Fleischproduktion entromantisieren; ehrlich kommunizieren!
Ein Zwischenruf des Agraringenieurs Klaus Henry aus Brest
(kh) – Noch nie wurde in Deutschland so heftig über Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion und Fleischkonsum debattiert wie heute. Kritisiert werden die Haltungsbedingungen von Tieren, neue Ställe, miserable Sozialstandards in der Schlachtindustrie, Missstände bei der Schlachtung bis hin zur Höhe des Fleischkonsums. Die Glaubwürdigkeit, Zuverlässigkeit und Transparenz der Produktionskette Fleisch wird so von der Öffentlichkeit in Frage gestellt. Tierschutzstandards werden heute eher von NGOs wie den verschiedenen Tierschutzorganisationen in den Medien definiert. Die Akteure des Produktionskette Fleisch haben durch das Verschlafen gesellschaftlicher Entwicklungen hier längst die diesbezügliche Deutungshoheit verloren.
So ist das Problem in weiten Teilen auch hausgemacht. Leider transportieren die Werbebotschaften von Landwirtschaft und Industrie wie eh und je ein eher romantierendes Bild einer idyllischen Landwirtschaft, welches jederzeit durch eine einfache Recherche auf der Internetplattform Youtube als Täuschung entlarvt werden kann. Allein schon aus dieser augenfälligen Diskrepanz nähren sich Kampfbegriffe wie „tierquälerische Massentierhaltung“.
Ähnlich unglücklich ist die Signalwirkung und Präsentation des blauen QS-Siegels und des Slogans „Ihr Prüfsystem für Lebensmittel“ welches in Kühltheken dem Verbraucher ins Auge fällt. In seinem Kopf entsteht unweigerlich das Bild eines besonders geprüften Lebensmittels mit einer besonderen Wertanmutung und nicht etwa der Gedanke an ein „stufen- und unternehmensübergreifendes Qualitätssicherungssystem für die Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln“. Diese Diskrepanz bietet eine Blaupause für unzählige Medienberichte.
Dabei darf man es einem Konsumenten nicht vorwerfen, diese Bilder und Signale falsch zu interpretieren. Vielmehr ist es Aufgabe aller Wirtschaftsbeteiligten, die Konsumenten anzusprechen. Es wird immer deutlicher, dass eine Kommunikationsstrategie nach dem Motto „nur kein Staub aufwirbeln“ – neudeutsch „Low Profiling“ – in einer Mediengesellschaft kläglich scheitert. Alle Systembeteiligten sollten sich bewusst machen, dass heute auch ein Billighandy brauchbare Bilder und kurze Videos liefert, die mit wenigen Mausklicks im Internet landen. In einer Web 2.0-Gesellschaft kann man nicht länger über das ob, sondern nur noch über das wie des Umgangs mit kontroversen Themen streiten.
Auch der Versuch, Verbraucher „eingehend“ zu informieren, wird scheitern. Themen werden heute nicht mehr nur über Wissen, sondern auch über Vertrauen und „Bauchgefühl“ entschieden. Die Wertschöpfungskette Fleisch kann ihr derzeit schlechtes Ansehen daher nur durch eine kontinuierliche, von Skandalen unabhängige Kommunikation verbessern. Hierbei tragen alle Beteiligten Verantwortung. In dieser arbeitsteiligen Wertschöpfungskette entscheidet das schwächste Glied über das Vertrauen der Konsumenten.
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