Seit 2011 in Deutschland: Colistin-Resistenzgen in vier Proben nachgewiesen
Hannover/Gießen (aho) – Der Forschungsverbund RESET hat jetzt in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) das übertragbare Colistin-Resistenzgen mcr-1 auch in Deutschland bei Menschen und Nutztieren nachgewiesen. Hierzu informiert aktuell die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover.
Das Colistin-Resistenzgen wurde in drei Schweine-Isolaten, die ab 2011 gesammelt wurden, sowie in dem multiresistenten Isolat aus einer Wundinfektion eines Menschen aus dem Jahr 2014 nachgewiesen. Aussagen zum Ausmaß der Verbreitung, zu möglichen Übertragungswegen oder zur Richtung der Übertragung – von Mensch auf Tier oder umgekehrt – können noch nicht getroffen werden. Die Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler im Fachmagazin „The Lancet Infectious Diseases“.
In Europa und den USA verordnen Veterinärmediziner Colistin seit vielen Jahren zur oralen Medikation bei Darminfektionen. Hier ist Colistin immer noch hochwirksam. Da Colistin kaum aus dem Darm resorbiert wird, spielt die Neuro- und Nephrotoxizität hier nur eine untergeordnete Rolle. In Deutschland ist der Einsatz von Colistin bei Tieren in der Landwirtschaft von 2011 auf 2014 um 20% gesunken.
Colistin wird in der jüngeren Vergangenheit in der Humanmedizin per intravenöser Infusion bei sonst schwer beherrschbaren Infektionen wie z.B. Pneumonie, Sepsis, Meningitis, Harnwegsinfektionen verursacht durch gramnegative Bakterien, besonders Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii, wenn andere Antibiotika kontraindiziert oder nicht wirksam sind, eingesetzt. Ebenso zur inhalativen Therapie bei Atemwegsinfektionen durch gramnegative Bakterien, insbesondere Pseudomonas aeruginosa bei Patienten mit z.B. cystischer Fibrose. Das nebenwirkungsreiche Colistin wird deshalb von Humanmedizinern neuerdings als Reserveantibiotikum bezeichnet.
Hintergrund
Berichte über bakterielle Erreger, die sich nur erschwert mit Antibiotika behandeln lassen, häufen sich in den vergangenen Jahren. Besonders problematisch sind Erreger aus der Familie der Enterobakterien, die gegen eine Vielzahl von antibiotischen Wirkstoffen resistent sind. Kommt auch noch eine Resistenz gegen Antibiotika der Carbapenemgruppe hinzu, bleiben für die Therapie nur noch wenige Alternativen. Das Polypeptid-Antibiotikum Colistin ist eines der wenigen verbliebenen Antibiotika, das gegen Infektionen mit diesen multi- und Carbapenem-resistenten Erregern aus der Familie der Enterobakterien noch wirkt. Im November 2015 veröffentlichten chinesische Wissenschaftler die Entdeckung eines neuen Resistenzgens. Bakterien, die das Gen mit dem Namen mcr-1 tragen, werden unempfindlich gegenüber dem Antibiotikum Colistin. Besonders alarmierend ist, dass das neu entdeckte Resistenzgen zwischen verschiedenen Bakterienstämmen übertragbar ist und sich so theoretisch leicht verbreiten könnte.
Der interdisziplinäre Forschungsverbund RESET beschäftigt sich vorrangig mit speziellen Resistenzmechanismen, die bei den Enterobakterien Escherichia coli und Salmonella enterica auftreten. Der Forschungsverbund wird von der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover koordiniert. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), insbesondere mit dem DZIF-Standort in Gießen: dem Institut für Medizinische Mikrobiologie, legten die Projektpartner in unterschiedlichen Studien zur Verbreitung solcher Keime bei Tieren, Lebensmitteln und Menschen eine umfangreiche Sammlung mit Bakterienstämmen an. Die Informationen zur Herkunft dieser Proben und die Ergebnisse entsprechender Laboruntersuchungen wurden in einer gemeinsamen Datenbank erfasst. Für tiefergehende Analysen sequenzierte das Institut für Medizinische Mikrobiologie in Gießen für eine Auswahl dieser Bakterienstämme das Genom. Diese Sequenzierungsdaten ermöglichten jetzt den Nachweis des neu entdeckten Resistenzgens mcr-1. In allen vier mcr-1-tragenden Isolaten fanden die Wissenschaftler zudem weitere Resistenzgene, was die Optionen für eine antibiotische Behandlung noch stärker einschränkt.
Auch in anderen europäischen Staaten konnte das Resistenzgen bereits nachgewiesen werden. Seit der Erstbeschreibung in China zeigten Analysen verfügbarer Sequenzierungsdaten in Dänemark und England, dass das neue Gen in Datensammlungen zu E. coli- bzw. Salmonella-Stämmen vorkommt, die bis 2012 zurück datieren. In beiden Ländern wurde auch über Nachweise in Isolaten von Menschen berichtet. Weitere Untersuchungen in Deutschland wie auch in anderen Ländern sind erforderlich, um abschätzen zu können, seit wann dieses Resistenzgen vorkommt und in welchem Umfang es bei Bakterien von Menschen und Tieren verbreitet ist. Dies ist wichtig, um Aufschluss über das Ausmaß der Problematik zu erlangen.
Der Forschungsverbund RESET wie auch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) werden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Die Originalpublikation
Presence of plasmid-encoded colistin resistance mediated by mcr-1 in extended spectrum β-lactamase- and carbapenem-producing Gram-negative isolates from animal and human populations in Germany
Falgenhauer L, Waezsada SE, Yao Y, Imirzalioglu C, Käsbohrer A, Roesler U, Brenner Michael G, Schwarz S, Werner G, Kreienbrock L, Chakraborty T for the RESET consortium.
The Lancet Infectious Diseases, Correspondence
Reply to “Seit 2011 in Deutschland: Colistin-Resistenzgen in vier Proben nachgewiesen”