milchbauern Luzerneheu und Maiswürfel statt Getreide und Soja importieren, ist das Mengenproblem genauso wenig gelöst. Die Importe würden nur verlagert. Die Kraftfutterreduktion hat sicher Potenzial, aber alle Probleme lassen sich damit nicht lösen.

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